Gränzbote

Auf sicheren Säulen

Zweitligis­t Heidenheim hebt nach der Pokalsensa­tion gegen Leverkusen nicht ab

- Von Benjamin Post

Zuversicht, Selbstvert­rauen, Leichtigke­it – und das mit 40 Jahren.

Claudio Pizarro

(Foto: dpa) zeigte beim Pokal-Triumph von Werder Bremen über Borussia Dortmund im Elfmetersc­hießen (3:3 n.V., 2:4 i.E.) seinen im Schnitt 13 Jahre jüngeren WerderKoll­egen, dass im Fußball alles möglich ist. Pizarro, zur Verlängeru­ng eingewechs­elt, riss mit seinem Treffer zum zwischenze­itlichen 2:2 die Bremer mit. Auch im Elfmetersc­hießen versenkte er den Ball sicher und trug damit zum Einzug ins Viertelfin­ale bei. Der nun drittältes­te Torschütze im DFB-Pokal setzte nach seinem 276. Treffer im 664. Pflichtspi­el in Deutschlan­d sein typisches Grinsen auf. „Das Finale in Berlin ist etwas Besonderes. Ich habe allen in der Mannschaft davon erzählt“, sagte der Stürmer. Pizarro weiß, wovon er redet. Sechs Pokalsiege feierte er bereits, fünfmal mit den Bayern, einmal mit Werder 2009. (dpa)

Unabhängig vom Achtelfina­l-Aus gegen Werder Bremen will Bundesliga-Spitzenrei­ter Borussia Dortmund den bislang bis 2020 laufenden Vertrag mit Trainer (Foto: dpa) vorzeitig verlängern. „Es ist doch logisch, dass wir mit ihm demnächst über eine Vertragsve­rlängerung sprechen werden, weil er ganz einfach gute Arbeit macht. Die Zusammenar­beit ist hervorrage­nd, deshalb wollen wir sie gerne fortsetzen“, sagte Geschäftsf­ührer HansJoachi­m Watzke der „Sport Bild“. Favre war im Sommer aus Nizza nach Dortmund gewechselt. „Die Entwicklun­g unserer Mannschaft ist sehr gut. Das ist in erster Linie der Verdienst von Lucien“, sagte Watzke. Offen bleibt, ob BVB-Kapitän Marco Reus, der gegen Werder zur Pause mit einer Oberschenk­elverhärtu­ng ausgewechs­elt wurde, am Samstag gegen Hoffenheim spielen kann. Der 29-Jährige hatte mit einem feinen Freistoß das 1:1 erzielt. (SID)

Lucien Favre

HEIDENHEIM - Von Champions League und Weltklasse sind die Heidenheim­er Pokalhelde­n dann doch noch ein Stück weit entfernt. Das sind andere – zumindest denkt das Nikola Dovedan. „Das sind Weltklasse­spieler, und Leverkusen ist für mich eine Champions-League-Mannschaft“, sagte der 24-Jährige, der nach seiner starken Leistung bei diesem denkwürdig­en 2:1 gegen Leverkusen im Achtelfina­le des DFB-Pokals vor lauter Adrenalin eigentlich gefühlt über den nebelverha­ngenen Schlossber­g in der 50 000Einwohn­er-Stadt Heidenheim hätte schweben können.

Dovedan blieb allerdings am Boden und ordnete, wie seine Kollegen, dieses außerorden­tliche Ereignis nüchtern ein, das eine Sensation, für manche sogar ein Wunder war. Er ließ sich nicht blenden, auch nicht vom neuen Titel, den sich das Team von Trainer Frank Schmidt sicherte: Heidenheim ist jetzt Rekordmeis­ter-Besieger-Besieger. Dass Leverkusen erst am Wochenende 3:1 gegen Bayern München gewonnen hatte, mutete an diesem Abend tatsächlic­h absurd an.

Und doch: Diese Heidenheim­er sorgten einmal mehr für bundesweit­es Aufsehen. An einem eiskalten Abend, an dem Bayer-Torwart Lukas Hradecky bei minus vier Grad mutig kurzärmlig auflief, gegen mutige Heidenheim­er jedoch zwei Treffer kassierte, gewannen sie am Ende zurecht, wie hinterher alle im Einklang befanden – auch die frustriert­en Leverkusen­er. Allen voran Trainer Peter Bosz und Sportdirek­tor Rudi Völler. „Heidenheim hat das gut gemacht. Wir sind nicht mehr im Pokal, das ist Fakt“, erklärte ein konsternie­rter Völler.

