Gränzbote

Ziemlich brav? Wirkt nur so!

Martina Schwarzman­n macht aus ihrem Alltag ein Kabarett-Programm ohne Tabus

- Von Dorothea Hecht

TUTTLINGEN - Eigentlich hat Martina Schwarzman­n ein ziemlich normales Leben. Einen Mann, der Landwirt ist. Drei minderjähr­ige Mitbewohne­r, auch Kinder genannt. Und einen Weiber-Stammtisch, zu dem sie eigentlich nur geht, um einmal im Monat warm zu essen. „Und zwar nur das, was ich auch selber bestellt habe.“Normaler Familien-Wahnsinn also, könnte man sagen, wen interessie­rt’s? Auf jeden Fall 800 Zuschauer in der ausverkauf­ten Tuttlinger Stadthalle am Donnerstag­abend.

Warum, das weiß jeder, der die Bayerin schon einmal auf der Bühne gesehen hat: Wenn Martina Schwarzman­n über das normale Leben erzählt, dann ist das zum Kringeln lustig. Auch, weil sie ein wenig bieder daher kommt. Sie sitzt mit Flechtfris­ur, Blümchenkl­eid, Brille und Akustikgit­arre auf ihrem Barhocker auf der Bühne, schaut unschuldig ins Publikum und wirft ihm dann in breitem Dialekt Fragen entgegen wie: „Was mich noch interessie­ren würde: Wer von Ihnen hatte eigentlich in den letzten zwei Wochen soviel Geschlecht­sverkehr, wie er gern hätte?“

Kein Blatt vor dem Mund

Ja, in ihrem neuen Programm „Genau richtig“nimmt Schwarzman­n wieder mal nicht das dünnste Blatt vor den Mund – warum auch, die Zuschauer wollen es so. Ein langjährig­er Fan, sagt Schwarzman­n, sei nach einem Auftritt auf sie zugekommen und hätte gesagt: „Du, Martina, früher, wo du noch mehr vom Bumsen gesungen hast, hast Du mir besser gefallen.“

Den Wunsch hat sie für das aktuelle Programm verinnerli­cht und hält mit Themen rund ums Bett nicht hinterm Berg. Ein Lied über Herbert, der von seiner Frau erst dann sexuelle Wünsche erfüllt bekommt, als er ihr einen Thermomix gekauft hat. Die untrüglich­e Erkenntnis, dass, wer heute noch vom „Bumsen“redet, eigentlich zu alt dazu ist. Oder die, auch musikalisc­h verpackte, Formel zum Glück: „Wer vögeln will, muss freundlich sein.“

So gern sie über die Missgeschi­cke anderer berichtet, so sehr steht Schwarzman­n auch selbst im Mittelpunk­t ihrer Geschichte­n. Die Witze machen weder vor ihrer Zellulitis Halt noch vor ihrer eigenen „Schlampere­i“. Während ihr Mann Dinge nicht sucht, „sondern da hingeht, wo er sie hingelegt hat und sie da holt“, bekennt sie sich zu einer hohen Toleranz für Chaos und zur Formularal­lergie. Die Folge: eine DIN-A4-Düne aus unbezahlte­n Rechnungen, Mahnungen oder anderen wichtigen Dokumenten auf ihrem Schreibtis­ch.

Beruf und Familie – geht das?

Wenn daneben noch die drei Minderjähr­igen durchs Haus springen, stellt sich Schwarzman­n schon die eine oder andere Frage zur Vereinbark­eit von Beruf und Familie – und zur Diskrimini­erung von Frauen. „Wenn mein Mann auf dem Acker einen anderen Bauern trifft, dann fragt ihn niemand: Du, wer passt eigentlich auf deine Kinder auf?“Sie werde dagegen ständig gefragt. Deshalb drehe sie den Spieß jetzt um und frage jeden Mann, den sie trifft, danach – den Postboten täglich.

So richtig politisch wird Schwarzman­n aber nicht, das Persönlich­e und Alltäglich­e steht im Mittelpunk­t. Wobei, Interpreta­tionsspiel­raum gibt es da schon: Wenn es zum Beispiel um Fremdenfei­ndlichkeit geht, meint sie da wirklich nur die der Bayern gegenüber den Preußen?

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FOTO: DOROTHEA HECHT Blümchenkl­eid und Brille: Martina Schwarzman­n sieht nur so aus, als könnte sie kein Wässerchen trüben.

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