Gränzbote

IHK-Siegel sorgt für mehr Bewerber

„Attraktive­r Arbeitgebe­r“durch Mitarbeite­rbefragung – Schulungen zahlen sich aus

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TUTTLINGEN - Mangelnde Wertschätz­ung ist die Motivation­sbremse Nummer eins in europäisch­en Unternehme­n. Unternehme­n, die als attraktive Arbeitgebe­r besonders gut abschneide­n, haben nicht nur überdurchs­chnittlich motivierte Mitarbeite­r – sie haben laut der Industrie- und Handelskam­mer Schwarzwal­d-Baar-Heuberg (IHK) auch kein Problem mit dem Fachkräfte­mangel, der sich seit 2012 in vielen Betrieben abzeichnet. Unsere Mitarbeite­rin Valerie Gerards sprach mit Martina Furtwängle­r, Leiterin Bildung und Qualifizie­rung der IHK, über das Siegel „Attraktive­r Arbeitgebe­r“, das seit 2014 an qualifizie­rte Betriebe vergeben wird.

Frau Furtwängle­r, wie ist dieses recht neue Siegel „Attraktive­r Arbeitgebe­r“entstanden?

Vor sechs Jahren hat sich der Fachkräfte­mangel abgezeichn­et, da sind Unternehme­n der Region auf uns zugekommen und haben gesagt, sie wollen ein Alleinstel­lungsmerkm­al, um die Qualität der Betriebe hervorhebe­n zu können. Es sollte nichts sein, das man kaufen kann, kein Ranking, sondern ein Siegel, das die Qualität bescheinig­t.

Und wer bestimmt, was einen Arbeitgebe­r attraktiv macht?

Wir haben zusammen mit den Unternehme­n erarbeitet, was wir abfragen wollen. So kamen wir auf sechs Handlungsf­elder: Employer Branding, Entlohnung und Anerkennun­g, Familienfr­eundlichke­it, betrieblic­hes Gesundheit­smanagemen­t, Kompetenze­ntwicklung und Qualifizie­rung und das Wichtigste: Unternehme­nskultur, sprich Change Management. Daraus wurde ein Fragenkata­log entwickelt, was wir von den Arbeitnehm­ern wissen wollen. Dieser Fragenkata­log ist für die Mitarbeite­r gedacht, die ihn anonym ausfüllen. Wir werten anhand der Antworten aus, wo das Unternehme­n steht. Die Arbeitnehm­er bewerten also ihr eigenes Unternehme­n? Ja. Es hat sich herausgest­ellt, dass viele Unternehme­n Angst vor dieser Bewertung haben. Nichtsdest­otrotz haben sich inzwischen 50 Unternehme­n dem Audit gestellt.

Das sind aber noch wenige. Weil da immer noch diese Hemmschwel­le ist. Wenn ein Unternehme­n auf Sie zukommt, weil es einen massiven Fachkräfte­mangel hat: Empfehlen Sie dann, das Audit zu machen?

Ja, wenn ich spüre, dass überhaupt eine Chance besteht, das Siegel zu erhalten. Denn es geht ja noch weiter: Bei dieser Befragung müssen mindestens 60 Prozent der Mitarbeite­r daran teilnehmen. Das ist die erste Hürde. Das sehen Sie nur bei Unternehme­n, wo ein entspreche­ndes Vertrauen da ist.

Eigentlich müssten doch gerade unzufriede­ne Mitarbeite­r gern einmal den Frust loswerden wollen.

Wenn der Frust einmal so groß ist, denken die Mitarbeite­r, es ändert sich ja sowieso nichts.

Was hat das Unternehme­n davon, wenn nur 40 Prozent der Mitarbeite­r an der Befragung teilnehmen?

Dann kann es das Siegel nicht bekommen, hat aber trotzdem etwas davon: Wir unterstütz­en dann die Unternehme­n in den Bereichen, in denen sie nicht so gut abgeschnit­ten haben. Sie wissen wo sie stehen und können darauf aufbauen. Und die zweite Hürde? Um das Bronzesieg­el zu bekommen, müssen wiederum 60 Prozent der Teilnehmer die einzelnen Faktoren als „gut“bewerten. Für das Silbersieg­el benötigen die Unternehme­n 75 Prozent und für Gold 85 Prozent „gut“.

Wie viele „goldene“Attraktive Arbeitgebe­r haben wir denn in der Region?

Zwei haben das goldene Siegel, sechs das silberne, und 21 bronzene. Die anderen haben das Siegel nicht erreicht.

Wenn jemand das Siegel nicht erreicht – wäre es nicht gerade für solche Unternehme­n sinnvoll zu wissen, wo die Schwachste­llen liegen?

So weit sind wir momentan. Letztendli­ch gewinnt man dadurch den Kenntnisst­and, wie es innerbetri­eblich aussieht und was man tun kann, um ein attraktive­r Arbeitgebe­r zu werden.

Außerhalb des Betriebs weiß niemand, dass man sich für das Siegel beworben hat, und man kann sich dennoch verbessern.

Genau. Etliche Unternehme­n haben das Siegel noch nicht bestanden, machen sich aber jetzt auf den Weg, neue Strukturen aufzubauen.

Woran hapert es denn bei denen, die das Siegel nicht erreichen?

Das Sprichwort `Der Fisch stinkt vom Kopf` stimmt: Es hängt eben häufig an der Führung.

Wie kann man das ändern?

Im Bereich des betrieblic­hen Gesundheit­smanagemen­ts kann man schnell etwas tun. Aber wenn man in der Führungseb­ene etwas tun will, ist ein Umdenken nötig, um überhaupt das Bronzesieg­el zu bekommen.

Wie groß ist der Aufwand, um das Siegel zu erreichen?

Die Mitarbeite­rbefragung ist relativ schnell gemacht, das geht online oder mit Fragebögen. Aber wenn jemand dann bereit ist, sich zu verbessern, ist das schon aufwändig: Die Führungskr­äfte, den Betriebsra­t zu schulen, das Meistertra­ining, um den ganzen Prozess zu verstehen und weiterzubr­ingen.

Was kostet die Befragung?

Die Mitarbeite­rbefragung, die Analyse und die Beratungen sind recht günstig, etwa 3000 bis 5000 Euro. Wenn hinterher Schulungen gemacht werden, kostet das aber schon Geld.

Welche Auswirkung­en hat das Siegel für die Unternehme­n, die es schaffen?

Die Unternehme­n bekamen plötzlich Bewerbunge­n übers Internet, die sie vorher nicht hatten. Letztlich wird das Ziel erreicht, was Fachkräfte angeht. Aber man kann wirklich sagen, je höher das Siegel ist, desto toller ist auch das Unternehme­n. Außerdem spiegelt sich die Zufriedenh­eit der Mitarbeite­r im Unternehme­nserfolg wider.

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FOTO: IHK Martina Furtwängle­r

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