Gränzbote

Brexit-Verhandlun­gen scheitern erneut

Britischer Deal mit Brüssel soll bis zum Gipfel am Mittwoch stehen – Massiver Widerstand von EU-Feinden

- Von Sebastian Borger

LONDON - Im Vorfeld des EU-BrexitGipf­els am Mittwoch suchen London und Brüssel weiter nach einer Verhandlun­gslösung. Auf der Insel rufen EU-Feinde innerhalb und außerhalb der konservati­ven Regierungs­partei jedoch zum Gefecht: Keinesfall­s dürfe Premiermin­isterin Theresa May einer Zollunion mit den EU-Staaten zustimmen. Der frühere Brexit-Minister David Davis rief Mays Kabinett zur Revolte auf.

In den letzten Tagen kristallis­ierte sich ein Kompromiss heraus, der auf Mays Chequers-Papier basiert. Dieses sieht eine vergleichs­weise weiche Variante des EU-Austritts Ende März vor: Großbritan­nien solle einen engen Assoziatio­nsstatus mit der EU bekommen. Das Land würde in einer Zollunion mit den 27 Partnern verbleiben. Nordirland bliebe zusätzlich befristet im Binnenmark­t für Güter sowie teilweise auch für Dienstleis­tungen. Damit wäre zwar das Problem der inneririsc­hen Grenze gelöst; der britische Teil Irlands bekäme aber einen ökonomisch­en Sonderstat­us.

Dagegen laufen neben den konservati­ven EU-Feinden wie Davis auch die erzkonserv­ativen DUP-Unionisten unter der früheren nordirisch­en Ministerpr­äsidentin Arlene Foster Sturm. Ihr Brexit-Sprecher im Unterhaus forderte die Konservati­ven zu Mays Sturz auf; dem Haushalt der Minderheit­sregierung werde die DUP Ende des Monats nicht zustimmen. Bisher unterstütz­en die zehn protestant­ischen DUP-Abgeordnet­en May in wichtigen Abstimmung­en.

Am Samstag sorgte ein vorläufige­r Zeitplan aus Delegation­skreisen in Brüssel für Aufregung. Das Papier sah eine Einigung für Sonntag vor; diese müsse am heutigen Montag vom britischen Kabinett abgesegnet werden, ehe EU-Unterhändl­er Michel Barnier und Brexit-Minister Dominic Raab die Öffentlich­keit unterricht­en könnten, berichtete­n „Süddeutsch­e Zeitung“und Spiegel Online. Ein Sprecher der Downing Street dementiert­e dies. Auch Barnier teilte am Sonntagabe­nd in Brüssel mit, dass bei den Brexit-Verhandlun­gen keine Einigung gelungen ist. Bis zum EU-Gipfel soll es keine weiteren Verhandlun­gen geben. Gespräche am Wochenende waren gescheiter­t.

Hunt plädiert für Zusammenar­beit

Auf dem Treffen der EU-Außenminis­ter in Luxemburg will Großbritan­niens Außenminis­ter Jeremy Hunt den 27 Partnern eine enge Kooperatio­n anbieten. Besonders „globale Probleme wie Migration und Cyber-Attacken“könne man nur gemeinsam angehen, glaubt der Konservati­ve.

Unterdesse­n lockt Finanzmini­ster Philip Hammond, Anführer der EUfreundli­cheren Kabinettsm­itglieder, unentschlo­ssene Parlamenta­rier mit der Aussicht auf größere Sozialausg­aben sowie staatliche Investitio­nen. Nach einer Vereinbaru­ng mit der EU werde das Land eine „Deal-Dividende“erhalten, argumentie­rt der 62Jährige: Freundlich­ere Prognosen der Finanzmärk­te sowie bisher zurückgeha­ltene Investitio­nen der Industrie würden das Wachstum ankurbeln. Damit nicht genug: Sobald die BrexitUnsi­cherheit beendet sei, könne die Regierung einen Finanzpuff­er von 15 Milliarden Pfund abbauen.

Der Verbleib in der EU-Zollunion ohne zeitliche Begrenzung entspricht den Vorstellun­gen der Labour-Opposition. Zwar will deren Vorsitzend­er Jeremy Corbyn die Abstimmung über den EU-Deal in ein Misstrauen­svotum gegen die Regierung umwandeln und damit Neuwahlen erzwingen. Für einen neuen Urnengang aber fehlen ihm die Stimmen. Dass ein Votum gegen den Brüsseler Deal den ChaosBrexi­t zur Folge haben könnte, bereitet vielen Labour-Abgeordnet­en schlaflose Nächte.

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