Freund vergiftet: 29-Jährige vor Gericht
Gift mit dem Vesperbrot verabreicht
SCHRAMBERG (sbo) - Ein außergewöhnlicher Fall ist vor dem Oberndorfer Amtsgericht aufgerollt worden. Eine Frau aus einem Schramberger Teilort gab ihrem damaligen Freund in vier Fällen ein vergiftetes Vesperbrot.
Übelkeit, Erbrechen, Blutdruckabfall, schneeweißes Gesicht – so erging es dem vergifteten Freund der Angeklagten nach Aussage seiner Ärztin. Er befand sich in einem lebensbedrohlichen Zustand, ist immer noch traumatisiert von der vierfachen Giftattacke seiner damaligen Freundin. Zwei Mal musste der Mann ins Krankenhaus. Sein Leben, so Gisela Skopp vom forensisch-toxologischen Institut München, sei an einem seidenen Faden gehangen.
Richter Wolfgang Heuer suchte nach einem plausiblen Motiv für die Giftattacken, das konnte die Angeklagte aber nicht liefern. Sie sprach von Enttäuschungen, dass ihr Freund sie manchmal versetzt habe, aber Anlass und Tat standen nicht nur für den Richter in keinem angemessenen Verhältnis. „Nur weil man versetzt wird, setzt man doch kein Gift ein“, so Heuer.
Die Angeklagte bestellte im Internet – ganz legal – Hülsenfrüchte, die als Pulver sehr giftig sind. Das Pulver mischte sie in ein Vesper, das sie ihrem Freund bei der Arbeit vorbeibrachte. Vier Mal innerhalb von zwei Monaten im Jahr 2017 vergiftete sie den Mann. Es hätte tödlich enden können, auch wenn die Angeklagte beteuert, sie habe nicht gewollt, dass er sterbe. Er sollte sich nur auch mal schlecht fühlen, so die Angeklagte.
Auf die Schliche gekommen waren die Beamten der Frau, weil ein Mann, mit dem die Angeklagte Nachrichten austauschte, sie bei der Polizei anzeigte. Im Internet-Chat mit ihm hatte sie unter anderem davon erzählt, dass sie Giftstoffe besitze und vorhabe, ihren Freund zu vergiften. Vor der Anzeige habe der Mann eine schlaflose Nacht gehabt, hatte Angst, dass sie ihn dann vielleicht auch vergifte. Aber er machte den Schritt und informierte die Polizei.
Im Internet hat sich die Angeklagte schon mehrmals auffällig gezeigt. Auch Bilder von ihren zahlreichen Waffen veröffentlichte sie. Die Polizisten fanden in ihrer Wohnung ein ganzes Arsenal an Waffen: Schusswaffen, Messer, Schlagringe aus Messing und Stahl, eine Machete. Die Angeklagte sagte, die Sammlung sei ihr Hobby. Aber verwenden würde sie die Waffen nicht. Dennoch hat die 29-Jährige deswegen zusätzlich eine Anklage wegen Besitz von neun verbotenen Waffen am Hals.
Aufgrund des unangemessenen Verhaltens der Angeklagten war Richter Heuer gespannt auf das forensischpsychiatrische Gutachten von Ralf Kozian vom Vinzenz-von-Paul-Hospital in Rottweil. Er sprach von einer impulsiven Akzentuierung, von einer Anpassungsund Panikstörung sowie einer Persönlichkeitsstörung. Die Frau sei emotional instabil und aggressiv, habe aber trotzdem ein hohes Funktionsniveau. Eine seelische Abartigkeit oder psychotische Verzerrung liege nicht vor. Die Taten habe sie rational vorbereitet.
Für erneute Gewalttaten sehe der Gutachter ein mittleres Risiko. Um dieses zu minimieren, empfehle er eine mehrjährige psychotherapeutische Behandlung. Doch für den Richter lasse das Missverhältnis zwischen Anlass und Tat nur den Rückschluss zu, dass die Angeklagte psychisch gestört sei. Auch die Empathielosigkeit der Angeklagten sei ihm aufgefallen. Und: Wenn keine schwere psychische Erkrankung vorliege, hieße das im Umkehrschluss, dass die Angeklagte hochkriminell sei, so Richter Heuer.