Gränzbote

Wenn die Kunst in den Genen liegt

Künstlerin Ilse Wolf entdeckt, dass ihre künstleris­che Ader seit 350 Jahren in der Familie wurzelt

- Von Kristina Priebe

INNERINGEN - Solche Zufälle gibt es eigentlich nur im Roman. Als die Künstlerin Ilse Wolf in einer Bad Saulgauer Buchhandlu­ng ein Heimatbüch­lein aufschlägt, zieht sie ein Bild der Schwarzach­er Kapelle magisch an. In dieser Kapelle trifft sie auf ihre eigene Familienge­schichte und auf eine Erklärung für ihre Leidenscha­ft für die Kunst. Es muss irgendwie in den Genen liegen. Die Nachforsch­ungen haben seit Kurzem neue Anhaltspun­kte.

„Ich hatte sogar ein bisschen Tränen in den Augen“, sagt Wolf über den Moment in der Buchhandlu­ng. Fast 30 Jahre ist das heute her. Sie habe das Gefühl gehabt, als kenne sie die Kapelle auf dem Hügel bereits. Sie will die Kirche selbst sehen und fährt mit ihrem Mann nach Schwarzach. Der Messner öffnet und erzählt, wer die barocken Gemälde geschaffen hat: Caspar Fuchs.

„Ich war sprachlos“, sagt Ilse Wolf die mit Mädchennam­en ebenfalls Fuchs heißt. Der Blick in das Bad Saulgauer Kirchenbuc­h bestätigt den Verdacht. Die Künstler Caspar Fuchs und Ilse Wolf sind verwandt. Und Fuchs ist kein unbekannte­r Maler des Barocks in der Region. In Riedlingen ist sogar eine Straße nach ihm benannt.

„Ich wusste zwar, dass ich einen Großvater in Bad Saulgau habe“, sagt Wolf. Aber nicht, dass die Familie dort so weit zurückgeht. Die künstleris­che Ader ist jedoch nicht alles, was Wolf und Fuchs verbindet. Auch das Glas, beziehungs­weise die Glaserei. Ilse Wolfs Vater war Glaser. So kam sie überhaupt erst zum Glas als Untergrund für ihre Kunst. Oder eher zu ihrer Oberfläche - denn Ilse Wolf malt nicht auf, sondern hinter Glas. „In sieben Generation­en gab es immer einen Glaser in der Familie“, erklärt Ilse Wolfs Tochter Bärbel Wolf-Gellatly anhand eines Stammbaums. Die Nachforsch­ungen beschäftig­en mittlerwei­le die ganze Familie. Was die Nachforsch­ungen nach den Arbeiten von Caspar Fuchs erschwert hat, ist das bis vor Kurzem fehlende Werksverze­ichnis. Erst als ihr vor einigen Wochen der Sammelband von Autor Klaus Meyer in die Hände fällt, der mehr als 50 Bilder des Barockmale­rs recherchie­rt hat, gehen die Nachforsch­ungen weiter.

Und zwar nicht mehr nur auf dem Papier, sondern in den Gotteshäus­ern, die die Werke von Caspar Fuchs zieren. 30 Jahre nach der ersten Entdeckung in Schwarzach geht Familie Wolf auf Tour. Unter anderem nach Riedlingen, Obermarcht­al, Fulgenstad­t, Mieterking­en und Fleischwan­gen, wo die Ölgemälde von Caspar Fuchs noch zu sehen sind.

Bäume und Gewänder

Dass es auch inhaltlich­e und stilistisc­he Parallelen zwischen den beiden Malern gibt, weiß Wolf also erst seit wenigen Wochen. Umso fasziniert­er ist sie davon. „Die Bäume malen wir ähnlich“, sagt Ilse Wolf. „Unsere sind immer krumm und schief, das sieht man nicht oft.“

Und auch die Art und Weise, wie die Gewänder auf den Gemälden von Caspar Fuchs wehen, erinnern die 80-Jährige an ihre eigenen Arbeiten. Und das, obwohl rund 350 Jahre zwischen den Künstlern liegen.

Auch bei den Motiven findet Wolf Ähnlichkei­ten. Fuchs malte für die Kirchen und Kapellen logischerw­eise viele religiöse Szenen. Eine Thematik, die auch Ilse Wolf aufgreift. Und obwohl sie hauptsächl­ich Landschaft­en malt, „ist der Kreuzweg meine beste Arbeit“, sagt die Künstlerin.

„Ich glaube, dass die Gene viel ausmachen“, so erklärt sich Wolf diese Parallelen. Und die Veranlagun­g zur Kunst und zur Glaserei lebt in der Familie weiter.

Die Töchter von Ilse Wolf sind selbst künstleris­ch veranlagt. Bärbel Wolf-Gellatly ist in ihrer Freizeit Grafikerin. Die weitere Tochter, Katja Morrison, ist freischaff­ende Künstlerin. Unter anderem hat sie mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Bärbel die Gestaltung des Gewandhaus-Museums in Inneringen übernommen. Sieben Räume hat sie mit ihrer illusionis­tische Wandmalere­i ausgestatt­et.

Abgeschlos­sen sind die Nachforsch­ungen nach Werken von Caspar Fuchs noch lange nicht, sagt Ilse Wolf. Tochter Bärbel überlegt sogar, ein Buch über ihre Recherchen zu schreiben. „Es gibt noch Werke, die nicht signiert sind, das müssen wir noch klären“, sagt sie. Es könne sein, dass da noch mehr kommt. Ilse Wolf ist sich bei einer Sache aber sicher: „Caspar Fuchs freut sich, dass er nach 350 Jahren wieder im Gespräch ist.“

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FOTO: PRIVAT Ilse Wolf in ihrem Atelier.
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FOTO: DPA Aleida und Jan Assmann in der Frankfurte­r Paulskirch­e.

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