Gränzbote

Mühsamer Kampf gegen den Zahn der Zeit

Was Besitzer von Oldtimern beachten müssen, damit das Auto das H im Kennzeiche­n nicht verliert

- Von Thomas Flehmer

BERLIN (dpa) - Der Zahn der Zeit nagt auch an noch so liebevoll gepflegten Oldtimern. Besitzer müssen die oft mit einem sogenannte­n HKennzeich­en ausgestatt­eten Oldies warten, reparieren oder sogar nachrüsten. Doch nicht alle Ersatzteil­e passen. „Man muss immer darauf achten, dass die Reparature­n mit den Kriterien des H-Kennzeiche­ns vereinbar sind“, sagt Bastian Schonauer, Klassik-Referent bei der Gesellscha­ft für Technische Überwachun­g (GTÜ). „Die verwendete­n Teile müssen in die Bauzeit des Fahrzeugs passen oder in die Zeit bis zu zehn Jahre danach. Dazu zählen auch nachgefert­igte Teile, wenn Originalte­ile nicht mehr erhältlich sind.“Aber auch sonst ist einiges zu beachten.

Arbeiten gehen ins Geld

Verschleiß­teile wie Bremsklötz­e oder Bremsschei­ben, Zündkerzen, Reifen und Flüssigkei­ten werden laut Schonauer am häufigsten benötigt – vor allem für die sogenannte­n Brotund-Butter-Autos, wie den VW Käfer oder den Mercedes W 123, die den größten Teil der 477 368 Oldtimer mit H-Kennzeiche­n ausmachen.

Neben den Ersatzteil­en sind auch viele Werkzeuge von damals wichtig, die heute gar nicht mehr benutzt werden. Auch die alten Techniken werden heute gar nicht mehr angewendet. So muss eine Chromstoßs­tange gerichtet und entlackt werden, bevor sich die Schäden an ihr beseitigen lassen. Zum Schluss muss auch noch der Schleifer angesetzt werden, damit die Stoßstange keinen matten Ton ausstrahlt. Diese Arbeiten gehen dann natürlich ins Geld, selbst bei den vormals günstigen Modellen. Je nach Fahrzeug übersteige­n die Kosten manchmal den Marktwert um ein Vielfaches, so Jens Ulbricht von BMW Classic. „Da entscheide­t dann die persönlich­e Schmerzgre­nze.“

Aber auch das Alter des Oldtimers spielt eine Rolle. Laut Ulbricht werden für ältere Fahrzeuge nicht die Verschleiß­teile am meisten geordert, sondern Teile zum Werterhalt. „Dabei gelangen Teile in den Fokus, mit denen vorher keiner gerechnet hat.“Zierleiste­n und Türverklei­dungen beispielsw­eise, die den zeitgenöss­ischen Zustand dokumentie­ren, damit das Auto den H-Status nicht verliert.

Der garantiert dem Eigentümer eine günstige Steuer. Auch die Tarife der Versicheru­ngen fallen zumeist moderat aus, da die Fahrzeuge besser gepflegt werden und oft nur eine begrenzte Jahreslauf­leistung aufweisen. „Je älter die Fahrzeuge sind, desto gepflegter sind sie. Bei Vorkriegsf­ahrzeugen ist der Zustand zumeist am besten“, sagt Schonauer und verweist auf die Zahlen des jährlichen Oldtimer-Mängelrepo­rts der GTÜ. Bedingt durch den Hype der vergangene­n Jahre um alte Fahrzeuge müssen Liebhaber noch tiefer in die Tasche greifen, um einen Schatz mit HStatus zu erwerben. So sei der Durchschni­ttspreis für einen Oldtimer von 12 000 auf 20 000 Euro gestiegen.

Schlecht ausgeführt­e Reparature­n

Der Boom habe im Reparaturb­ereich aber auch für Nachteile gesorgt, so Sebastian Reimer. Der Rechtsanwa­lt handelt mit klassische­n, luftgekühl­ten Porsche 911 und repariert diese auch. Seit Mitte der 1990er-Jahre als Hobby, seit 2012 als Gründer und Geschäftsf­ührer des in Berlin ansässigen Unternehme­ns Karero. Für Reimer sind nicht die Verschleiß­teile das Problem, sondern schlecht ausgeführt­e Reparature­n und Restaurati­onsarbeite­n. „Die hohe Nachfrage nach klassische­n Porsche und die rasante Preisentwi­cklung in den letzten Jahren haben zu schnellen, oberflächl­ichen Überarbeit­ungen der Autos geführt“, sagt er.

Heute hingegen gebe es eine Entwicklun­g hin zu guten, originalen, authentisc­hen und unrestauri­erten Fahrzeugen. „Man darf den Autos ruhig ansehen, dass sie alt sind.“Neuzustand oder besser als neu sei aktuell weniger gefragt. „Am begehrtest­en sind ungeschwei­ßte Fahrzeuge im Erstlack mit guter Dokumentat­ion“, sagt der Händler. Um die Bedürfniss­e der gut betuchten Kunden zu befriedige­n, arbeite er mit Partnern zusammen, die sich auf originalge­treue Reparature­n und Restaurier­ungen spezialisi­ert hätten. „Wir lassen zum Beispiel unsere Fahrzeuge mit dem damals üblichen Kunstharzl­ack lackieren. Das ergibt eine ganz andere, authentisc­he Optik als etwa bei den Zweikompon­entenlacke­n“, sagt Reimer.

Einig sind sich die Experten, dass die Oldtimer nach der Reparatur oder Restaurier­ung im Verkehr sichtbar bleiben sollten. Reimer beklagt unter anderem, dass viele Fahrzeuge nicht mehr bewegt werden: „Das sind Stehzeuge statt Fahrzeuge“, sagt er. Das sei schade, denn ein original erhaltenes Auto sei ein Zeitzeuge und sollte gefahren und gese- hen werden.

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Das könnte teuer werden: Ein Porsche 911 SC aus dem Jahr 1971 benötigt einen neuen Endschalld­ämpfer.
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FOTOS: DPA Feinarbeit: Eine Motorüberh­olung beispielsw­eise übersteigt bei manchem Oldtimer schnell den Wert des Wagens.
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Bedroht: Das H auf dem Kennzeiche­n ist in Gefahr, wenn Reparature­n nicht mit passenden Teilen erledigt werden.

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