Ziemlich brav? Wirkt nur so!
Martina Schwarzmann macht aus ihrem Alltag ein Kabarett-Programm ohne Tabus
TUTTLINGEN - Eigentlich hat Martina Schwarzmann ein ziemlich normales Leben. Einen Mann, der Landwirt ist. Drei minderjährige Mitbewohner, auch Kinder genannt. Und einen Weiber-Stammtisch, zu dem sie eigentlich nur geht, um einmal im Monat warm zu essen. „Und zwar nur das, was ich auch selber bestellt habe.“Normaler Familien-Wahnsinn also, könnte man sagen, wen interessiert’s? Auf jeden Fall 800 Zuschauer in der ausverkauften Tuttlinger Stadthalle am Donnerstagabend.
Warum, das weiß jeder, der die Bayerin schon einmal auf der Bühne gesehen hat: Wenn Martina Schwarzmann über das normale Leben erzählt, dann ist das zum Kringeln lustig. Auch, weil sie ein wenig bieder daher kommt. Sie sitzt mit Flechtfrisur, Blümchenkleid, Brille und Akustikgitarre auf ihrem Barhocker auf der Bühne, schaut unschuldig ins Publikum und wirft ihm dann in breitem Dialekt Fragen entgegen wie: „Was mich noch interessieren würde: Wer von Ihnen hatte eigentlich in den letzten zwei Wochen soviel Geschlechtsverkehr, wie er gern hätte?“
Kein Blatt vor dem Mund
Ja, in ihrem neuen Programm „Genau richtig“nimmt Schwarzmann wieder mal nicht das dünnste Blatt vor den Mund – warum auch, die Zuschauer wollen es so. Ein langjähriger Fan, sagt Schwarzmann, sei nach einem Auftritt auf sie zugekommen und hätte gesagt: „Du, Martina, früher, wo du noch mehr vom Bumsen gesungen hast, hast Du mir besser gefallen.“
Den Wunsch hat sie für das aktuelle Programm verinnerlicht und hält mit Themen rund ums Bett nicht hinterm Berg. Ein Lied über Herbert, der von seiner Frau erst dann sexuelle Wünsche erfüllt bekommt, als er ihr einen Thermomix gekauft hat. Die untrügliche Erkenntnis, dass, wer heute noch vom „Bumsen“redet, eigentlich zu alt dazu ist. Oder die, auch musikalisch verpackte, Formel zum Glück: „Wer vögeln will, muss freundlich sein.“
So gern sie über die Missgeschicke anderer berichtet, so sehr steht Schwarzmann auch selbst im Mittelpunkt ihrer Geschichten. Die Witze machen weder vor ihrer Zellulitis Halt noch vor ihrer eigenen „Schlamperei“. Während ihr Mann Dinge nicht sucht, „sondern da hingeht, wo er sie hingelegt hat und sie da holt“, bekennt sie sich zu einer hohen Toleranz für Chaos und zur Formularallergie. Die Folge: eine DIN-A4-Düne aus unbezahlten Rechnungen, Mahnungen oder anderen wichtigen Dokumenten auf ihrem Schreibtisch.
Beruf und Familie – geht das?
Wenn daneben noch die drei Minderjährigen durchs Haus springen, stellt sich Schwarzmann schon die eine oder andere Frage zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie – und zur Diskriminierung von Frauen. „Wenn mein Mann auf dem Acker einen anderen Bauern trifft, dann fragt ihn niemand: Du, wer passt eigentlich auf deine Kinder auf?“Sie werde dagegen ständig gefragt. Deshalb drehe sie den Spieß jetzt um und frage jeden Mann, den sie trifft, danach – den Postboten täglich.
So richtig politisch wird Schwarzmann aber nicht, das Persönliche und Alltägliche steht im Mittelpunkt. Wobei, Interpretationsspielraum gibt es da schon: Wenn es zum Beispiel um Fremdenfeindlichkeit geht, meint sie da wirklich nur die der Bayern gegenüber den Preußen?