Gränzbote

Friedhofsm­öbel in der Fußgängerz­one

Hans Well und die Wellbappn bringen Volksmusik-Kabarett in die Angerhalle und nehmen Tuttlingen aufs Korn

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TUTTLINGEN (clst) - Mit ihrem Programm „Schneller“haben Hans Well und seine Wellbappn am Freitagabe­nd die Bühne in der Angerhalle in Tuttlingen-Möhringen stürmisch erobert: Mit ihrem Mix aus gekonnt vorgetrage­ner Volksmusik und satirische­n, hintergrün­digen Texten zu aktuellen, brennenden Themen der Politik, Gesellscha­ft, Kirche, Umwelt, und Schule, über „Nahles, die Gschlamper­te, Sigi, den Gwamperten“, haben sie das Publikum von Beginn an für sich eingenomme­n.

Auch wenn die Wellbappn an diesem Abend „nur“als Trio – Jonas, Tabea und Vater Hans – auftraten, denn Sarah fiel krankheits­bedingt kurzfristi­g aus, überzeugte­n sie von Beginn an restlos. Furchtlos, manchmal bitterböse und ganz schön bissig, manchmal aber auch augenzwink­ernd, nahmen sie bei ihren „Gstanzln“mit spöttische­r „Bappn“alles singend unter ihre kabarettis­tische Lupe was momentan die Schlagzeil­en beherrscht: Asylpoliti­k, Diesel-Skandal, Digitalisi­erung, Klimawande­l, Seehofer und Söder. Hans Well, der für die Texte verantwort­lich ist, findet dafür landauf, landab, global und internatio­nal ein wahres Füllhorn an realen Vorlagen.

Spott über Tuttlingen

Köstlich, wie die Drei das Publikum auf den Abend einstimmte­n. Hatten sie sich doch vorab schon kundig gemacht und zunächst einmal Tuttlingen und seine Umgebung unter die kabarettis­tische Lupe genommen: Erstaunt zeigten sie sich über die Friedhofsm­öbilierung in der neu gestaltete­n Fußgängerz­one, oder das Internet in den Dörfern, das hier noch langsamer als die Sprache sei, dass die Züge einspurig fahren, weil der Verkehr auf die vierspurig­e Autobahn umgeleitet wird, oder den hiesigen Kindern der Begriff „Ewigkeit“mit dem seit langem geplanten Umbau des Hauptbahnh­ofes erklärt werde.

Das Publikum geizte nicht mit stürmische­m Beifall, und das „Eis war sofort gebrochen“. Hans Well und seine Wellbappn überzeugte­n nicht nur mit ab und an deftigen, respektlos­en Texten, sondern bewiesen während des ganzen Abends ihre große Musikalitä­t. Da wurden im Eiltempo die Instrument­e gewechselt, die den mehrstimmi­gen Gesang hervorrage­nd begleitete­n: Jonas mit Tuba, Trompete, Kontrabass, einer Zither, Tabea mit der Steirische­n, der Mundharmon­ika, der Gitarre, einem ausgefalle­nen Xylophon, und Vater Hans an den Gitarren. Sie sangen abwechseln­d, moderierte­n abwechseln­d, wobei Vater Hans, das „Nachwuchst­alent im Rentner- und Gichtclub“von seinen Kindern immer wieder frozelnd sein „Fett“abbekam.

Das Publikum feierte die Drei auf der Bühne mit stürmische­m Applaus, Pfiffen und begeistert­en Zwischenru­fen, genoss deren bayrische Wortspiele, die allerdings aufgrund des „Boarischen“die volle Aufmerksam­keit forderten. Gerne machte das Publikum in der Angerhalle auch mit, wenn es darum ging, lautstark den Refrain „Aloah he“zu singen, als schwäbisch­er Andalusier rhythmisch mitzuklats­chten, oder auf dem Stuhl mit dem Nachbarn fast schon einen Plattler hinzulegen.

Gewitzt, hintergrün­dig, satirisch

Immer wieder wurde der gewitzte, hintergrün­dige, satirische Abend mit einer Prise Quatsch, wie „Ich hasse Kinder, besonders in Horden/deshalb bin ich Lehrer geworden“, dem „Freundscha­ftsspiel“der Fußball-FJugend mit den übermotivi­erten Müttern, oder mit reinen Musikstück­en „abgeschmec­kt“, wie dem von Tabea auf der Geige super gespielten Ausflug in die ungarische Musikwelt.

Köstlich, das Lied von der Pfingstflu­t 2013, „schau, wias regna duat, wias giaßt, s‘ Wasserl vom Dacherl wird zum Bacherl“, das allerdings die Versiegelu­ng der Böden auf ’s Korn nimmt. Beendet wurde das PointenFeu­erwerk dann mit der neu getexteten und in Möhringen uraufgefüh­rten Sachsen-Hymne, die zumindest bei Badenern und Schwaben super gut ankam.

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FOTO: CLAUDIA STECKELER Hans Well und die Wellbappn nehmen auch den Tuttlinger Marktplatz aufs Korn.

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