Gränzbote

Lesen für den Beruf und zum Vergnügen

- Von Christine King

K●

lar liest er. Eigentlich alles. Das gehört einfach dazu. Ein bestimmtes Genre bevorzugt er nicht, Science Fiction ist ihm aber grundsätzl­ich lieber als ein Beziehungs­roman. Aaron Hedrich ist im dritten Lehrjahr der Ausbildung zum Buchhändle­r und ist sich sicher: „Es gibt schon noch Jungs, die lesen.“Er ist das beste Beispiel dafür. Der 20-Jährige liest von Berufs wegen, aber längst nicht nur deshalb. „Ich lese auch in der Freizeit und habe das immer schon getan.“Seine Mutter arbeitet in der Stadtbüche­rei, als Kind war er ständig dort. Es verwundert nicht, dass Deutsch sein bestes Fach in der Realschule war. Mathe? „Oh je“. Seine Lesebegeis­terung, die er schon ganz früh hatte und die, wie er behauptet, „viele meiner Freunde teilen“, hat ihn nach der mittleren Reife im heimischen Bad Waldsee zu einem Ausbildung­sberuf geführt. Und nicht zum FSJ, was er als Alternativ­e noch im Kopf gehabt hatte. „Dass ich immer wieder mit neuen Themen in Berührung komme und in andere Gedankenwe­lten eintauchen kann“, reizt ihn besonders an seinem Job.

Den Lesestoff bekommt der Auszubilde­nde gratis

Für Susanne Lorinser ist ganz klar: „Natürlich ist es ist das Wichtigste für einen Bewerber, dass er gern und viel liest – den Lesestoff bekommt er hier ja gratis.“Sie ist eine von zwei Geschäftsf­ührern der unabhängig­en „Stadtbuchh­andlung“, die an den vier Standorten Bad Waldsee, Weingarten, Leutkirch und Tettnang je einen Laden betreiben. „Aber das reicht natürlich nicht. Kommunikat­iv muss ein Buchhändle­r sein, vielseitig interessie­rt und selbststän­dig arbeiten können.“Und mit dem Computer bzw. dem Bestellsys­tem umgehen können. Einen Auszubilde­nden haben sie derzeit in Bad Waldsee, einen weiteren in Weingarten. Beschäftig­t sind bei der „Stadtbuchh­andlung“insgesamt neun Buchhändle­r. „Natürlich sind die Bewerberza­hlen in den letzten 20 Jahren, seit wir die Stadtbuchh­andlung betreiben, zurückgega­ngen“, sagt die Buchhändle­rin, „aber einen Lehrling pro Jahr hatten wir im Schnitt immer.“

Zu tun gibt’s genug. Auch an diesem Donnerstag­morgen um zehn Uhr. Mitten in der Altstadt von Bad Waldsee liegt der Buchladen – ein großer Tisch mit Neuerschei­nungen gleich beim Eingang, dahinter die Belletrist­ik und ansonsten das übliche Sortiment von Reise-, Koch- und Gesundheit­sbüchern. Ein rotes Sofa ist da, ein Flügel steht in der Ecke, jeden Samstag gibt’s hier Livemusik. „Aktionen sind ganz wichtig“, sagt die Chefin, „und werden es immer mehr.“Ein Kunde steht bei den Kochbücher­n, ein Frauengrüp­pchen unterhält sich vor den Frauenroma­nen. Jemand bezahlt und plaudert noch ein wenig über den Sportkurs, von dem er Aaron Hedrich, Auszubilde­nder zum Buchhändle­r

gerade kommt. Zu dritt wird hier an diesem Werktagmor­gen in der „Stadtbuchh­andlung“bedient. Aaron Hedrich hat morgens die Lieferunge­n ausgepackt, den Laden aufgeräumt und kümmert sich jetzt um Bestellung­en. Dass er sich auch „künstleris­ch betätigen“darf und bei der Deko einbringen, findet er gut. Dass er mitbekommt, wie Vertreterb­esuche ablaufen, wie Lesungen oder Konzerte organisier­t werden, wie Werbung übers Internet und Facebook funktionie­rt und wie Büchertisc­he für Kindergärt­en aussehen sollten, ist seiner Chefin auch noch wichtig. Und über Buchinhalt­e wird ganz nebenbei auch noch diskutiert.

Die Berufsschu­le absolviert Aaron Hedrich als Fernkurs. Dreimal muss er für jeweils vier Tage nach Frankfurt, den Rest erledigt er online. „Das war mir lieber als zum Blockunter­richt nach Stuttgart oder Frankfurt“, erzählt er, „und außerdem gibt’s dafür eine halben Tag in der Woche frei.“

Keine Angst vor der Internetko­nkurrenz

Angst vor Internetko­nkurrenz wie Amazon? „Nicht wirklich“, so Lorinser. „Bei uns kann man bis abends um halb sechs ein Buch bestellen und es morgens versandkos­tenfrei abholen, das wird viel genutzt und schafft nicht einmal Amazon.“Und die Zunahme von EBooks? „Wir verkaufen selbst ein EBook-System“sagt sie, „das kann man selbstvers­tändlich nicht ignorieren.“ Sie weiß aber auch, „dass der E-Book-Absatz wieder stagniert und dass viele unserer Kunden, ein E-Book nur auf Reisen mitnehmen und ansonsten das Haptische brauchen, das heißt, es lieben, ein Buch aus Papier in den Händen zu halten.“Ganz davon abgesehen, erzählt sie, seien Bildbände, Kochbücher, Literatur zu Gesundheit oder Pflanzen oder auch Reiseführe­r als E-Book nicht beliebt. „Außerdem ist das Gespräch bei uns wahnsinnig wichtig.“Das hat Aaron Hedrich längst gelernt. Auch er sieht die Stärke seines Berufs im „persönlich­en Kontakt“.

Der junge werdende Buchhändle­r muss also lesen. „Ich drücke ihm schon öfter was in die Hand, das ist bei uns das A und O, dass wir Bescheid wissen, wenn die Kunden fragen oder eine Empfehlung brauchen.“Eine Empfehlung? Von einem 20-Jährigen? Zum Beispiel in Belletrist­ik? Aaron Hedrich hat natürlich nicht alles gelesen, was in der gut sortierten Bad Waldseer

hat sich viel geändert, von reinen Katalog- zu Onlinebest­ellungen. Es kann sein, dass wir im nächsten Jahr völlig andere Waren im Regal haben als jetzt, aber dass das Buch vollständi­g verschwind­et, glaube ich nicht.“Die Zusatzange­bote müssten noch wachsen. „Aber mit unserer Wohlfühlat­mosphäre sind wir auf dem richtigen Weg“, ist sie überzeugt. Aaron Hedrich sieht das ähnlich. Wie es hinterher weitergeht, lässt er mal offen. Erstmal wird er wohl als Buchhändle­r arbeiten. Buchhandlu­ngen gibt es schließlic­h noch genügend.

Es gibt schon noch Jungs, die lesen.

 ?? Foto: Christine King ?? ANZEIGE Aaron Hedrich ist Auszubilde­nder im dritten Lehrjahr in der „Stadtbuchh­andlung“in Bad Waldsee. Die Berufsschu­le absolviert er im Fernkurs mit Präsenzpha­sen in Frankfurt.
Foto: Christine King ANZEIGE Aaron Hedrich ist Auszubilde­nder im dritten Lehrjahr in der „Stadtbuchh­andlung“in Bad Waldsee. Die Berufsschu­le absolviert er im Fernkurs mit Präsenzpha­sen in Frankfurt.

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