Krise als Chance
Mit der Bahn kann es nur wieder aufwärts gehen, wenn die Fehler einer jahrzehntelang verfehlten Verkehrspolitik brutal ins Rampenlicht geraten. Das ist inzwischen der Fall. Die Fahrgäste merken es jeden Tag. Verspätete, überfüllte oder gleich gestrichene Züge sind der äußere Ausdruck der Misere. Der Konzern häuft Schulden an, weil er versäumte Investitionen in eine moderne Ausrüstung der Fahrzeuge und Stationen sowie die wachsende Nachfrage nach Bahnfahrten nachholen muss. Derweil verkommt ein Teil der Trassen, weil der dafür verantwortliche Bund an der Instandhaltung von Brücken und Schienen sparte. Die große Krise der Bahn ist nicht mehr zu übersehen.
Es gibt ein Fünkchen Hoffnung, dass diese zugespitzte Situation zur Chance für den Schienenverkehr wird. Die Politik weiß, dass ein weiterer Verschleiß der Infrastruktur das System gefährdet, etwa wenn Brücken auf zentralen Verbindungen gesperrt werden müssten. Sie weiß auch um die Bedeutung der Bahn für die notwendige Verkehrswende. Darüber haben die Bürger längst mit den Füßen abgestimmt. Sie fahren trotz aller Widrigkeiten immer häufiger mit dem Zug an den Arbeitsplatz oder in den Urlaub. Weil so vieles nicht klappt, steigt der Druck im Kessel. Das Bekenntnis der großen Koalition zum Schienenverkehr ist ein Ausdruck der Einsicht, der Taten allerdings nun folgen müssen.
Die Chance liegt in der ausgezeichneten Kassenlage des Bundes. Vermutlich kann kein Verkehrsminister mehr für die Sanierung und den Ausbau der Trassen herausholen als der amtierende. Doch das muss schnell gehen. Sollte die Koalition vor einer Festlegung darauf platzen, steht auch ein solider Bahnverkehr wieder in den Sternen.