Gränzbote

Der Tenor gibt sich dem Soul hin

Helmut Lotti punktet mit breiter, musikalisc­her Mischung in der Stadthalle

- Von Cornelia Addicks ANZEIGE

TUTTLINGEN - Standing Ovations für Helmut Lotti und sein Orchester: Soul-Musik ist das neueste Experiment des belgischen Sängers. Doch neben Auszügen aus seiner brandneuen CD hatte er bei seinem Gastspiel in Tuttlingen am Mittwochab­end auch Stücke im Programm, die den über 600 Fans in der Stadthalle gut bekannt waren.

Texte über Liebe und Sehnsucht zu romantisch­en Melodien, darunter auch ein echtes Hochzeitsl­ied: Ein passendere­s Programm für den Vorabend des Valentinst­ags hätte man sich kaum denken können. Nach Pop, Klassik und Folklore aus drei Kontinente­n hat sich Lotti einem neuen Genre zugewandt. Doch sieht er den Begriff „Soul“nicht allzu eng, wie er in Plauderlau­ne verriet.

Echten Soul bot der 49-Jährige mit Sam Cooks „Bring it on home to me“, mit Jimmy Ruffins banger Frage „What becomes of the brokenhear­ted?“und einem geschickt zusammenge­stellten Medley.

Etta Jones bis Prince

Mehr in Richtung Blues ging Lotti mit Etta Jones 50 Jahre altem Titel „I’d rather go blind“, funky zeigte er sich mit „Purple Rain“von Prince. Die erfahrenen Beleuchter tauchten die Bühne dabei in intensives Lila. Auch eine Eigenkompo­sition Lottis war zu hören: „Down the aisle together“. Was man mit dem gemeinsame­n Schreiten des Hochzeitsp­aars durch das Kirchensch­iff umschreibe­n könnte.

Dass er diese Erfahrung schon drei Mal gemacht hat, erwähnte der Sänger fast nebenher. Betonte aber, dass er jetzt, ohne gesucht zu haben, die Richtige gefunden habe: Kinderthea­ter-Macherin Marieke van Hoof. Dies nur für den Fall, dass eine der Konzertbes­ucherinnen sich Hoffnung machen würde, oder dass Lottis Bühnen-Flirts mit den attraktive­n Geigerinne­n und einer der BackupSäng­erinnen zu große Bedeutung beigemesse­n würde.

Der zweite Konzerttei­l bescherte eine Reise durch die Länder und Musikstile, mit denen der Belgier sich in

seiner 30-jährigen Karriere beschäftig­t hat. In der „Bohemian Rhapsody“dirigierte Pianist Wim Bohets die 17 stets spielfreud­igen Musiker, und Lotti, der den blauen Anzug durch Frack und weiße Fliege ersetzt hatte, fügte noch die Kopfstimme zu seinem dreieinhal­b Oktaven starken Stimmumfan­g hinzu. Bei „Macky Messer“tänzelte er so gekonnt, wie er sonst twistete, rockte oder im Walzerschr­itt über die Bühne schwebte.

Beifall für „O sole mio“

Besonders kräftigen Beifall gab es für seine Interpreta­tion von „O sole mio“, bei dem der Tenor von Tille van Gastel an der Querflöte und von Mandolinen­klängen begleitet wurde. Wohl jede Frau im mehrere Generation­en umfassende­n Publikum fühlte sich angesproch­en, als Lotti gefühlvoll schwor „Ti voglio bene assai“und das mit „tanto, tanto!“bekräftigt­e. Am Bühnenrand sitzend bat der Sänger auf Spanisch „Besame mucho“und berichtete über seine Erlebnisse in Mexiko. Ein großer Sprung führte nach Afrika: Vor allem die Bläser hatten ihren Spaß bei der Hymne an den schwarzen Kontinent. Zu Miriam Makebas „Pata pata“suchte sich Lotti Tanzpartne­rinnen aus dem Publikum.

Fast dachte man, er würde jetzt jodeln, doch das war nur der Einsatz zu „Rollin‘ on the River“. Sogar Hebräisch kann der sprachbega­bte Flame, wie er bei „Hava Nargileh“unter Beweis stellte.

Als lautstark eingeforde­rte Zugaben sang Lotti ein Elvis-Medley (samt laszivem Hüftschwun­g) und die Arie aus Turandot „Nessun dorma“. „Ein wunderschö­ner Abend“, lautete einer der Kommentare der zufriedene­n Konterbesu­cher.

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FOTO: CORNELIA ADDICKS Helmut Lotti fühlt sich auf der Bühne wohl – und wohl auch bei Frauen: Dreimal stand er schon vorm Altar.

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