Wenn die Kunst in den Genen liegt
Künstlerin Ilse Wolf entdeckt, dass ihre künstlerische Ader seit 350 Jahren in der Familie wurzelt
●
INNERINGEN - Solche Zufälle gibt es eigentlich nur im Roman. Als die Künstlerin Ilse Wolf in einer Bad Saulgauer Buchhandlung ein Heimatbüchlein aufschlägt, zieht sie ein Bild der Schwarzacher Kapelle magisch an. In dieser Kapelle trifft sie auf ihre eigene Familiengeschichte und auf eine Erklärung für ihre Leidenschaft für die Kunst. Es muss irgendwie in den Genen liegen. Die Nachforschungen haben seit Kurzem neue Anhaltspunkte.
„Ich hatte sogar ein bisschen Tränen in den Augen“, sagt Wolf über den Moment in der Buchhandlung. Fast 30 Jahre ist das heute her. Sie habe das Gefühl gehabt, als kenne sie die Kapelle auf dem Hügel bereits. Sie will die Kirche selbst sehen und fährt mit ihrem Mann nach Schwarzach. Der Messner öffnet und erzählt, wer die barocken Gemälde geschaffen hat: Caspar Fuchs.
„Ich war sprachlos“, sagt Ilse Wolf die mit Mädchennamen ebenfalls Fuchs heißt. Der Blick in das Bad Saulgauer Kirchenbuch bestätigt den Verdacht. Die Künstler Caspar Fuchs und Ilse Wolf sind verwandt. Und Fuchs ist kein unbekannter Maler des Barocks in der Region. In Riedlingen ist sogar eine Straße nach ihm benannt.
„Ich wusste zwar, dass ich einen Großvater in Bad Saulgau habe“, sagt Wolf. Aber nicht, dass die Familie dort so weit zurückgeht. Die künstlerische Ader ist jedoch nicht alles, was Wolf und Fuchs verbindet. Auch das Glas, beziehungsweise die Glaserei. Ilse Wolfs Vater war Glaser. So kam sie überhaupt erst zum Glas als Untergrund für ihre Kunst. Oder eher zu ihrer Oberfläche - denn Ilse Wolf malt nicht auf, sondern hinter Glas. „In sieben Generationen gab es immer einen Glaser in der Familie“, erklärt Ilse Wolfs Tochter Bärbel Wolf-Gellatly anhand eines Stammbaums. Die Nachforschungen beschäftigen mittlerweile die ganze Familie. Was die Nachforschungen nach den Arbeiten von Caspar Fuchs erschwert hat, ist das bis vor Kurzem fehlende Werksverzeichnis. Erst als ihr vor einigen Wochen der Sammelband von Autor Klaus Meyer in die Hände fällt, der mehr als 50 Bilder des Barockmalers recherchiert hat, gehen die Nachforschungen weiter.
Und zwar nicht mehr nur auf dem Papier, sondern in den Gotteshäusern, die die Werke von Caspar Fuchs zieren. 30 Jahre nach der ersten Entdeckung in Schwarzach geht Familie Wolf auf Tour. Unter anderem nach Riedlingen, Obermarchtal, Fulgenstadt, Mieterkingen und Fleischwangen, wo die Ölgemälde von Caspar Fuchs noch zu sehen sind.
Bäume und Gewänder
Dass es auch inhaltliche und stilistische Parallelen zwischen den beiden Malern gibt, weiß Wolf also erst seit wenigen Wochen. Umso faszinierter ist sie davon. „Die Bäume malen wir ähnlich“, sagt Ilse Wolf. „Unsere sind immer krumm und schief, das sieht man nicht oft.“
Und auch die Art und Weise, wie die Gewänder auf den Gemälden von Caspar Fuchs wehen, erinnern die 80-Jährige an ihre eigenen Arbeiten. Und das, obwohl rund 350 Jahre zwischen den Künstlern liegen.
Auch bei den Motiven findet Wolf Ähnlichkeiten. Fuchs malte für die Kirchen und Kapellen logischerweise viele religiöse Szenen. Eine Thematik, die auch Ilse Wolf aufgreift. Und obwohl sie hauptsächlich Landschaften malt, „ist der Kreuzweg meine beste Arbeit“, sagt die Künstlerin.
„Ich glaube, dass die Gene viel ausmachen“, so erklärt sich Wolf diese Parallelen. Und die Veranlagung zur Kunst und zur Glaserei lebt in der Familie weiter.
Die Töchter von Ilse Wolf sind selbst künstlerisch veranlagt. Bärbel Wolf-Gellatly ist in ihrer Freizeit Grafikerin. Die weitere Tochter, Katja Morrison, ist freischaffende Künstlerin. Unter anderem hat sie mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Bärbel die Gestaltung des Gewandhaus-Museums in Inneringen übernommen. Sieben Räume hat sie mit ihrer illusionistische Wandmalerei ausgestattet.
Abgeschlossen sind die Nachforschungen nach Werken von Caspar Fuchs noch lange nicht, sagt Ilse Wolf. Tochter Bärbel überlegt sogar, ein Buch über ihre Recherchen zu schreiben. „Es gibt noch Werke, die nicht signiert sind, das müssen wir noch klären“, sagt sie. Es könne sein, dass da noch mehr kommt. Ilse Wolf ist sich bei einer Sache aber sicher: „Caspar Fuchs freut sich, dass er nach 350 Jahren wieder im Gespräch ist.“