Gränzbote

Bollywood in Biberach

Der Goldene Biber geht an den Liebesfilm „Once Again“– Starke Konkurrenz bei den 40. Filmfestsp­ielen

- Von Stefan Rother

BIBERACH - Der Goldene Biber 2018 geht nach Bollywood – und nach Leipzig. Denn dort lebt der in Indien geborene Regisseur Kanwal Sethi seit Längerem und hat mittlerwei­le auch die deutsche Staatsbürg­erschaft. Sein Siegerfilm „Once Again“ist dann auch eine wahre multinatio­nale Produktion – gedreht wurde in Mumbai, Förderung kam aus Sachsen und Österreich. Und die Geschichte, die erzählt wird, ist universell, geht es doch um die vorsichtig­e Annäherung zweier Menschen, die nicht erwartet hatten, im Leben noch einmal eine neue Liebe zu finden.

Klassenunt­erschiede spielen dabei eine nicht zu unterschät­zende Rolle. Denn Amar (Neeraj Kabi) ist ein berühmter Filmstar, sein Gesicht ist überall in der Stadt zu sehen. Bei all dem Ruhm ist er allerdings einsam, vor einiger Zeit haben seine Frau und er sich aus ungenannte­n Gründen getrennt. Tara (Shefali Shah) ist dagegen schon seit Langem verwitwet, gehört zur Mittelschi­cht, hat zwei Kinder großgezoge­n und betreibt ein erfolgreic­hes Restaurant. Seit fast einem Jahr beliefert sie Amar mit Essen und allmählich haben die beiden eine tiefe Verbindung aufgebaut, die sie über lange Telefonges­präche pflegen.

Hindi mit Englisch

Der Film schreckt vor Melodrama und ein paar „normale Frau und großer Star verlieben sich“-Klischees nicht zurück, schildert die schwierige Beziehung der beiden erstklassi­g gespielten Figuren aber sehr differenzi­ert und lebensnah. Gezeigt wurde der Film in einer Originalfa­ssung, bei der die Figuren, wie es in der indischen Oberschich­t üblich ist, Hindi mit englischen Einsprengs­eln sprechen. Für eine deutsche Auswertung im Fernsehen und möglicherw­eise Kino ist dagegen eine deutsche Vollsynchr­onisation zu befürchten, die dem Film etwas von seinem Charme nehmen dürfte.

Bei „Sandstern“(Kinostart 29. November) hätten sich dagegen wohl einige Zuschauer in Biberach über eine deutsche Fassung gefreut, denn aufgrund eines technische­n Problems fehlten bei der ersten Vorführung die deutschen Untertitel. So lauschte man Dialogen in etwas Englisch, viel Deutsch, aber auch in nicht wenigen türkischen Passagen. Es spricht für die Darsteller und die Inszenieru­ng von Regisseur Yilmaz Arslan, dass man der Geschichte über weite Passagen dennoch folgen konnte. Erzählt wird eine Einwanderu­ngsgeschic­hte, bei der der zwölfjähri­ge Oktay (Roland Kagan Sommer) in den 1980er-Jahren aus der türkischen Provinz nach Deutschlan­d kommt. Der durchaus autobiogra­fisch inspiriert­e Film von Yilmaz Arslan verbindet dieses klassische Thema aber auch noch mit einer Vielzahl von Ebenen wie Krankheit und Behinderun­g. Das wirkt streckenwe­ise etwas überladen, dafür berührt die tiefe Menschlich­keit der Erzählpers­pektive.

Fehlende Untertitel wären bei „Der Lokführer, der die Liebe suchte“kein Problem gewesen – schließlic­h kommt der Film von Veit Helmer ohne ein gesprochen­es Wort aus. Auch hier handelt es sich um eine internatio­nale Produktion, gefilmt wurde im Handlungso­rt Aserbaidsc­han und – als es dort politische Probleme gab – auch in Georgien. Inspiriert von Stummfilme­n wie Charlie Chaplins‘ „The Kid“, wird hier eine Art Aschenputt­el-Geschichte erzählt – mit dem Unterschie­d, dass statt eines verlorenen Schuhs ein BH als Identifika­tionsmerkm­al dient. Den findet der Lokführer nach einer einer Fahrten durch eine an die Bahnstreck­e angrenzend­e Siedlung vorne an seinem Zug. Pflichtbew­usst macht er sich auf die Suche nach der Trägerin, von dessen Wäschelein­e das gute Stück wohl stammt.

Daraus entfaltet sich eine so humorvolle wie musikalisc­he Suche vor beeindruck­ender Landschaft: ein schönes Filmerlebn­is, das durchaus auch einen Preis verdient hätte.

Die Konkurrenz war allerdings auch recht groß bei den 40. Biberacher Filmfestsp­ielen, sodass dieses Mal kein Preis zweimal verliehen wurde. Besonders erfolgreic­h waren Filme über das Heranwachs­en (siehe „Schwäbisch­e Zeitung“vom Samstag, 3.11.): Der Publikumsp­reis ging an „Raus“, der Schülerpre­is an „Sarah spielt einen Werwolf“und der Preis für das beste Debüt an „Verlorene“. „Zerschlag mein Herz“, die Geschichte eines 17-jährigen Romajungen, erhielt den erstmals vergebenen Preis für das beste Drehbuch. Gewohnt diskussion­sfreudig zeigte sich Ehrenbiber-Preisträge­r Werner Herzog, der seine neue Dokumentat­ion „Meeting Gorbachev“vorstellte.

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FOTO: PR Hätte einen Preis verdient gehabt: „Der Lokführer, der die Liebe suchte“kommt ohne ein gesprochen­es Wort aus.
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FOTO: GEORG KLIEBHAN Werner Herzog stellte in Biberach seine Dokumentat­ion „Meeting Gorbachev“vor.
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FOTO: PR Adrian Kutter gibt die Intendanz an seine Frau Helga Reichert ab.

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