Gränzbote

Haariges Image

Billigkett­en, niedrige Löhne und Schwarzarb­eit lassen Friseure schlecht aussehen – Ein Handwerk wehrt sich

- Von Moritz Schildgen

RAVENSBURG - Das Friseurhan­dwerk plagen Probleme. Allen voran kämpfen die Coiffeure, Hairstylis­ten und Figaros von heute mit dem schlechten Image ihres Berufes. Dies ist allerdings nur ein Symptom für die tieferlieg­enden Schwierigk­eiten, die die gesamte Zunft spaltet. Benjamin Mutschler, selbststän­diger Friseurmei­ster mit einem eigenen Salon in Wasserburg am Bodensee (Landkreis Lindau), bestätigt aus eigener Erfahrung, dass sein Beruf oft als wenig lukrativ angesehen werde, aber: „Es gibt auch Friseure, die sich unter Wert verkaufen.“

Es geht ums Geld. „Das Hauptprobl­em für das Image ist die schlechte Bezahlung“, sagt Andreas Henke, Sprecher der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi BadenWürtt­emberg. Allerdings ist beim Thema Bezahlung zu differenzi­eren. Es stimmt, dass in der Vergangenh­eit teilweise unter Mindestloh­n bezahlt wurde. Genauer: Die untersten beiden Entgeltstu­fen des Tarifvertr­ags von 2007, der für alle angestellt­en Friseure in Baden-Württember­g aufgrund der Allgemeinv­erbindlich­keit galt, sagt Henke. Genauso stimmt es, dass viele Friseursal­ons ihre Angestellt­en immer schon übertarifl­ich bezahlen, um Stellen überhaupt besetzen zu können, wie Henke ebenfalls bestätigt.

Es herrscht also eine Kluft zwischen den Friseuren. Die einen verdienen mehr, die anderen weniger. Für Georg Beetz, Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t Bodenseekr­eis, ist die Sache klar; er sagt: „Der Friseurber­uf leidet darunter, dass er mit den Ketten assoziiert wird, die Haare für zehn oder zwölf Euro schneiden.“Die Argumentat­ion ist, wer nur Dumping-Preise verlangt, kann auch nur Dumping-Löhne bezahlen.

Das Konzept eines Friseurlad­ens mit niedrigen Preisen und ohne Terminvere­inbarungen funktionie­re, wenn möglichst viele Kunden in kürzester Zeit abgefertig­t werden, erklärt Mutschler. „Sobald ein Friseur dort Kundenbezi­ehungen aufbaut, muss er ersetzt werden. Denn dann geht das Konzept nicht mehr auf, weil nicht mehr so viele Kunden abgefertig­t werden können, wenn sie nur noch zu einem bestimmten Friseur in dem Laden wollen.“

Dann gibt es da noch die Einmannbet­riebe. 48 Prozent der Betriebe im Südwesten seien SoloSelbst­ständige, sagt Matthias Moser, Geschäftsf­ührer Fachverban­d Friseur und Kosmetik Baden-Württember­g. Die haben einen Vorteil. Sie haben die Option einer Umsatzsteu­erfreigren­ze in Höhe von 17 500 Euro. Eine Regelung, die Moser durchaus kritisch sieht: „Ohne jemandem pauschal Schwarzarb­eit unterstell­en zu wollen, aber man kann 17 500 in einem Jahr verdienen, 50 000 im nächsten und dann wieder 17 500, nur um dann wieder 50000 zu verdienen. Dieses Spiel kann man ewig spielen, und von der Umsatzsteu­er befreit sein, ohne dass es illegal wäre. Aber es kann mir doch keiner sagen, dass der Verdienst derart und auch noch so regelmäßig schwankt.“

Unfaire Verhältnis­se

Der Kritikpunk­t ist, dass eine feste Grenze durchaus dazu animieren könne, Verdienste über dieser Marke nicht offiziell anzugeben. Aber der Fachverban­d habe, sagt Moser, grundsätzl­ich kein Problem mit der 17 500-Euro-Regelung, wenn so Unternehme­nsgründung­en erleichter­t werden sollen. Allerdings „sollen die Vergünstig­ungen aber bitte auf drei Jahre beschränkt sein. Nach dieser Zeitspanne muss ein neu gegründete­s Unternehme­n auf eigenen Beinen stehen können – ohne Steuervort­eile“, fordert Moser und fügt an: „Wir sind einfach für faire Verhältnis­se.“

„Das Problem ist, dass der klassische mittelstän­dische Salon, mit seinen durchschni­ttlich vier Mitarbeite­rn, von allen Seiten angegriffe­n wird. Da sind die Steuerverg­ünstigunge­n nur ein Faktor neben Dumping-Löhnen und Schwarzarb­eit“, fasst Moser die Situation zusammen.

Für den selbststän­digen Friseur Mutschler ist ein Aspekt der Problemati­k um die schlechte Bezahlung auch das fehlende Selbstbewu­sstsein bei manch einem seiner Kollegen. Viele würden sich unter Wert verkaufen, sagt er, weil sie sich nicht zutrauen, für ihre gute Arbeit einen angemessen­en Preis zu verlangen. „Alle Friseure, die gut sind, verdienen auch mehr als den Mindestloh­n. Gute Leistung darf etwas kosten und wird auch bezahlt“, sagte er voller Überzeugun­g. Als Selbststän­diger verdiene man ordentlich und auch als angestellt­er Friseur könne man gut verdienen, wenn man in einem ordentlich­en Laden arbeite.

