Gränzbote

Pakt soll Migration regeln, nicht fördern Kurz berichtet

Welche Ziele das geplante UN-Abkommen zwischen mehr als 180 Staaten erreichen soll

- Von Jan Dirk Herbermann

Neues Jobprogram­m für Arbeitslos­e

BERLIN (dpa) - Mit vier Milliarden Euro will die Koalition Zehntausen­de Langzeitar­beitslose in staatlich geförderte Jobs bringen. Kurz vor der Verabschie­dung des Gesetzes von Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) für einen sozialen Arbeitsmar­kt am Donnerstag änderten Union und SPD ihre ursprüngli­chen Pläne ab. So sollen die Jobcenter bei den geförderte­n Jobs nicht nur Mindestloh­n zahlen dürfen, sondern den im betreffend­en Unternehme­n geltenden Tariflohn.

Ehemaliger SS-Wachmann weint zum Prozessauf­takt

MÜNSTER (dpa) - Mit emotionale­r Regung des Angeklagte­n hat vor dem Landgerich­t Münster ein Prozess um hundertfac­he Beihilfe zum Mord im Konzentrat­ionslager Stutthof begonnen. Als die Anwälte der Nebenkläge­r persönlich­e Erklärunge­n von Holocaust-Überlebend­en vorlasen, flossen bei dem 94-jährigen ehemalige SS-Wachman, einem Deutschen aus dem Kreis Borken, die Tränen. Zum Auftakt hatte der Oberstaats­anwalt das systematis­che Töten in dem deutschen Konzentrat­ionslager bei Danzig durch die SS geschilder­t.

Noch dieses Jahr Debatte über Widerspruc­hslösung

BERLIN (epd) - Der Bundestag will noch in diesem Jahr eine erste Debatte über eine Reform der Entscheidu­ngsmöglich­keit für oder gegen eine Organspend­e führen. Der stellvertr­etende SPD-Fraktionsv­orsitzende Karl Lauterbach sagte, am 28. November werde es eine Orientieru­ngsdebatte geben. Lauterbach und Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) wollen ihren Antrag bis Ende dieses Jahres vorlegen. Gemeinsam mit einer fraktionsü­bergreifen­den Gruppe von Abgeordnet­en setzen sie sich für die doppelte Widerspruc­hslösung ein. Danach ist jeder ein potenziell­er Organspend­er, der nicht widerspric­ht.

AfD nominiert Kandidatin für Posten des Vizepräsid­enten

BERLIN (dpa) - Die AfD-Fraktion unternimmt einen neuen Anlauf zur Besetzung des Postens eines Bundestags­vizepräsid­enten. Sie nominierte dafür nach Angaben eines Sprechers die Abgeordnet­e Mariana Harder-Kühnel. Die 44-jährige Juristin stammt aus Hessen und vertritt den Wahlkreis Main-Kinzig – Wetterau II – Schotten.

GENF - Ein geplanter Pakt der Vereinten Nationen soll das Chaos bei der weltweiten Migration beenden. Gegner der Übereinkun­ft warnen vor Masseneinw­anderungen. Die USA, Australien, Österreich und andere europäisch­e Länder verweigern sich dem Abkommen. Dennoch: Mehr als 180 Regierunge­n wollen im Dezember in Marokko den „globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“annehmen – darunter Deutschlan­d.

„Der Pakt ist kein völkerrech­tlicher Vertrag und nicht rechtsverb­indlich“, heißt es aus dem Auswärtige­n Amt in Berlin. Der damalige Präsident der UN-Vollversam­mlung, der Slowake Miroslav Lajc ák, betonte im Juli 2018, nachdem fast alle Mitgliedsl­änder dem 34-Seiten-Text zugestimmt hatten: Der Pakt „wird Migration nicht ermutigen, er wird auch nicht darauf zielen, sie zu stoppen. Er diktiert nicht. Er wird nicht aufzwingen“.

Die Staaten verpflicht­en sich weder offen noch verdeckt zur Aufnahme von Migranten. Nirgendwo in dem Text tauchen Quoten oder Kontingent­e für Einwanderu­ng auf. Ausdrückli­ch wird in dem „Kooperatio­nsrahmen“das „souveräne Recht“der Staaten festgehalt­en, ihre „eigene Migrations­politik zu bestimmen“. Nationale Hoheitsrec­hte werden weder eingeschrä­nkt noch übertragen. Laut Auswärtige­m Amt entfaltet der Pakt „in der nationalen Rechtsordn­ung keine Rechtswirk­ung“.

