„Zu Beginn herrscht große Hilflosigkeit“
Ingrid Binder über die Stiftung „Dianiño“, die zuckerkranke Kinder unterstützt
TUTTLINGEN - Es ist eine Krankheit, die den gesamten Alltag beeinflusst und weitreichende Folgen haben kann. Am heutigen Welt-Diabetestag soll deshalb eine größere Sensibilität für die Zuckerkrankheit geschaffen werden. Doch wer bei Diabetes hauptsächlich an ältere Menschen denkt, liegt falsch: Auch Kinder können unter der Krankheit leiden, der sogenannten KinderDiabetes. Die Tuttlingerin Ingrid Binder setzt sich mit ihrer Stiftung „Dianiño“für genau solche Kinder ein. Unsere Volontärin Linda Egger hat mit ihr über ihre Arbeit für die Stiftung gesprochen.
Frau Binder, wie sind Sie dazu gekommen, die Stiftung zu gründen?
Ich habe vor rund 26 Jahren angefangen, mich um zuckerkranke Kinder zu kümmern. Auf einer Veranstaltung habe ich betroffene Familien kennen gelernt. Ich habe eine Zeit lang für eine andere Stiftung gearbeitet, die sich mit Diabetesforschung beschäftigt hat. Aber was die Familien brauchten, war direkte Hilfe. Das hat mich dann dazu bewogen, eine eigene Stiftung zu gründen. „Dianiño“ist weltweit die einzige Stiftung, die auf diese Weise arbeitet. Dianiño hilft betroffenen Familien deutschlandweit, schwerpunktmäßig aber hier in der Region.
Was ist Kinder-Diabetes genau und wie viele Kinder sind betroffen?
Diabetes vom Typ 1 ist bei Kindern eine unheilbare, lebenslange Form von Zuckerkrankheit und nicht zu verwechseln mit der Altersdiabetes. Jedes Kind kann an Diabetes erkranken. Derzeit sind es rund 25 000, das bedeutet, eines von 600 Kindern in Deutschland leidet bereits an Diabetes. Pro Tag kommen fünf bis sechs neue kleine Patienten hinzu. Mehr als 50 Prozent der betroffenen Kinsatzbereit der sind noch keine fünf Jahre alt.
Vor welchen Problemen stehen Familien konkret, wenn ein Kind an Diabetes erkrankt?
Zu Beginn herrscht meist eine große Hilflosigkeit. Das Familienleben steht erst einmal auf dem Kopf. Plötzlich braucht es eine enge Taktung: das Essen oder Unternehmungen müssen genau festgelegt werden. Alles dreht sich um das Kind. Geschwister geraten dabei oftmals in den Hintergrund. Diese Veränderung des Alltags und daraus resultierende Ängste werden zu einer großen familiären Belastung. Es ist nichts mehr, wie es war.
Wie sieht Ihre Arbeit konkret aus?
Mit der Zuckerkrankheit hat man schlagartig Sorgen und Probleme, für die man Hilfe von außen braucht. Wir haben knapp 300 sogenannte Diabetes-Nannys, die jederzeit ein- sind. Sie kümmern sich um das erkrankte Kind, schulen die Eltern und geben seelische Unterstützung. Sie helfen auch bei der Integration des Kindes im Kindergarten oder in der Schule und können innerhalb von 24 Stunden in der Familie sein. Meist ruft der behandelnde Arzt uns an, wenn eine Familie in der ersten Zeit nach der Diagnose Unterstützung braucht. Die Nannys sind überwiegend Kinderkrankenschwestern und Diabetesberaterinnen, aber auch einige selbst betroffene Mütter. Wir machen auch Fortbildungen für die Nannys, denn im Krankenhaus zu arbeiten, ist ja nochmal etwas ganz anderes, als direkt in der Familie.
Was konnten Sie mit Ihrer Stiftung bereits erreichen?
Wir waren bereits fast 2 500 Mal im Einsatz und konnten damit enorm vielen Familien helfen. Und es werden immer mehr. Eine prominente Unterstützerin ist zum Beispiel Elke Büdenbender, die Frau des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Sie fungiert auch als Schirmherrin der Stiftung. Jede einzelne Hilfe zählt, allerdings steigt die Zahl der betroffenen Kinder immer weiter, sodass wir kaum Schritt halten können. Wir sind auf weitere Hilfe angewiesen.
Was sind Ihre Ziele und Wünsche für die Zukunft, mit Blick auf den heutigen Welt-Diabetestag?
Mein Wunsch ist, noch mehr Gehör für das Thema Kinderdiabetes zu finden, um eine höhere Sensibilität für die Schwere der Krankheit und ihre Folgen für die Kinder und Familien zu schaffen. Ich wünsche mir auch, dass die Forschung vorankommt und jeder einzelne nie außer Acht lässt, dass die Gesundheit das höchste Gut ist, was ein Mensch hat.