Ein Roman aus journalistischen Erinnerungen
Der 79-Jährige Wahl-Berliner Felix Huby ist am Freitagabend zu Gast beim Tuttlinger Literaturherbst
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TUTTLINGEN - Buchpräsentation und Autorengespräch beim Tuttlinger Literaturherbst: Eberhard Hungerbühler, unter dem Pseudonym „Felix Huby“bekannter Schriftsteller, hat sich am Freitagabend in der Stadthalle mit Südfinder-Redakteur Dieter Kleibauer unterhalten. Dabei las er auch aus dem kürzlich erschienenen Werk „Spiegeljahre“.
„Was der Kerle alles g’macht hat“, schwärmte Christoph Manz von dem aus Dettenhausen stammenden Romanund Drehbuchautor. Der Buchhändler hatte Huby nach Tuttlingen eingeladen, als dritten Gast der diesjährigen Lesereihe. Nicht die unzähligen Kriminalromane und auch nicht die Drehbücher für die TVKommissare Bienzle, Palu und Schimanski standen an dem Abend im Zentrum, sondern politische Ereignisse der 1970er-Jahre in BadenWürttemberg.
Zu dieser Zeit war Hungerbühler als Spiegel-Korrespondent mitten drin. Im letzten Teil einer Triologie mit autobiografischem Hintergrund geht es unter anderem um Atommüll, um die RAF mit dem Stammheim-Prozess und den Sturz des Ministerpräsidenten Hans Karl Filbinger (CDU). „Christian Ebinger“nennt Huby den Journalisten in „Spiegeljahre“, der als Repräsentant des damals so einflussreichen Blatts den Finger am Puls der Zeit hatte.
Als Kleibauer nach dem prozentualen Verhältnis von Fakten und Fiktion fragt, überlegt Huby kurz: „Etwas mehr als 50 Prozent der Geschichte ist authentisch“, sagt er. „Spiegeljahre“sei ja kein Sachbuch, und bei einem Roman ginge „schon manchmal der Gaul mit einem durch“. Die Figuren würden ein Eigenleben entwickeln, das Gerüst des 350-seitigen Romans sei aber „sachlich begründet“.
Huby liest eine Passage aus der Zeit, als er den Stammheim-Prozess journalistisch begleitete. Er plaudert aus dem Nähkästchen, wie es einem Reporterkollegen gelungen war, mit einem Trick eine kleine Kamera in den Gerichtssaal zu schmuggeln. Und er erinnert sich daran, wie „scharf, bissig und bösartig“Otto Schily damals als Anwalt agierte: „Wenn der losgelegt hat, ist kein Auge trocken geblieben …“
Das Name-Dropping fehlt nicht in Hubys Erinnerungen, wirkt aber natürlich, nicht aufgesetzt wie bei so manch anderem Zeitzeugen. Einer der letzten Aufträge für den Spiegel war im Jahr 1978 die Konfrontation mit dem damaligen Ministerpräsidenten Filbinger zu dessen Aktivitäten als Militärrichter der deutschen Kriegsmarine. Gemeinsam mit dem Dramatiker Rolf Hochhut hatte Hungerbühler den Politiker zuhause in der Villa beim Schloss Solitude aufgesucht.
Imitation von Ex-Ministerpräsident Filbinger
Gekonnt imitiert der Autor Filbingers „weichen, singenden badischen Ton“, als der damals von „Phantomurteilen“sprach, sich als „Jurist mit Leib und Seele“darstellte und schließlich den Ausspruch tat, der schließlich seine Karriere beendete: „Was damals Rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein.“
Auf Nachfrage Kleibauers meint SPD-Mitglied Huby, dass es wichtig sei, auch die „andere Seite“anzuhören und ernst zu nehmen. „Wenn ich heute noch Journalist wäre, würde ich auch der AfD zuhören, auch wenn ich sie fürchterlich finde“. Distanziert, aber interessiert, so neutral wie möglich, sei ein gutes Motto für die Berichterstattung.
Ob es noch ein viertes Buch geben werde, will Kleibauer wissen. „Eher nicht“, meint der 79-jährige Wahlberliner, der extra für den Abend nach Tuttlingen gereist war.