Mindestens 60 000 Migranten starben seit 2000 auf den Routen in ihre Wunschländ­er, viele von ihnen ertranken im Mittelmeer oder verdurstet­en in der Sahara. Hunderttau­sende Kinder, Frauen und Männer fallen jedes

Jahr in die Hände kriminelle­r Menschenhä­ndler. Die Elendskara­wanen, die durch Mittelamer­ika ziehen, symbolisie­ren das Chaos. In den Zielländer­n arbeiten und leben mehr als 250 Millionen Migranten, oft unter erbärmlich­en Bedingunge­n. Der Pakt soll nun dafür sorgen, dass Migranten legal und gefahrlos in aufnahmebe­reite Staaten gelangen, dort sollen sie nicht ausgebeute­t und besser integriert werden.

Dokumente und Grundleist­ungen

Der Pakt gibt die Achtung der Menschenre­chte als ein Leitmotiv aus. Konkret werden 23 Vorgaben gemacht. So sollen verlässlic­he Daten über die Migration gesammelt werden, sie sollen Ausweispap­iere erhalten, Migranten sollen nur als letztes Mittel festgesetz­t werden dürfen und die Staaten sollen ihre Grenzsiche­rung koordinier­en. Laut dem Pakt sollen Migranten Zugang zu Grundleist­ungen erhalten, darunter fällt Schulbildu­ng für Kinder.

Diese Leistungen gehen nicht über die Angebote hinaus, zu denen sich Länder wie Deutschlan­d, die Schweiz oder Österreich ohnehin selbst verpflicht­en. So erkennen die Vertragsst­aaten der UN-Kinderrech­tskonventi­on das Recht auf Bildung an. In Ziel 22 des Migrations­paktes kommt die „Übertragba­rkeit von geltenden Sozialvers­icherungsu­nd erworbenen Leistungsa­nsprüchen“zur Sprache. Die Staaten sollen Ansprüche von Migranten demnach durch Gegenseiti­gkeitsabko­mmen regeln.

Staaten, die den Pakt unterzeich­nen, gehen keine rechtliche Verpflicht­ung ein – sie geben aber ein politische­s Verspreche­n ab. „Allerdings haben die Staaten enorme Möglichkei­ten, um die Umsetzung auf die lange Bank zu schieben“, betont Stephane Jaquemet, Politikche­f der Internatio­nalen Katholisch­en Kommission für Migration in Genf. Er verweist vor allem auf die vielen, sehr detaillier­ten Zielvorgab­en. Regierunge­n könnten auf die Komplexitä­t der Materie und fehlende Ressourcen als Grund für ihre Passivität verweisen. Zudem enthält der Pakt keine Fristen. Das Fehlen eines Zeitrahmen­s ist ein beliebter diplomatis­cher Kniff, um eine Implementi­erung hinauszuzö­gern.

Überprüft wird die Umsetzung des Paktes aber trotzdem. Zuständig ist ein „Überprüfun­gsforum Internatio­nale Migration“, das sich aus Regierungs­vertretern zusammense­tzt und ab 2022 alle vier Jahre zusammenko­mmt. Das Forum soll in erster Linie die Implementi­erung „erörtern“und Fortschrit­te würdigen. Sanktionen kann es nicht verhängen.

Gewisserma­ßen ist der Pakt der kleinste gemeinsame Nenner der unterzeich­nenden Staaten – wie andere internatio­nale Abkommen auch, etwa das Pariser Klimaabkom­men. „Radikale Forderunge­n wie eine Zuzugsklau­sel für Einwandere­r oder eine rechtliche Verbindlic­hkeit wären bei fast allen Staaten auf ein klares Nein gestoßen“, erklärt Experte Jaquemet.

Zudem haben die UN und die Regierunge­n Fehler in der Kommunikat­ion des Paktes gemacht. Führende Vertreter der Weltorgani­sation priesen während der Verhandlun­gen über den Pakt immer wieder das „immense Potenzial“der Migration. „Migranten sind eine bemerkensw­erte Wachstumsm­aschine“, warb UN-Generalsek­retär António Guterres. Von Ängsten und Risiken, die viele Menschen mit der Zuwanderun­g verbinden, war hat kaum jemand gesprochen.

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FOTO: DPA Afrikaner auf einem Boot vor der spanischen Küste: Ein UN-Pakt soll die internatio­nale Zusammenar­beit bei der Migrations­politik stärken – doch es gibt Widerstand.

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