Die Stammeseigenschaften des Schwaben
Uwe Zellmer und Bernhard Hurm blicken tief in die Seele des Baden-Württembergers
SPAICHINGEN - Wenn Uwe Zellmer und Bernhard Hurm vom Theater Lindenhof Melchingen loslegen, dann bleibt kein Auge trocken. Sie haben am Freitagabend mit ihrem Erfolgsprogramm „Kenner trinken Württemberger“im Gymnasium das Spaichinger Publikum bestens unterhalten.
Im Mittelpunkt stand der schwäbische Humorist und Schriftsteller Thaddäus Troll. Aber nicht nur er. Auch Heinz Erhardt-Witze wurden vor allem von Bernhard Hurm aus Hirrlinga (Hirrlingen) zum Besten gegeben und Anekdoten von Josef Eberle, bekannt unter seinem Künstlernamen Sebastian Blau. Und auch die Poesie kam nicht zu kurz, zum Beispiel mit Herbstgedichten.
Aufs Korn genommen wurden der Schwabe, die Schwäbin, die Tugenden und Autuagada (Untugenden) und die Stammeseigenschaften dieses Völkchens, zu dem auch die Kabarettisten selbst gehören. Deshalb haben sie nicht nur dem Publikum den Spiegel vorgehalten, sondern auch sich selbst.
Beim Schwabe gelte immer „mehr Sein als Schein“– er mache Dinge so, dass es keiner merkt, alles hälinga (eher heimlich). Und das bildgewordene Hälinga sei die Maultasch. Das Schwäbische Volk ist hälinga fromm, witzig („die meisten lachen daheim“). Der schwäbische Witz neige zum Implodieren, erklärte Bernhard Hurm. Die Schwaben seien hälinga gscheit und hätten es faustdick hinter den Ohren.
Sie machen alles gschwend (geschwind). Das Motto scheint zu sein: „Ganz schnell ganga und ganz lang nimme komma.“Zum Beispiel im Arzt-Wartezimmer gelte es, schnell afanga mit langem Warta.
Doch es gebe ja auch den schwäbischen Erfinder. Da fiel Bernhard Hurm eine ganze Litanei ein, angefangen beim Düsenjäger und Zeppelin über Fasnetsküchle und den Dieselund Benzinmotor bis zur Kehrwoch mit Besenkammer. Und der Schwabe sei „hälinga fett, inwändig beleibt“.
Definiert haben die beiden Lindenhöfler auch den Unterschied zwischen Norddeutschen und Schwaben: Der Norddeutsche sage mehr, als er weiß, der Schwabe weiß mehr, als er sagt. Schwaben seien hälinga reich und hälinga faul, denn „Faulheit ist der Humus des Geistes“, so Thaddäus Troll nach einem zweiwöchigen Selbstversuch zu diesem Thema.
Württemberger Wein im Selbstversuch getestet
Immer wieder kamen die Herren auch auf den Württemberger Wein zu sprechen, den sie selbst immer im Selbstversuch testeten. Früher sei die Qualität liadrig (miserabel) gewesen, es sei ein Semsakrebbsler (den Sims Hinaufkletterer) gewesen. Sie zogen heftig vom Leder über Süßreserven, von denen der Trinker bäbbige (klebrige) Lippen bekam. Dieses Bombolesbier sollen doch die Wengerter selbst saufa, befanden sie.
Es folgte ein Exkurs über die Stuagerter (Stuttgarter) mit ihrem Allmachtskraddl (Einbildung): Uwe Zellmer rezitierte das Gedicht „Remember. Weihnächt isch emmer im Dezember“. Es ging noch um BadenWürrtemberg, „das südliche Gesamtkunstwerk“, und den Sebastian BlauKlassiker über den Wein und St. Nepomuk, den „Schutzheiligen der Nicht-Ertrinken-Wollenden“. Dieser thronte auf einer Brücke in Rottenburg. Doch als er aus bautechnischen Gründen abgebaut wurde, „send d’Leit versoffa“.
Es folgte ein Gebet für diesen Heiligen „aus einer Zeit, als das Wünschen und Glauben noch geholfen hat.“Wenn schon der Neckar überschwomma werden solle, „dann fang bitte bissle weiter unta a“, denn der Reutlinger Wein sei ein richtiger Semsakrebbsler. Das sei die Balance des Schreckens: „Wenn der Tübinger Wein Dir ein Loch in den Magen gebrannt hat, zieht es Dir der Reutlinger Wein wieder zu.“Dieser Wein sei oechslemäßig begrenzt. Dann wagten sich die Kabarettisten an die Bibel. Sie kündigten den religiösen Teil der Abendveranstaltung an und gaben das Hohe Lied des Salomons zum Besten – auf Hochdeutsch und Schwäbisch. Es ging um die Vorzüge der Freundin, deren Haar sei wie eine Herde Ziegen und Lippen wie Himbeeren. „Dei Mäule macht mi glistig, neudeutsch geil“, so Uwe Zellmer.
Dann ging es um den Altersschub. „Ums numgugga kasch nimme rumgugga“und dir wird als alter Mann in der Straßenbahn ein Platz angeboten. Das führt zu schlaflosen Nächten und einer ordentlichen Portion Wein zum Einschlafen.
Wer kein Schwäbisch konnte, war bei diesem Cabaret etwas aufgeschmissen. Doch da die beiden Spaßvögel immer wieder übersetzten, konnten auch die nicht aus dem Schwabenland kommenden Zuschauer herzhaft mitlachen und hatten ihren Spaß an dieser etwas anderen Lehrstunde mit Blick in die schwäbische Seele.