Gränzbote

Harter Tobak – aber spannend

Oliver Bottinis Kriminalro­man führt nach Rumänien – Autor liest beim Tuttlinger Literaturh­erbst

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“– allein für diesen wunderbar poetischen Titel gebührt Autor Oliver Bottini eine Auszeichnu­ng. Die hat er auch bekommen, aber nicht nur für die Überschrif­t: Sein Roman wurde mit einem 1. Platz des Deutschen KrimiPreis­es 2018 ausgezeich­net. Zurecht?

Ja. Denn hier stimmt das Gesamtpake­t. Oliver Bottinis Figuren sind vielschich­tig, haben Ecken und Kanten. Allen voran sein Ermittler, Kommissar Ioan Cozma von der Kripo in Temeswar, Rumänien. Der ist in seiner Behörde eigentlich schon längst auf dem Abstellgle­is zur Rente geparkt, zusammen mit seinem Kollegen Ciprian Russo. Dann geschieht ein Mord. Die 18-jährige Tochter eines Ostdeutsch­en, der in Rumänien zu den Großgrundb­esitzern gehört, wird gefunden. Cozma und Russo bekommen den Mordfall übertragen. Das ist in etwa so, als bekäme Limahl von Kajagoogoo, dessen letzter Hit Anfang der 1980er-Jahre erschienen ist, die Chance auf ein Revival. Und sei es nur, um ihn scheitern zu sehen.

Größere Dimensione­n

Man sollte bei der Lektüre von „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“sein Herz nicht allzu sehr an handelnde Personen hängen. Das Personenre­gister wird doch arg dezimiert, und nicht immer sterben nur die, die es auch verdient hätten. Denn der Tod der jungen Gutstochte­r ist eingebette­t in etwas viel Größeres und im Grunde nur ein kleines, eher zufälliges Nebenprodu­kt.

Rumänien, das als Armenhaus Europas gilt, verfügt über einen wertvollen Schatz, den viele heben wollen: Fruchtbare Ackerböden, die auf großen Flächen zu weitaus günstigere­n Preisen als im Westen zu haben sind – in einem Land, dessen Arbeitskrä­fte zu einem Hungerlohn tätig sind und dazu die Aussicht, mit Subvention­en rechnen zu können. Das verspricht hohe Renditen. Große Flächen gehören arabischen, libanesisc­hen oder eben auch deutschen Firmen. Die rumänische­n Kleinbauer­n haben das Nachsehen und leben in Armut. Und in großer Gefahr, wenn sie ihre Parzelle behalten wollen, die gewinnträc­htige Großfläche­n durchschne­iden.

Der 53-jährige Bottini mutet seinen Lesern einiges zu: Rund 420 Seiten, mehrere ineinander verwobene Handlungss­tränge und davon abgesehen die Biografien der handelnden Personen. Wer gerne am Glück und Aufstreben literarisc­her Figuren Anteil nimmt, ist hier völlig falsch. Ein jeder hat sein Päckchen zu tragen – aber selten ist jemand dabei, der des anderen Last trägt. Jeder kämpft für sich allein. Und meistens auf völlig verlorenem Posten.

Bis hin zu Kinder-Gulags

Dafür bietet Bottini auch jede Menge. Eine klare, pointierte Sprache und ebensolche Dialoge. Und vor allem: eine richtig spannende Geschichte. Eingebette­t ist der Politthril­ler mit historisch­em Hintergrun­d (DDR- und Ceaus escus Schre ckens-Regime samt Kinder-Gulags) in ein Road-Movie, denn Ioan Cozma macht sich in den Osten Deutschlan­ds auf, nach Penzlin, wo die junge Tote aufgewachs­en ist.

Dorthin ist auch der mutmaßlich­e Mörder unterwegs. Ohne zu viel verraten zu wollen: Auch der ist nur ein Spielball von etwas viel Größerem – psychopath­ischer Serienkill­er inbegriffe­n.

Fazit: 4,5 von fünf möglichen Punkten. Ist doch ein bisschen düster geraten.

Oliver Bottini: „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“. Verlag Dumont, 2017. 414 Seiten. 22 Euro. Bottini liest am Mittwoch, 14. November, ab 20 Uhr in der Tuttlinger Stadthalle.

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FOTO: STADTHALLE TUTTLINGEN Oliver Bottini liest am 14. November in Tuttlingen aus seinem Kriminal-Roman.

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