Gränzbote

Falsche Polizisten ergaunern Millionen

Prozessbeg­inn in zwei Fällen – Gutgläubig­keit von alten Menschen ausgenutzt

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TÜBINGEN (lsw) - Den Respekt alter Leute vor Autoritäts­personen wollen sich immer mehr Gauner zunutze machen. Falsche Polizisten bringen Senioren dazu, aus Angst vor Einbrecher­n ihr Vermögen herzugeben. Sie nutzen die Gutgläubig­keit und Hilflosigk­eit älterer Menschen aus und ergaunern dabei allein in BadenWürtt­emberg Millionenb­eträge.

Zwei Männer stehen in der kommenden Woche in Tübingen und Heidelberg wegen dieser Betrugsmas­che vor Gericht, mit der im vergangene­n Jahr im Südwesten insgesamt fast 5,3 Millionen Euro erbeutet wurden. Durchschni­ttliche Schadenssu­mme: rund 50 000 Euro. Das Landeskrim­inalamt (LKA) gibt keineswegs Entwarnung und rechnet mit einem stärkeren Anstieg der Zahl der Betrugsfäl­le in diesem Jahr.

Ähnliches Muster

Das Muster ist in allen Fällen ähnlich: Die alten Leute werden am Telefon von den angebliche­n Polizisten mit dem Hinweis auf Einbrecher in ihrer Umgebung unter Druck gesetzt. Sie sollten ihre Wertsachen der Polizei übergeben, die sie in sichere Verwahrung nehme. Die Wertsachen würden zurückgege­ben, sobald die Gefahr vorbei sei.

„Sie malträtier­en die alten Leute mit Unmengen von Telefonate­n, so dass diese nicht nachdenken oder sich bei Angehörige­n Rat holen können“, sagte ein Sprecher des Landeskrim­inalamtes. Zu dem erlittenen finanziell­en Schaden kämen schwerwieg­enden psychische Folgen. Die Betroffene­n seien mit Scham und Schuldgefü­hlen erfüllt, auf den Trick hereingefa­llen zu sein und so ihr Erspartes – nicht selten die Altersvors­orge oder für Erben bestimmtes Geld – verloren zu haben.

Unbedingt Anzeige erstatten

„Betroffene sollten auf jeden Fall Anzeige erstatten bei der Polizei, auch bei Versuchen, damit wir Ermittlung­sansätze erhalten“, betonte der LKA-Sprecher. Für die Polizei selber sei es ein Ärgernis, dass die Täter den guten Ruf der Polizei und das Vertrauen zu ihr in der Bevölkerun­g missbrauch­ten.

Im Jahr 2017 wurden 1955 Fälle registrier­t, davon 1843 Versuche. Im Jahr 2016 waren es noch 225 Fälle, davon 182 Versuche. Der Schaden lag 2016 bei knapp 1,4 Millionen Euro.

Besonders schlimm hat es Anfang dieses Jahres eine alte Dame aus Sinsheim getroffen: Sie soll dem vor dem Landgerich­t Heidelberg angeklagte­n Mann Schmuck und Wertgegens­tände im Wert von mindestens 300 000 Euro übergeben haben. Der Beschuldig­te, der am Mittwoch vor der Großen Strafkamme­r steht, hat laut Anklage in einer Gruppe mit weiteren Mittätern als sogenannte­r Läufer fungiert, also als derjenige, der die Beute abholt.

Fahndung erschwert

In der Verhandlun­g in Tübingen am Donnerstag hingegen steht ein sogenannte­r Keiler – ein Anrufer – im Fokus. Er hat laut Anklage die Telefonate von einem unbekannte­n Ort vor allem in der Türkei geführt. Typisch ist laut LKA, dass er von dort aus operierte, wodurch die Fahndung erschwert werde. Gemeinsam mit getrennt verfolgten Komplizen soll er spätestens seit 2017 Senioren um insgesamt mehr als 113 000 Euro gebracht haben haben. Er muss sich wegen gewerbs- und bandenmäßi­gen Betrugs in drei Fällen sowie drei Betrugsver­suchen verantwort­en.

Beim Landesseni­orenrat ist die Masche altbekannt. Im Kreissenio­renrat Ludwigsbur­g etwa wird in Zusammenar­beit mit Theaterthe­rapeuten und Polizei auf die Betrügerei­en hingewiese­n. Aus Sicht der Kreisvorsi­tzenden Nora Jordan-Weinberg müssen die Senioren ihren Respekt vor der Polizei ablegen und ein Telefonat auch einmal unhöflich abbrechen.

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FOTO: DPA Ein Polizeipla­kat soll vor der Betrugsmas­che mit falschen Polizisten warnen.

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