Glücklich gleiten am Gitsch
Die Südtiroler Skiregion Gitschberg Jochtal setzt auf Überschaubarkeit und Entschleunigung
Geht scho“, sagt Skiguide Stefan und klickt die letzten Schnallen an seinen Skistiefeln fest. Wohl wahr – wenn nicht jetzt, wann dann? Ein fast schon kitschig blauer Himmel, garniert mit weißen Einsprengseln wie aus dem Fotoshop. Linsenförmige Föhnwolken künden von schlechtem Wetter auf der Alpennordseite, die nur knapp 45 Autominuten nördlich auf dem Brenner beginnt. Dort ist der Himmel wolkenverhangen und grau, hier aber fällt der ungehinderte Blick auf eine ganze Legion in der Sonne strahlender Dolomitengipfel und hinunter ins Tal, in dem sich gerade letzte Dunstschleier auflösen. Hier oben auf dem Gitsch, auf 2500 Metern, ist die Luft klar und kühl und das Herz weit im Anblick der Piste. Ein breiter Hang, 1100 Meter über dem Startort Meransen, baumfrei, steil genug, damit die ambitionierte Skijugend Südtirols hier trainiert, aber nicht so steil, dass der Meniskus quietscht. „Geht scho“eben. Wobei das schon eine arge Verniedlichung ist für Menschen, die aus dem grauen Winter der Stadt über Mühlbach im Pustertal in die sonnige Höhe gekommen sind. „Geht scho“heißt Glück pur im Carvingradius. Und mit den Schwüngen wächst auch noch eine Erkenntnis. „Geht scho“bedeutet auch: So geht es auch.
Gemeint ist damit, dass das Gebiet Gitschberg Jochtal eine Art Gegenentwurf zu so mancher Skiregion ist. Natürlich gibt es auch hoch über dem Eisacktal gut 50 Kilometer gewalzte und beschneite Pisten und 16 größtenteils hochmoderne Lifte. Auch der übliche Snowpark mit Sprunghügeln und Rails fehlt nicht, aber das Konzept geht doch eher auf Entschleunigung. Wenn man sich hier einmal verliert, ist auch ohne Handy die Chance nicht so schlecht, dass man sich wieder trifft. Zumindest ist sie deutlich höher als in den Regionen, wo man eine ganzen Skitag keinen Lift zweimal fahren muss.
22 gemütliche Hütten
Die Weite ist überschaubar. Dazu kommt, dass die Südhänge der Pfunderer Berge im Sommer Almen sind. Und Almen bedeuten Hütten. Ganz konkret 22. Das heißt im Schnitt alle zwei Kilometer eine Möglichkeit, auf einer Südterrasse zu rasten, ein wenig Sonne ins Herz und einen Schluck Südtiroler Wein ins Glas fließen zu lassen. Das Ganze angereichert mit Speisekarten, die mehr kennen als Knödelsuppe oder Wiener Schnitzel. Kurzum: Ski ja, aber eher für die, die keine summierten Höhenmeter im fünfstelligen Bereich am Abend brauchen, um glücklich zu sein.
Abstecher nach Brixen
Eher für die, die abends noch genug Energie haben, um zum Beispiel mit dem Auto hinunter nach Brixen zu fahren. Das dauert eine knappe halbe Stunde, dann ist man aus uriger Natur mitten in der ältesten Stadt Südtirols mit ihren vielen historischen Bauten, mit einer putzigen Einkaufsstraße und mit vielen Geschichten rund um den Elefanten Soliman. Der bedauernswerte Dickhäuter war 1551 ein Geschenk des portugiesischen Königs Johann an Erzherzog Maximilian von Österreich. Auf seinem langen und sicherlich nicht lustigen Weg nach Wien kam er auch in Brixen vorbei, was damals für gewaltiges Aufsehen gesorgt haben muss. Immerhin heißt heute noch das erste Hotel am Platz Elefant.
Brixen gehört aber auch zu den Orten, die in Sachen Wintertourismus ähnlich wie Gitschberg Jochtal eher auf die überschaubare und ruhigere Note setzen. Nur ein paar Kilometer südlich vom Stadtzentrun beginnt in St. Andrä der Einstieg in das Skigebiet Plose. Plose steht für Blöße oder Glatze und das beschreibt die bis 2500 Meter Höhe reichenden Kuppen der Lüsener Berge treffend. Baumfrei und weit. Auch hier geht es eher beschaulich zu. Sieben Lifte, breite Pisten, gemütliche Hütten. Skifahren oberhalb der Stadt ganz ähnlich wie im Nordtiroler Innsbruck, nur dass hier im Süden nicht nur öfter die Sonne scheint, sondern die Pisten auch eine ordentliche Länge haben.
Ewig lange Rodelbahn
Von der Plose Hütte auf knapp 2500 Meter geht es über neun Kilometer und fast 1100 Höhenmeter die Trametsch hinunter nach St. Andrä. Diese Abfahrt gilt als die längste in Südtirol, wobei man da vorsichtig sein sollte, da dieses Siegel auch andere für sich beanspruchen. Die Trametsch ist freilich schon eine ordentliche Portion Skiarbeit, vor allem am Stück. Dazu gibt es mitten durch den Wald eine ewig lange Rodelbahn, die so angelegt und gesichert ist, dass man durchaus Chancen hat, gesund unten anzukommen. Und wer sich das vormittags gönnt, könnte nachmittags wieder mit den Skiern die Hänge des Gitsch hinabgleiten. Der Transfer mit dem Auto ist in 45 Minuten erledigt, beide Gebiete gehören zum Verbund Dolomiti Superski, man braucht also nur eine Liftkarte.
Schafft man so einen Spagat über das Eisacktal hinweg von der Plose an den Gitsch? „Geht scho“sagt der Stefan wieder. Sein Gesichtsausdruck verrät aber, dass er nicht viel davon hält. Ehrlich gesagt zu Recht. Mit Entschleunigung hätte das dann nämlich gar nichts mehr zu tun.
Weitere Informationen: Gitschberg Jochtal AG, Tel.: 0039/0244/ 7970217
E-Mail: gitschberg-jochtal@legalmail.it, Internet: https:// www.gitschberg-jochtal.com/de/ ski-almenregion-gitschberg-jochtal.html Tourismusverein Brixen, Tel.: 0039/0472/275252, E-mail: info@brixen.org
Die Recherche wurde unterstützt von Dolomiti Superski.