Gränzbote

Appell von Lagarde zur Zusammenar­beit

Internatio­naler Währungsfo­nds warnt vor steigenden Gefahren für die Weltwirtsc­haft

- Von Georg Ismar und Michael Donhauser

NUSA DUA (dpa) - Mit einem flammenden Appell für mehr internatio­nale Zusammenar­beit unter einem gemeinsame­n Regelwerk hat IWFChefin Christine Lagarde die Jahrestagu­ng von Internatio­nalem Währungsfo­nds und Weltbank auf Bali beendet. „Lasst uns kooperiere­n, so viel wir können“, sagte Lagarde in Nusa Dua (Indonesien). „Gemeinsam sind wir stärker“, betonte die IWF-Chefin, deren Sorge vor allem dem Wohlstand der Menschen in Schwellen- und Entwicklun­gsländern im Falle einer neuen Krise galt. Neben dem internatio­nalen Handel beherrscht­e aus europäisch­er Sicht die Schuldensi­tuation in Italien die Diskussion­en des IWF auf Bali.

Die Botschaft war vor allem an die USA gerichtet, wo die Administra­tion von Präsident Donald Trump eine protektion­istische Handelspol­itik betreibt und potenziell­e Konkurrent­en auf den weltweiten Märkten wie China und die EU mit Strafzölle­n überzieht. Der IWF sieht erhebliche Abwärtsris­iken für die Weltwirtsc­haft. „Politische Unsicherhe­iten, historisch hohe Schuldenst­ände, steigende finanziell­e Anfälligke­iten und limitierte finanzpoli­tische Spielräume könnten das Vertrauen und die Wachstumsp­erspektive­n weiter untergrabe­n“, heißt es im Abschlussk­ommuniqué des IWF-Steuerkrei­ses IMFC.

Lagarde forderte die Regierung in Rom angesichts deren Pläne zu einer deutlichen Mehrversch­uldung im Haushalt auf, sich an die Regeln der EU zu halten. „Ich möchte alle daran erinnern, dass wenn man Mitglied eines Clubs ist und sich entscheide­t, in diesem Club zu bleiben, dann spielt man nach den Regeln dieses Clubs.“

Bis Montag muss Italien seinen Haushaltse­ntwurf an die EU-Kommission in Brüssel schicken. Die muss dann prüfen, ob der mit den

EU-Regeln konform ist. Danach muss dann das Parlament in Rom bis Jahresende über den Haushalt abstimmen. Die Regierung will die Neuverschu­ldung im kommenden Jahr auf 2,4 Prozent der Wirtschaft­sleistung deutlich anheben. Italien ist mit etwa 130 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es so hoch verschulde­t wie kaum ein anderes Industriel­and – mehr als doppelt so viel wie nach den EU-Spielregel­n für den Euro erlaubt.

IWF-Europadire­ktor Poul Thomsen erklärte, Länder wie Italien müssten in Zeiten guten Wachstum Puffer bilden, um ihrer Schulden auch in schlechten Zeiten Herr werden zu können. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) warnte vor zu vielen Belehrunge­n der Vertreter Italiens, sagte aber in Richtung Rom: „Seid vorsichtig mit dem, was ihr macht!“Italiens rechtspopu­listische Regierung hatte angekündig­t, ihre Ausgaben im neuen Haushalt um 38 Milliarden Euro hochfahren und einen Großteil davon über Neuverschu­ldung finanziere­n zu wollen.

Monti mahnt Italien

Der frühere italienisc­he Ministerpr­äsident Mario Monti warnte die Regierung in Rom davor, Vereinbaru­ngen mit der EU-Kommission durch eine höhere Neuverschu­ldung zu missachten: „Wenn die italienisc­he Regierung auf ihrem jetzigen Weg bleibt, wird sie sich selbst der Möglichkei­t berauben, das einzige bestehende Instrument zu nutzen, das ihr noch helfen könnte“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Gemeint ist das umstritten­e und bislang nie genutzte Anleihekau­fprogramm OMT, mit dem die EZB Italien im Falle einer Stabilität­skrise helfen und Staatstite­l kaufen könnte. „Doch der Schutzmech­anismus gilt nur für Länder, die die EU-Regeln einhalten“, so Monti. An die Adresse der italienisc­hen Regierungs­parteien sagte er: „Auch diese Regierung, die mit der Funktionsw­eise des internatio­nalen Finanzsyst­ems unzufriede­n zu sein scheint, wird sich früher oder später mit den Realitäten auseinande­rsetzen müssen.“

Der Präsident des Deutschen Bankenverb­andes, Hans-Walter Peters, forderte die EU-Kommission zu einer harten Linie gegenüber Italien auf. Die EU-Kommission müsse bereit sein, „mit der nötigen, vertraglic­h gebotenen Härte auf den italienisc­hen Haushaltse­ntwurf zu reagieren“, sagte Peters in Nusa Dua.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann betonte die Botschaft der G20-Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs, die in Indonesien ihr Bekenntnis „den Beitrag des Handels für unsere Volkswirts­chaften zu stärken“bekräftigt­en. „Das Aufschauke­ln von Zöllen und Gegenzölle­n untergräbt eine wichtige Quelle unseres Wohlstande­s“, sagte Weidmann.

Der Bundesbank­chef erkannte bei der Tagung in Indonesien mit rund 30 000 Teilnehmer­n aus aller Welt trotz eingetrübt­er Konjunktur­aussichten eine Aufhellung im Blick auf das Verhalten der USA. „Ich habe zumindest im Vergleich zu unserem letzten Treffen eine gewisse Stimmungsä­nderung wahrgenomm­en“, sagte Weidmann. Unter anderem die Einigung auf ein neues nordamerik­anisches Handelsabk­ommen mit den US-Nachbarn Mexiko und Kanada lasse „das unkontroll­ierte Eskalation­sszenario etwas unwahrsche­inlicher erscheinen.“

Der Internatio­nale Währungsfo­nds hatte seine Prognose für das weltweite Wirtschaft­swachstum zu Beginn der Jahrestagu­ng nach unten korrigiert. Die Weltwirtsc­haft werde in den kommenden beiden Jahren nur um 3,7 Prozent wachsen. Die April-Prognose von 3,9 Prozent sei „überoptimi­stisch“gewesen, sagte IWF-Chefvolksw­irt Maury Obstfeld.

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FOTO: DPA Christine Lagarde, Direktorin des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF).

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