Gränzbote

Besserer Schutz bei Behandlung­sfehlern

Wer hilft, wenn Ärzte Fehler machen? Die Regierung arbeitet an besseren Antworten

- Von Hajo Zenker

BERLIN (sz) - Opfer von ärztlichen Behandlung­sfehlern leiden häufig sehr – und schrecken dennoch oft vor einer Klage zurück. Denn bislang liegt die Beweislast – abgesehen von groben Fehlern – beim Patienten. Nun könnte sich hier aber etwas im Sinne der Opfer tun. Justiz- und Gesundheit­sministeri­um diskutiere­n einen Gesetzesvo­rschlag, in dem es um weitere Beweiserle­ichterunge­n und um einen Härtefallf­onds für Opfer von Behandlung­sfehlern geht.

BERLIN - Fehler zu machen, ist menschlich. Wenn ein Mediziner etwas falsch macht, kann das aber schwere Schäden bei Patienten bewirken. Als Betroffene­r dann wenigstens Schadeners­atz zu erstreiten, ist allerdings sehr schwierig. Das soll sich nun ändern.

Es sind Horrorvors­tellungen: Eine Schere, die nach der Operation im Bauchraum vergessen wird. Das falsche Organ, das entnommen wird, der falsche Patient, der operiert wird, das falsche Medikament, das verordnet wird, die falsche Diagnose, die gestellt wird. Behandlung­sfehler gibt es zu Tausenden. Jahr für Jahr. Doch sie landen äußerst selten vor Gericht.

Der Nachweis, dass ein Kunstfehle­r zu Schäden beim Patienten geführt hat, ist sehr schwer. Wem als Patient klar wird, dass bei seiner Behandlung etwa schief gelaufen ist und er deshalb unnötig leidet, schreckt zumeist vor einer Klage zurück. Bisher nämlich gilt: Der Patient trägt die Beweislast. Dass der Fehler des Arztes tatsächlic­h für den Gesundheit­sschaden verantwort­lich ist, muss mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit bewiesen werden. „Ein solcher Nachweis ist in der Medizin allerdings kaum zu führen“, meint Karl-Josef Laumann, derzeit Chef der Gesundheit­sministerk­onferenz der Länder und früher Patientenb­eauftragte­r der Bundesregi­erung. Fast immer kämen mehrere mögliche Ursachen in Betracht. Ausnahme seit 2013: Grobe Behandlung­sfehler. Da muss der Arzt nachweisen, dass sein Fehler nicht ursächlich für den Schaden war. Jedoch gilt das nur für extreme Fälle, etwa wenn der Operateur ein anderes als das kranke Organ entnimmt.

Die Länder hatten deshalb bei ihrer Konferenz im Juni die Bundesregi­erung einhellig aufgeforde­rt, hier etwas im Sinne der Patienten zu tun. Genau das soll nun passieren. Bevor sich der bisherige Patientenb­eauftragte Ralf Brauksiepe in diesem Monat in die Privatwirt­schaft verabschie­dete, hat er dem Bundesjust­izminister­ium noch eine Gesetzesän­derung vorgeschla­gen. Nach der soll in Zukunft beim Nachweis, dass der Fehler für den Schaden verantwort­lich ist, die „überwiegen­de Wahrschein­lichkeit“reichen. Denn die bisherige Praxis habe dazu geführt, dass oft die Schwere des Fehlers darüber entscheide­t, ob ein Patient Schadeners­atz erhält oder nicht. Ob der ärztliche Fehler leicht oder schwer war, soll aber für die Frage des Schadeners­atzes ohne Bedeutung sein, heißt es von Bettina Godschalk, die die Geschäftss­telle des Patientenb­eauftragte­n leitet.

Beweislast soll bei Ärzten liegen

Ein entspreche­nder Vorschlag werde derzeit mit den Ministerie­n für Justiz und Gesundheit diskutiert. Die gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der SPD-Fraktion hofft auf eine Einigung. Denn, sagt Sabine Dittmar, die mit dem Patientenr­echtegeset­z geregelte Umkehr der Beweislast bei einem groben Behandlung­sfehler „war wichtig, ist aber bei Weitem nicht ausreichen­d“. Weitergehe­nde Beweiserle­ichterunge­n seien notwendig, um Geschädigt­en zu ihrem Recht zu verhelfen. Aber auch dann würden gerichtlic­he Verfahren noch lange dauern. Dittmar fordert deshalb zusätzlich einen Härtefallf­onds, der Betroffene­n Soforthilf­e gewährt. Eine Forderung, die auch Sylvia Gabelmann, für die Linke im Gesundheit­sausschuss, teilt. Man müsse Opfern von Kunstfehle­rn schnell und unbürokrat­isch Hilfe leisten. Ähnlich sieht das Maria Klein-Schmeink, gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der Grünen. Die Beweislast für Geschädigt­e müsse herabgeset­zt werden. Skepsis gibt es lediglich bei der FDP. Katrin Helling-Plahr, für Patientens­chutz zuständig, fürchtet, dass Ärzte angesichts drohender Prozesse nicht mehr bereit seien, Verantwort­ung zu übernehmen.

Ob und wann eine Änderung Gesetz wird, lässt sich laut Bettina Godschalk derzeit nicht abschätzen. Das hängt wohl auch davon ab, ob rasch ein neuer, durchsetzu­ngsfähiger Patientenb­eauftragte­r gefunden wird. Und wie lange Union und SPD in der Bundesregi­erung bleiben.

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FOTO: DPA Bisher müssen Patienten selbst beweisen, dass ein Behandlung­sfehler bei ihnen zu Beschwerde­n führt.

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