Ein wahres Rumpelstilzchen des Blues
Internationale Blues-Größen haben in zwei Konzerten das Publikum begeistert
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TROSSINGEN – Zwei restlos ausverkaufte Konzerte bei den Harmonika Masters Workshops: Teilnehmer und Bluesliebhaber aus der ganzen Region haben im Kesselhaus sechs ganz unterschiedliche HarmonikaStile – insgesamt acht Stunden lang – erlebt.
Tagsüber unterrichten, abends dann voller Elan auf der Bühne: Offensichtlich kein Problem für die internationalen Blues-Größen. Die Harpspieler ließen ihre Instrumente kichern und stöhnen, gackern, Wind und Dampflok imitieren, glucksen, schnorcheln und jubilierend trillern. Am Freitagabend eröffnete David Barrett aus Kalifornien, der „Gentleman des Blues“, das Konzert. „Perfect“und „Passin‘“hießen die beiden Eigenkompositionen Barretts; altbekannte Stücke der Harp-Ikonen Walter Jacobs und Big Walter Horton folgten.
Marko Ivanovic, gebürtiger Münchner und jetzt Wahlberliner, begann mit dem „Blues, when it rains“, bevor er die versammelte „Brotherhood der Harp Player“begrüßte. Gerade noch rechtzeitig fügte er die „Sisters“hinzu. Immerhin 19 Teilnehmerinnen hatte die zwölfte Ausgabe des Trossinger BluesEvents und auch im Publikum waren Frauen gut vertreten. Bei denen kamen das swingende „Russische Wiegenlied“und das Liebeslied von Ray Charles „You don’t know me“besonders gut an.
Steve Baker, der 2003 die Masters Workshops initiiert hatte, stellte seine brandneue CD „Perfect Getaway“vor. Bei den Eigenkompositionen ging der 1953 in London geborene Harmonica-Spieler zeitlich weit zurück. Vom Anti-Atomkriegssong „Apeman“über „Double crossed and blue“und „Soul train“bis zum Titelsong war alles kernig, mitreißend und lautstark.
Der Samstagabend begann mit dem diatonischen Turbo-Gebläse von Grzegorz Szlapczynski. Der energiegeladene Pole mit Wohnsitz in Paris verkündete sehr selbstbewusst „Now I am the Blues!“, spielte „Soul of a man“von Blind Willy Johnson, hopste wie ein Gummiball und trieb die drei „Blues and Boogie Kings“, die er erst an dem Abend kennengelernt hatte, zu Höchsttempo an. Ein wahres Rumpelstilzchen des Blues, der den Saal zum Hexenkessel-Haus machte. Und das mit 47 Jahren.
Entschleuniger und offene Herzen
Da kam Entschleuniger und Country-Blueser Joe Filisko gerade recht. Aus der ebenfalls brandneuen CD „Destination unknown“erklangen unter anderem das Aussteiger-Lied „Shut it down“im Jugband Stil und der „Louisiana Song“, ein typisches Cajun-Werk. Mit Reibeisen-Stimme fragte der Blueser aus Chicago „Jesus, can you hear me?“und er zeigte auch seine besonderen Tricks auf der Hohner-Harp. „Wenn ich das höre, geht mir das Herz auf“, schwärmte eine Besucherin.
Mit 17 Teilnehmern seines Workshops hatte Mitch Kashmar den Song aus der TV-Serie „Hawaiian Eye“einstudiert. Da war es echt eng auf der Bühne. Der 58-Jährige aus Santa Barbara mit der „chromatic power“ist dafür bekannt, den „echten“Blues im kalifornischen Stil zu präsentieren. Also sonnig, locker und gefällig. Die Liste der Stars, mit denen Kashmar schon gespielt hat ist lang. Im Kesselhaus fühlte er sich genauso wohl wie vor zehn Jahren in der Albert Hall. Das spürte man bei „Whiskey drinki‘ woman“genauso wie bei „I got no reason“und „East of 82nd street“.
Idealer Partner für die Mundharmonika ist die Gitarre. Dies wurde bei den Konzerten erneut unter Beweis gestellt. Eric Noden, seit Jahren Duo-Partner Filiskos und einziger Gitarrist unter den Masters-Dozenten, wurde ebenso bejubelt wie Stefano Rochi, den Jovanovic aus Berlin mitgebracht hatte. Dessen angenehme Stimme ließ aufmerken und auf ein Wiederhören hoffen. Heiße Riffs und fantastische Soli lieferten der Westfale Kai Strauss und der Berliner Jan Hirte.
Für das „Grande Finale“, bei dem die Harmonika-Spieler sich mit improvisierten Beiträgen abwechselten, kam auch Workshop-Dozent Riedel Diegel auf die Bühne.
Die Bluesfans zählen die Tage bis zum 13. Harmonica Masters Ende 2019.
Eine Bildergalerie finden Sie, liebe Leser, unter www.schwaebische.de/ trossingen-harp