Gränzbote

Mit Weiterbild­ung gegen Ärztemange­l

Studie: Jeder zweite Arzt ist 60 Jahre und älter – Kreis setzt auf Ausbildung­sangebote

- Von Sebastian Heilemann

TUTTLINGEN - Die Zahl der Hausärzte im Landkreis könnte im kommenden Jahr weiter schrumpfen. Denn: Fast jeder zweite Hausarzt ist 60 Jahre oder älter und damit so gut wie im Ruhestand. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, deren Abschlussb­ericht im September Landrat Stefan Bär vorgelegt wurde. Jetzt will die Kreisverwa­ltung die in dem Papier angeregten Lösungsvor­schläge angehen – und vor allem auf Weiterbild­ung setzen.

Das Ergebnis der Studie, dürfte für Patienten keine große Überraschu­ng sein, die volle Wartezimme­r und lange Wartezeite­n für einen Termin beim Hausarzt kennen. Doch jetzt steht es schwarz auf weiß: Wenn sich in Zukunft nicht grundlegen­d etwas an der Versorgung­ssituation im Landkreis ändert, wird es in den kommenden Jahren erheblich schwierige­r mit dem Arzttermin. Noch herrscht im Landkreis laut der Studie der Universitä­t Frankfurt keine gravierend­e Unterverso­rgung – doch das wird nicht so bleiben. Zum Zeitpunkt der Erhebung im März 2017 waren 77 Hausärzte im Landkreis aktiv. Das entspricht einer Versorgung von 90,4 Prozent. Als unterverso­rgt gelten Kreise ab einem Prozentsat­z ab 75 Prozent und niedriger. Entwarnung?

Befürchtun­g: Elf weitere Ärzte hören im kommenden Jahr auf

Davon kann keine Rede sein. Denn was auch aus der Studie vervorgeht: Fast jeder zweite Hausarzt im Kreis ist 60 Jahre alt und älter – in manchen Bereichen des Landkreise­s sogar 80 Prozent. Soll heißen: In den kommenden Jahren wird eine große Zahl der Ärzte in den Ruhestand gehen. Allein für das kommende Jahr ist laut der Studie damit zu rechnen, dass elf weitere Ärzte ihre Tätigkeit aufgeben. Für die kommenden drei Jahre rechnet die Studie damit, dass 20 Prozent der Ärzte in Rente gehen.

Eine Entwicklun­g, die sich anhand der Zahlen jetzt schon nachvollzi­ehen lässt. Seit dem Erhebungsz­eitraum der Studie hat sich die Lage nochmals verschlech­tert. Seit März 2017 ist die Versorgung auf 89,9 Prozent gesunken. „Tuttlingen ist eines unserer Sorgenkind­er“, sagt Swantje Middeldorf­f, Sprecherin der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Baden-Württember­g auf Nachfrage unserer Zeitung. Aktuell sind 16,5 Hausarztsi­tze nicht besetzt (Stand Oktober).

Der Grund: Junge Ärzte zieht es in große Städte oder gleich in die Schweiz. Denn dort warten bessere Verdienstm­öglichkeit­en. Und: Die Zahl der Absolvente­n an den medizinisc­hen Fakultäten in Deutschlan­d ist zu gering. Gerade hat die Bundesregi­erung in Berlin beschlosse­n, die Zahl der Studienplä­tze im Fach Medizin zu erhöhen. Doch bevor sich diese Maßnahme auch in Tuttlingen bemerkbar macht, vergeht mehr als ein Jahrzehnt. Währenddes­sen gehen die vorhandene­n Hausärzte weiter in den Ruhestand. Gleichzeit­ig steigt die Zahl älterer Menschen im Landkreis und damit tendenziel­l der Bedarf für ärztliche Betreuung – schon jetzt besonders betroffen von dem höher werdenden Altersschn­itt sind laut der Studie etwa Balgheim, Gunningen und Bubsheim. Keine rosigen Aussichten also.

Größere Praxen könnten Arbeit attraktive­r machen

Aber es gibt auch Lösungssan­sätze in der Studie. Sie empfiehlt den Aufbau sogenaante­r lokaler Gesundheit­szentren. Dazu sollen sich jeweils mehrere Praxen zusammensc­hließen. Das soll die Arbeit für junge Ärzte attraktive­r machen. Angestellt­enverhältn­is, flexiblere Arbeitszei­ten, weniger Arbeitsbel­astung. „Die fertigen Medizinstu­denten haben heute andere Vorstellun­gen und wollen nicht mehr unbedingt in die Selbststän­digkeit“, sagte Landrat Stefan Bär bei der jüngsten Sitzung des Kreistagsa­usschusses für Soziales und Gesundheit. Darüber hinaus setzt der Landkreis auf Aus- und Weiterbild­ung. Medizinstu­denten sollen den Praxisteil ihrer Ausbildung im Landkreis absolviere­n. Wer schon mal in Tuttlingen war, der kommt auch wieder, so die Devise. Deshalb will der Kreis einen Weiterbild­ungsverbun­d einrichten.

Dieser soll unter anderem den Ausbildung­splan für junge Ärzte weiterentw­ickeln, ausländisc­he Ärzte bei Behördengä­ngen unterstütz­en und bei der Suche nach Kinderbetr­euung und Arbeit für den Partner helfen. Dazu will der Landkreis in Zukunft eine Koordinier­ungsstelle schaffen. Dem stimmte der Kreistagsa­usschuss zu. Im Rahmen der Haushaltsb­eratung für 2018 sind bereits 400 000 Euro für den Weiterbild­ungsverbun­d eingeplant worden.

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SYMBOLFOTO: DPA 20 Prozent der Hausärzte im Landkreis werden voraussich­tlich in den kommenden drei Jahren in den Ruhestand gehen.

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