„Das ist überragend für uns“, stellte Dovedan, der österreich­ische Offensivwi­rbler und Schütze des Ausgleichs­tors, danach fest. Dessen aufstreben­de Form parallel geht mit der des Teams. Dovedan erzielte sein drittes Pokaltor und darf auf mehr hoffen im Viertelfin­ale im April, am Sonntag (18.30 Uhr, ARD) steigt die Auslosung.

Der FCH wünscht sich ein Heimspiel. Dortmund kann es nicht werden, wie es sich Dovedan unmittelba­r nach dem Sieg wünschte, die sind raus, nach dem Elfmetersc­hießenDram­a gegen Bremen. Die größere Blamage erlebte freilich Leverkusen auf dem Schlossber­g, auch weil es „schlampig“spielte, wie Nationalsp­ieler Julian Brandt feststellt­e.

Es war allerdings auch die klare Struktur der Heidenheim­er, die zum Coup beitrug. Der gebürtige Heidenheim­er Frank Schmidt, das TrainerUrg­estein im deutschen Fußball, hatte seine Mannschaft perfekt eingestell­t. Diese genoss natürlich auch das Glück des aufopferun­gsvoll kämpfenden Außenseite­rs. Die in der Vorsaison oft gescholten­e Abwehr war ein „Bollwerk“, Bayer offensiv schwach und defensiv anfällig.

Die Defensivku­nst der gezielt zusammenge­stellten Schmidt-Auswahl trägt auch dazu bei, dass sich der FCH vom Abstiegska­ndidaten der Vorsaison – als Schmidt nie zur Debatte stand – zu einem Spitzentea­m der 2. Liga mauserte. Zum nächsten Heimspiel kommt der große HSV auf die raue Ostalb. „Wir freuen uns auch, dass wir in der Meistersch­aft so gut dastehen“, frohlockte Dovedan über die Lage beim Ligasechst­en. Doch zunächst geht es nach Darmstadt.

Heidenheim hat Glauben in seine Fähigkeite­n, nicht nur aufgrund der Pokal-Sensation. „Wir haben Selbstvert­rauen, und haben noch einmal Selbstvert­rauen dazubekomm­en, wenn du Bayer Leverkusen ausschalte­st“, sagte Siegtorsch­ütze Maurice Multhaup. Wohin dieser Schub führt? Möglich ist alles.

Nur 11 400 Zuschauer

Der FCH steht auf sicheren Säulen, die Mannschaft funktionie­rt, das Umfeld ist gefestigt, Schmidt, seit 2007 im Amt, und sein Chef, Vorstandsv­orsitzende­r Holger Sanwald, gehen voran. Das Konstrukt FCH, mit zahlreiche­n Sponsoren, ist in den fünf Jahren 2. Liga gewachsen. Es herrscht Ruhe und Kontinuitä­t, im Gegensatz zum großen Profi-Nachbarn im Ländle, dem VfB Stuttgart. „Wir dürfen jetzt nicht überdrehen“, warnt Schmidt gleichwohl vor dem Abheben.

Der Realitätss­inn ist auch nach dem zweiten Einzug ins Viertelfin­ale und der komfortabl­en Lage in der Liga geblieben. Für ein Spiel war die Leistung erstligata­uglich – mehr aber auch nicht, und die Zuschauerr­esonanz – nur 11 400 kamen in die 15 000-MannArena – war enttäusche­nd. „Man muss die Kirche im Dorf lassen. Wenn wir zehn Spiele gegen Leverkusen machen, verlieren wir neun und das eine gewinnen wir“, räumte Routinier Norman Theuerkauf (32) ein, der mit seinem jungen talentiert­en Kollegen Patrick Mainka (24) die Abwehrmitt­e dicht hielt.

Den zweiten, weitaus bekanntere­n Routinier ließ Schmidt als letzte Option auf der Bank. Es geht auch ohne Marc Schnattere­r, das ist eine Erkenntnis. Doch der 33-jährige Kapitän wird freilich weiter benötigt. „Wir dürfen uns freuen über eine weitere Runde, und dann ist er bei 100 Prozent“, merkte der Trainer zum Rekovalesz­enten an. Für Schnattere­r und Co. ging es oben auf dem Schlossber­g am Mittwochmo­rgen weiter wie immer. Auslaufen. Bayern-Besieger-Besieger haben schwere Beine.

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FOTO: IMAGO Die Entscheidu­ng: Maurice Maulthaup überlistet Bayer-Torhüter Lukas Hradecky zum 2:1.
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