Mehr Frohsinn, Königliche Hoheit
Prinz Charles wird 70 Jahre alt – Der Tag seiner Thronübernahme rückt näher
Am vergangenen Sonntag bekam die Nation einen Vorgeschmack auf ihre Zukunft unter König Charles. Mehr als 60 Jahre lang war es Queen Elizabeth II gewesen, unter deren Führung Grossbritannien jeweils am 11. November der Toten aller Kriege gedachte. Zum zweiten Mal in Folge legte diesmal der Thronfolger den Monarchenkranz am zentralen Kriegerdenkmal auf Londons zentraler Straße Whitehall nieder. Die Königin, 92, sah dem Geschehen von einem Balkon aus zu. Doch unverkennbar rückt die Wachablösung im britischen Königshaus näher.
Damit ist das Paradox des 70. Geburtstages an diesem Mittwoch von Charles Philip Arthur George, Prinz von Wales, Herzog von Cornwall in England und Rothesay in Schottland, schon benannt. In einem Lebensabschnitt, da die meisten seiner Zeitgenossen längst im Ruhestand sind oder sich jedenfalls darauf vorbereiten, übernimmt der am längsten wartende Thronfolger der englischen Geschichte immer häufiger Aufgaben als Prinzregent.
Es gab Lebensphasen, in denen dem als grüblerisch beschriebenen Prinzen Amtsunlust nachgesagt wurde. Genauer gesagt: Er fühle sich in seiner Rolle als aktiver Kronprinz mit vielerlei Interessen so wohl, hieß es in den Medien immer wieder, dass ihm die notgedrungen politisch neutrale Rolle als Monarch zuwider sei. Die Rede war sogar davon, die Institution könne einfach eine Generation überspringen und Charles’ ältesten Sohn William auf den Thron hieven. Als Beleg angeführt wurden Halbsätze des Prinzen wie: „Wenn ich einmal nachfolgen muss.“
Von Gott gewollte Aufgabe
Dabei klang darin lediglich der echte Zwiespalt durch, den wohl viele Menschen in vergleichbarer Lage wahrnehmen würden: Dass nämlich der Tag der Thronübernahme gleichzeitig der Todestag seiner Mutter sein wird. Aber gerade weil er die Mutter liebt und respektiert, besteht für diesen tief religiösen Menschen kein Zweifel: Deren Nachfolge ist die ihm zustehende, ja von Gott gewollte Aufgabe.
In einer vergangene Woche ausgestrahlten BBC-Dokumentation wird Charles ausdrücklich angesprochen auf sein Image als „Prinz, der sich einmischt“– und auf die Besorgnis, er wolle sich, anders als die hoch respektierte Throninhaberin in ihren knapp 67 Dienstjahren, in seiner eigenen Amtszeit auch weiterhin zu kontroversen Themen zu Wort melden. „Nein, das mache ich nicht“, fauchte der Prinz. „So blöd bin ich auch wieder nicht. Ich verstehe vollkommen, dass dies zwei unterschiedliche Rollen sind.“
Halbwegs kritische Fragen darüber, wie man zukünftig seinen Beruf ausüben will – die Normalität eines rüstigen Rentners sieht anders aus. Aber was ist schon normal im Leben eines Mannes, für dessen Taufe im Advent 1948 eigens Wasser aus dem Jordan herbeigeschafft und feierlich geweiht wurde.
Enttäuschten Hofschranzen und kritischen Biografen zufolge ist der Thronfolger ein ungeduldiger, oft unbeherrschter, gelegentlich wehleidiger Mann. Die einzigartige Position hat in ihm aber auch von Kindheit an das Bedürfnis geweckt, seine Pflicht zu tun und anderen zu nützen. „Ich dien“, steht auf Deutsch im Wappen des Prinzen von Wales, und Charles nimmt die Worte ernst.
Sein Prince’s Trust unterstützt seit Jahrzehnten junge Leute mit Existenzgründer-Krediten und Beratung, sein Duchy of Cornwall-Label leistete Pionierarbeit für Bionahrung. Häufig war der Thronfolger der öffentlichen Meinung voraus, etwa mit seinem Eintreten für Recycling und naturnahe Landwirtschaft oder mit seiner Kritik an allzu klobiger Architektur. Manchmal zog sich Charles auch heftige Kritik zu, etwa wenn er für alternative Medizin Werbung machte. „Er spürt den Zwang, etwas zu bewirken”, glaubt die US-Journalistin Catherine Mayer, eine seiner besten Biografinnen.
Glamouröse erste Ehefrau
Vergessen sind die schwierigen Jahre im Schatten seiner glamourösen ersten Frau Diana, die vor 21 Jahren 36jährig ums Leben kam. Das liegt gewiss auch daran, dass der Prinz von Wales nun, was die Medienaufmerksamkeit angeht, in einem anderen, für ihn leichteren Schatten lebt, nämlich dem seiner Söhne William und Harry sowie deren Frauen Catherine und Meghan. Während William und Kate mit ihren Kindern George, Charlotte und Louis auf Auslandsreisen von Hunderten Journalisten begleitet werden, erlebte Biografin Mayer eine Kanada-Reise mit dem Thronfolger mit: „Da reisten genau fünf Journalisten mit.“
Die Enkelkinder – im Frühjahr soll Meghan und Harrys erster Nachwuchs dazukommen – sollen, so Prinz Williams Wunsch, zukünftig noch mehr Aufmerksamkeit des stolzen Großvaters genießen. Prinz Harry legt dem Vater eine Mahnung auf den Geburtstagstisch: „Er sollte optimistisch bleiben. Es ist so leicht, mutlos zu werden.“
Tatsächlich liegt darin vielleicht Charles’ größte Herausforderung. Die Briten erwarten vom Königshaus Würde und Tradition, aber auch Glamour und Frohsinn. Das Schwelgen in Weltuntergangsszenarien überlassen sie lieber anderen, nicht zuletzt den deutschen Cousins, von denen die Königsfamilie ja zu nicht unerheblichen Teilen abstammt. Weniger deutsche Schwermut, mehr englischer Leichtsinn – mal sehen, ob der Prinz im achten Lebensjahrzehnt nach diesem Motto leben mag.