Mit Weiterbildung gegen Ärztemangel
Studie: Jeder zweite Arzt ist 60 Jahre und älter – Kreis setzt auf Ausbildungsangebote
TUTTLINGEN - Die Zahl der Hausärzte im Landkreis könnte im kommenden Jahr weiter schrumpfen. Denn: Fast jeder zweite Hausarzt ist 60 Jahre oder älter und damit so gut wie im Ruhestand. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, deren Abschlussbericht im September Landrat Stefan Bär vorgelegt wurde. Jetzt will die Kreisverwaltung die in dem Papier angeregten Lösungsvorschläge angehen – und vor allem auf Weiterbildung setzen.
Das Ergebnis der Studie, dürfte für Patienten keine große Überraschung sein, die volle Wartezimmer und lange Wartezeiten für einen Termin beim Hausarzt kennen. Doch jetzt steht es schwarz auf weiß: Wenn sich in Zukunft nicht grundlegend etwas an der Versorgungssituation im Landkreis ändert, wird es in den kommenden Jahren erheblich schwieriger mit dem Arzttermin. Noch herrscht im Landkreis laut der Studie der Universität Frankfurt keine gravierende Unterversorgung – doch das wird nicht so bleiben. Zum Zeitpunkt der Erhebung im März 2017 waren 77 Hausärzte im Landkreis aktiv. Das entspricht einer Versorgung von 90,4 Prozent. Als unterversorgt gelten Kreise ab einem Prozentsatz ab 75 Prozent und niedriger. Entwarnung?
Befürchtung: Elf weitere Ärzte hören im kommenden Jahr auf
Davon kann keine Rede sein. Denn was auch aus der Studie vervorgeht: Fast jeder zweite Hausarzt im Kreis ist 60 Jahre alt und älter – in manchen Bereichen des Landkreises sogar 80 Prozent. Soll heißen: In den kommenden Jahren wird eine große Zahl der Ärzte in den Ruhestand gehen. Allein für das kommende Jahr ist laut der Studie damit zu rechnen, dass elf weitere Ärzte ihre Tätigkeit aufgeben. Für die kommenden drei Jahre rechnet die Studie damit, dass 20 Prozent der Ärzte in Rente gehen.
Eine Entwicklung, die sich anhand der Zahlen jetzt schon nachvollziehen lässt. Seit dem Erhebungszeitraum der Studie hat sich die Lage nochmals verschlechtert. Seit März 2017 ist die Versorgung auf 89,9 Prozent gesunken. „Tuttlingen ist eines unserer Sorgenkinder“, sagt Swantje Middeldorff, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg auf Nachfrage unserer Zeitung. Aktuell sind 16,5 Hausarztsitze nicht besetzt (Stand Oktober).
Der Grund: Junge Ärzte zieht es in große Städte oder gleich in die Schweiz. Denn dort warten bessere Verdienstmöglichkeiten. Und: Die Zahl der Absolventen an den medizinischen Fakultäten in Deutschland ist zu gering. Gerade hat die Bundesregierung in Berlin beschlossen, die Zahl der Studienplätze im Fach Medizin zu erhöhen. Doch bevor sich diese Maßnahme auch in Tuttlingen bemerkbar macht, vergeht mehr als ein Jahrzehnt. Währenddessen gehen die vorhandenen Hausärzte weiter in den Ruhestand. Gleichzeitig steigt die Zahl älterer Menschen im Landkreis und damit tendenziell der Bedarf für ärztliche Betreuung – schon jetzt besonders betroffen von dem höher werdenden Altersschnitt sind laut der Studie etwa Balgheim, Gunningen und Bubsheim. Keine rosigen Aussichten also.
Größere Praxen könnten Arbeit attraktiver machen
Aber es gibt auch Lösungssansätze in der Studie. Sie empfiehlt den Aufbau sogenaanter lokaler Gesundheitszentren. Dazu sollen sich jeweils mehrere Praxen zusammenschließen. Das soll die Arbeit für junge Ärzte attraktiver machen. Angestelltenverhältnis, flexiblere Arbeitszeiten, weniger Arbeitsbelastung. „Die fertigen Medizinstudenten haben heute andere Vorstellungen und wollen nicht mehr unbedingt in die Selbstständigkeit“, sagte Landrat Stefan Bär bei der jüngsten Sitzung des Kreistagsausschusses für Soziales und Gesundheit. Darüber hinaus setzt der Landkreis auf Aus- und Weiterbildung. Medizinstudenten sollen den Praxisteil ihrer Ausbildung im Landkreis absolvieren. Wer schon mal in Tuttlingen war, der kommt auch wieder, so die Devise. Deshalb will der Kreis einen Weiterbildungsverbund einrichten.
Dieser soll unter anderem den Ausbildungsplan für junge Ärzte weiterentwickeln, ausländische Ärzte bei Behördengängen unterstützen und bei der Suche nach Kinderbetreuung und Arbeit für den Partner helfen. Dazu will der Landkreis in Zukunft eine Koordinierungsstelle schaffen. Dem stimmte der Kreistagsausschuss zu. Im Rahmen der Haushaltsberatung für 2018 sind bereits 400 000 Euro für den Weiterbildungsverbund eingeplant worden.