„Wir schaffen das auch ohne die Erwachsenen“
Linus Steinmetz, Organisator der Schülerstreiks für Klimaschutz, über die Vorwürfe gegen die „Fridays for Future“
RAVENSBURG - Auch an diesem Freitag wollen bundesweit Tausende Schüler für Klimaschutz demonstrieren. Der 15-jährige Linus Steinmetz ist einer der bundesweiten Koordinatoren der Demos. Sebastian Heinrich hat mit ihm gesprochen.
Herr Steinmetz, Sie sind einer der aktivsten Organisatoren der „Fridays for Future“-Schülerstreiks. Was war für Sie der konkrete Anlass dafür, zu sagen, ich gehe jetzt jeden Freitag auf die Straße, um für strengeren Klimaschutz zu demonstrieren?
Ich hatte schon ganz lange den Eindruck, dass der Klimawandel ein riesiges Problem ist, das eigentlich ständig in den Medien sein müsste – und dass es gar nicht so schwer wäre, etwas dagegen zu tun. Und ich war gleichzeitig frustriert, weil ich das Gefühl hatte, dass die Erwachsenen eben nichts tun und dass ich als junger Mensch auch nichts tun konnte. Als ich dann Anfang Dezember die ersten Schülerstreiks in Deutschland gesehen habe, war ich begeistert. Ich hatte das Gefühl, dadurch, dass ich nicht zur Schule gehe und ein bisschen was organisiere, kann ich echt etwas verändern. Und das haben wir in den letzten Monaten auch gesehen.
Die Schülerstreiks für den Klimaschutz haben auch viel Gegenwind bekommen: Das sieht man an Kommentaren in sozialen Netzwerken und Leserbriefen, aber auch an Aussagen hochrangiger Politiker. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak etwa hat die Initiatorin der Schülerstreiks Greta Thunberg mit „Arme Greta“betitelt. Haben Sie mit so viel Kritik gerechnet?
Ich bin da wenig überrascht. Unser gesellschaftliches Klima verroht ja. Es ist eigentlich auch ein Armutszeugnis, wenn Politiker Jugendliche angreifen, die den Klimawandel verhindern wollen, der viele Existenzen gefährdet. Wir wollen ja niemandem wehtun, wir versuchen, so viele Menschen wie möglich einzubinden. Dass uns gerade von rechts viele Leute anfeinden, ist traurig. Für uns ist aber auch klar: Je mehr Stimmen sich gegen uns erheben, desto mehr merken wir: Da haben viele politiabzufrieren. sche Akteure Angst, dass wir jetzt Dinge verändern, die sie nicht verändern wollen.
Ein Kritikpunkt, der oft zu hören ist: Warum gehen Sie eigentlich am Freitagvormittag auf die Straße, während der Schulzeit – und nicht am Nachmittag? Sind die Demos nicht doch auch ein Vorwand, um einen Tag weniger in die Schule zu gehen?
Wenn jemand keine Lust auf die Schule hat, dann geht er dort einfach nicht hin. Aber so jemand stellt sich sicher nicht stundenlang bei Minusgraden vor ein Rathaus, um dort zu demonstrieren und sich den Hintern Ich glaube nicht, dass das als Vorwand genutzt wird. Wir sehen eben: Wenn alle Menschen nur nach den Regeln spielen und ihre Pflichten erfüllen, können sie nicht unsere Zukunft retten. Deswegen überschreiten wir symbolisch Regeln und brechen die Schulpflicht. Das ist effektiv und für uns moralisch vertretbar.
Sie haben in Interviews schon gesagt, dass Ihr Schulleiter in Göttingen Ihnen zwar sagt, dass Schulstreiks verboten sind – aber die Ziele der Demos unterstützt. Läuft das an anderen Schulen auch so unproblematisch?
Nein. Die Reaktionen von Schulleitern sind da sehr unterschiedlich. Gesamtgesellschaftlich treffen wir auf viel Sympathie. Aber es gibt auch verschiedene Kräfte, die ganz anders gestimmt sind – wie das Kultusministerium in Bayern oder die Schulleiterkonferenz in München. Die drohen mit drakonischen Strafen gegen Schüler, statt gegen ernsthafte Probleme im Bildungssystem vorzugehen.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass sich hier Kinder für politische Ziele instrumentalisieren lassen? Ihre Forderungen passen ja gut zum Programm der Grünen ...
Wenn man sich die Strukturen hinter unseren Streiks anschaut, dann sollte eigentlich klar sein, dass wir außergewöhnlich unabhängig von politischen Organisationen sind. Viele Erwachsene haben das Bild von einer angeblich faulen, unpolitischen Jugend. Und ich finde es schon fast zynisch, wenn diese Menschen dann, sobald Jugendliche ihre politischen Anliegen formulieren, ihnen vorwerfen, dass sie von Parteien instrumentalisiert werden. Da werden Jugendliche einfach unterschätzt. Wir schaffen das auch ohne Erwachsene.