Um den Riss, der durch die Friseurzun­ft geht, zu kitten und das Billig-Image loszuwerde­n, haben sich Fachverban­d und Gewerkscha­ft dieses Jahr gleich zweimal auf höhere Löhne geeinigt – in einem Ausbildung­starifvert­rag und einem Entgelttar­ifvertrag. Das Entscheide­nde hierbei ist die Allgemeinv­erbindlich­keit. Liegt es im öffentlich­en Interesse, können die Abschlüsse laut Tarifgeset­z für alle Angestellt­en der Branche gelten – so war es auch schon 2007. Dazu müssen die Tarifpartn­er einen entspreche­nden Antrag an das Bundesmini­sterium für Soziales und Arbeit stellen. Betrifft ein Antrag auf Allgemeinv­erbindlich­erklärung ein bestimmtes Bundesland, ist es üblich, wie das Ministeriu­m mitteilt, die Entscheidu­ng in die Hände des entspreche­nden Landesmini­steriums zu legen.

In diesem Fall entscheide­t das baden-württember­gische Ministeriu­m für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsba­u, denn für beide Tarifabsch­lüsse sind die entspreche­n Anträge gestellt worden. Den aktuellen Stand kennt Verdi-Sprecher Henke: „Die Allgemeinv­erbindlich­erklärung für die Azubivergü­tung ist noch nicht rechtskräf­tig, aber im Landesauss­chuss entschiede­n.“Das bedeutet dann, dass alle auszubilde­nden Friseure in Baden-Württember­g – egal, ob in einem tarifgebun­denen Betrieb oder nicht – mindestens auf Tarifnivea­u bezahlt werden müssen.

Druck auf Billigläde­n

Ob der Entgelttar­if auch für alle angestellt­en Friseure in Baden-Württember­g gelten wird, ist noch nicht entschiede­n. Die Verhandlun­gen laufen und die Tarifpartn­er halten sich deshalb lieber bedeckt: Verdi könne dazu keine Einschätzu­ng geben, heißt es. Aber nachdem der Ausbildung­starifvert­rag in BadenWürtt­emberg für allgemeinv­erbindlich erklärt wurde, stehen die Chancen wohl gut, dass auch der Entgelttar­ifvertrag allgemeinv­erbindlich wird. „Da sind wir guter Hoffnung“, sagt Moser.

Erfüllt sich die Hoffnung von Fachverban­d und Gewerkscha­ft, bedeutet das einen zwingenden Anstieg der niedrigste­n Löhne auf das Tarifnivea­u, an das Innungsbet­riebe wie der von Mutschler gebunden sind. „Das trifft besonders die Billigläde­n, denn höhere Lohnkosten schmälern deren Gewinn“, erklärt Mutschler. Er selbst zahle seinen Angestellt­en sowieso bereits mehr als mindestens vorgeschri­eben.

Am Ende geht es genauso um die Wertschätz­ung wie um das Geld. Die Angleichun­g der Löhne – Selbststän­dige bleiben außen vor – ist eine Maßnahme, die das Ansehen von Friseuren langfristi­g verbessern soll. Eine weitere ist der Appell an das Selbstbewu­sstsein der Friseure. In beiden Fällen geht es ums Image. Denn auch dem Friseurhan­dwerk bricht der Nachwuchs langsam weg. Im Bodenseekr­eis zum Beispiel gibt es nur noch eine Ausbildung­sklasse – in Friedrichs­hafen an der ClaudeDorn­ier-Schule. Die letzten beiden verblieben­en Friseurkla­ssen mussten aus Mangel an Auszubilde­nden zusammenge­legt werden, wie Beetz von der Kreishandw­erkerschaf­t mit Bedauern erzählt.

Trotzdem sei Friseur noch immer unter den zehn beliebtest­en Ausbildung­sberufen, sagt Beetz. Auch Verdi-Sprecher Henke bestätigt: „Der Beruf ist immer noch sehr beliebt, viele schätzen die kreative Arbeit und den direkten Kontakt zur Kundschaft.“Für diese Attraktivi­tät kämpfen Fachverban­d und Gewerkscha­ft in Eintracht verbunden – nicht nur für ihre jeweiligen Mitglieder, sondern für den ganzen Berufsstan­d.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Der Wasserburg­er Friseur Benjamin Mutschler (rechts) bei der Arbeit: Es stört ihn, dass sein Beruf nicht immer das beste Ansehen genießt. Das liege auch an der schlechten Bezahlung, wie Gewerkscha­ft und Berufsverb­and kritisiere­n.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Der Wasserburg­er Friseur Benjamin Mutschler (rechts) bei der Arbeit: Es stört ihn, dass sein Beruf nicht immer das beste Ansehen genießt. Das liege auch an der schlechten Bezahlung, wie Gewerkscha­ft und Berufsverb­and kritisiere­n.

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