Wohnsitzlose bleiben über den Winter
Kirche pachtet Gelände weiterhin – Langfristig soll Wiese jedoch geräumt werden
TUTTLINGEN - Die Wohnsitzlosen, die sich auf einer Wiese der Kirche zwischen Bahnhof und Koppenland niedergelassen haben, werden vorerst dort bleiben. Mittlerweile hat sich ein Unterstützerkreis aus freiwilligen Helfern gefunden, der bereit ist, auf der Wiese nach dem Rechten zu schauen. Langfristig sollen die Wiesen-Bewohner das Gelände jedoch räumen.
Wie mehrfach berichtet, hatten sich vor zwei Jahren auf der sogenannten Egelsee-Wiese mehrere Obdachlose niedergelassen. Anfangs nur für einen Winter gedacht, entwickelte sich dort nach und nach eine kleine Siedlung mit mehreren Holzbaracken. Im Sommer versuchte die Führungsriege der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde, das Wohnprojekt zu beenden – doch der Protest, unter anderem in den sozialen Netzwerken, war groß.
„Keine dauerhafte Lösung“
Standpunkt der Kirche damals wie auch heute ist: Man könne die Verantwortung schlichtweg nicht übernehmen. Man hafte, wenn auf der Wiese etwas passiere – etwa bereits dann, wenn ein Bewohner eine Rauchgasvergiftung durch einen Ofen in den Hütten erleide oder etwas außer Kontrolle gerate. „Es kann auch schon rein aus rechtlicher Sicht keine dauerhafte Lösung sein“, sagt Kirchenpfleger Jens Melzer.
Dennoch: Vorerst pachtet die Gesamtkirchengemeinde weiterhin die Wiese, die der Pfarreistiftung der Evangelischen Landeskirche in Stuttgart gehört. „Die Obdachlosen werden von uns weiterhin geduldet, über den Winter passiert erst mal gar nichts“, sagt Melzer. Froh ist die Kirche, dass sich mittlerweile mehrere Personen zu einem Helferkreis zusammengeschlossen haben und bereit sind, sich um das Wohnprojekt zu kümmern.
Vergangene Woche kam es zum ersten Mal zu einem Runden Tisch zwischen vier Personen dieses neuen Unterstützerkreises und Vertretern der Kirche. Im Helfer-Team dabei ist unter anderem LBU-Stadtrat Hans-Martin Schwarz. Es sei ein gutes, kooperatives Gespräch gewesen, berichtet Schwarz. „Wir möchten nicht, dass Fronten entstehen“, stellt er klar. Während man zum einen nach einer Lösung suche, kümmere man sich zum anderen um die Belange vor Ort. So initiierte der Unterstützerkreis in dieser Woche etwa eine Brandschutz-Schau mit der Stadt Tuttlingen, um zu klären, ob von dem Ofen in der Wohnhütte eine Gefahr ausgeht oder nicht. „Wir wollen ja nicht, dass dort der Wilde Westen ist“, so Schwarz. Auch soll es künftig ein Notfallhandy geben, auf dem jederzeit einer der Helfer erreichbar sei, falls irgendetwas anliege.
Zeitlich begrenzt
Eine Lösung, mit der Melzer und Dekan Sebastian Berghaus vorerst leben können, dennoch aber auf die zeitliche Begrenzung des Projekts verweisen. „Auf Dauer muss es eine andere Lösung geben, das ist klar kommuniziert“, stellt Berghaus klar.
Wie diese aussehen könnte, kann derzeit noch keiner der Beteiligten sagen. „Im Unterstützerkreis werden wir uns Gedanken machen“, kündigte Schwarz an.
Auch die Wiesen-Eigentümerin, die Pfarreistiftung der Landeskirche, duldet das Wohnprojekt bis auf Weiteres. „Wir warten ab und greifen nicht ein“, sagte Sprecher Armin Voss. Es liege an der Kirchengemeinde Tuttlingen, vor Ort eine Lösung zu finden. Grundsätzlich habe die Pfarreistiftung nichts gegen ein derartiges Wohnprojekt, „doch wichtig ist natürlich, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden und alles im Einklang mit der Kommune ist“, sagte er. Will heißen: Die Wiesen-Siedlung müsse mit den zuständigen Behörden wie Ordnungsamt und Sozialamt abgestimmt sein.
Ein Video zu diesem Thema gibt es unter www.schwaebische.de