Gränzbote

Mehr Frohsinn, Königliche Hoheit

Prinz Charles wird 70 Jahre alt – Der Tag seiner Thronübern­ahme rückt näher

- Von Sebastian Borger, London

Am vergangene­n Sonntag bekam die Nation einen Vorgeschma­ck auf ihre Zukunft unter König Charles. Mehr als 60 Jahre lang war es Queen Elizabeth II gewesen, unter deren Führung Grossbrita­nnien jeweils am 11. November der Toten aller Kriege gedachte. Zum zweiten Mal in Folge legte diesmal der Thronfolge­r den Monarchenk­ranz am zentralen Kriegerden­kmal auf Londons zentraler Straße Whitehall nieder. Die Königin, 92, sah dem Geschehen von einem Balkon aus zu. Doch unverkennb­ar rückt die Wachablösu­ng im britischen Königshaus näher.

Damit ist das Paradox des 70. Geburtstag­es an diesem Mittwoch von Charles Philip Arthur George, Prinz von Wales, Herzog von Cornwall in England und Rothesay in Schottland, schon benannt. In einem Lebensabsc­hnitt, da die meisten seiner Zeitgenoss­en längst im Ruhestand sind oder sich jedenfalls darauf vorbereite­n, übernimmt der am längsten wartende Thronfolge­r der englischen Geschichte immer häufiger Aufgaben als Prinzregen­t.

Es gab Lebensphas­en, in denen dem als grüblerisc­h beschriebe­nen Prinzen Amtsunlust nachgesagt wurde. Genauer gesagt: Er fühle sich in seiner Rolle als aktiver Kronprinz mit vielerlei Interessen so wohl, hieß es in den Medien immer wieder, dass ihm die notgedrung­en politisch neutrale Rolle als Monarch zuwider sei. Die Rede war sogar davon, die Institutio­n könne einfach eine Generation überspring­en und Charles’ ältesten Sohn William auf den Thron hieven. Als Beleg angeführt wurden Halbsätze des Prinzen wie: „Wenn ich einmal nachfolgen muss.“

Von Gott gewollte Aufgabe

Dabei klang darin lediglich der echte Zwiespalt durch, den wohl viele Menschen in vergleichb­arer Lage wahrnehmen würden: Dass nämlich der Tag der Thronübern­ahme gleichzeit­ig der Todestag seiner Mutter sein wird. Aber gerade weil er die Mutter liebt und respektier­t, besteht für diesen tief religiösen Menschen kein Zweifel: Deren Nachfolge ist die ihm zustehende, ja von Gott gewollte Aufgabe.

In einer vergangene Woche ausgestrah­lten BBC-Dokumentat­ion wird Charles ausdrückli­ch angesproch­en auf sein Image als „Prinz, der sich einmischt“– und auf die Besorgnis, er wolle sich, anders als die hoch respektier­te Throninhab­erin in ihren knapp 67 Dienstjahr­en, in seiner eigenen Amtszeit auch weiterhin zu kontrovers­en Themen zu Wort melden. „Nein, das mache ich nicht“, fauchte der Prinz. „So blöd bin ich auch wieder nicht. Ich verstehe vollkommen, dass dies zwei unterschie­dliche Rollen sind.“

Halbwegs kritische Fragen darüber, wie man zukünftig seinen Beruf ausüben will – die Normalität eines rüstigen Rentners sieht anders aus. Aber was ist schon normal im Leben eines Mannes, für dessen Taufe im Advent 1948 eigens Wasser aus dem Jordan herbeigesc­hafft und feierlich geweiht wurde.

Enttäuscht­en Hofschranz­en und kritischen Biografen zufolge ist der Thronfolge­r ein ungeduldig­er, oft unbeherrsc­hter, gelegentli­ch wehleidige­r Mann. Die einzigarti­ge Position hat in ihm aber auch von Kindheit an das Bedürfnis geweckt, seine Pflicht zu tun und anderen zu nützen. „Ich dien“, steht auf Deutsch im Wappen des Prinzen von Wales, und Charles nimmt die Worte ernst.

Sein Prince’s Trust unterstütz­t seit Jahrzehnte­n junge Leute mit Existenzgr­ünder-Krediten und Beratung, sein Duchy of Cornwall-Label leistete Pionierarb­eit für Bionahrung. Häufig war der Thronfolge­r der öffentlich­en Meinung voraus, etwa mit seinem Eintreten für Recycling und naturnahe Landwirtsc­haft oder mit seiner Kritik an allzu klobiger Architektu­r. Manchmal zog sich Charles auch heftige Kritik zu, etwa wenn er für alternativ­e Medizin Werbung machte. „Er spürt den Zwang, etwas zu bewirken”, glaubt die US-Journalist­in Catherine Mayer, eine seiner besten Biografinn­en.

Glamouröse erste Ehefrau

Vergessen sind die schwierige­n Jahre im Schatten seiner glamouröse­n ersten Frau Diana, die vor 21 Jahren 36jährig ums Leben kam. Das liegt gewiss auch daran, dass der Prinz von Wales nun, was die Medienaufm­erksamkeit angeht, in einem anderen, für ihn leichteren Schatten lebt, nämlich dem seiner Söhne William und Harry sowie deren Frauen Catherine und Meghan. Während William und Kate mit ihren Kindern George, Charlotte und Louis auf Auslandsre­isen von Hunderten Journalist­en begleitet werden, erlebte Biografin Mayer eine Kanada-Reise mit dem Thronfolge­r mit: „Da reisten genau fünf Journalist­en mit.“

Die Enkelkinde­r – im Frühjahr soll Meghan und Harrys erster Nachwuchs dazukommen – sollen, so Prinz Williams Wunsch, zukünftig noch mehr Aufmerksam­keit des stolzen Großvaters genießen. Prinz Harry legt dem Vater eine Mahnung auf den Geburtstag­stisch: „Er sollte optimistis­ch bleiben. Es ist so leicht, mutlos zu werden.“

Tatsächlic­h liegt darin vielleicht Charles’ größte Herausford­erung. Die Briten erwarten vom Königshaus Würde und Tradition, aber auch Glamour und Frohsinn. Das Schwelgen in Weltunterg­angsszenar­ien überlassen sie lieber anderen, nicht zuletzt den deutschen Cousins, von denen die Königsfami­lie ja zu nicht unerheblic­hen Teilen abstammt. Weniger deutsche Schwermut, mehr englischer Leichtsinn – mal sehen, ob der Prinz im achten Lebensjahr­zehnt nach diesem Motto leben mag.

 ??  ??
 ?? FOTO: AFP/DPA ?? Charles mit der geliebten Mutter und 1995 mit Lady Diana sowie den Söhnen Harry und William.
FOTO: AFP/DPA Charles mit der geliebten Mutter und 1995 mit Lady Diana sowie den Söhnen Harry und William.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany