Neustart für die Ukraine
Dieses Signal haben sich die Ukrainer von Wolodymyr Selenskyj gewünscht:
Der neue Präsident hat das Parlament aufgelöst, um schnell Mehrheiten für seine Reformen zu bekommen. Er will die Immunität der Abgeordneten aufheben und eine Initiative gegen Amtsbereicherung starten. Mit dem Umbau des Landes möchte er nicht bis zum Herbst warten, dem eigentlichen Termin für die Parlamentswahl.
Für diesen Aufbruch haben selbst frühere Sympathisanten von Selenskyjs Amtsvorgänger Petro Poroschenko gestimmt. Sie wollen Frieden im festgefahrenen Konflikt mit Russland – und zwischen Kremlchef Wladimir Putin und Poroschenko gab es keine Gesprächsbasis mehr. Auch erhoffen sich die Menschen einen schnelleren
Kampf gegen Korruption. Der erhöht die Chancen für einen möglichst baldigen Beitritt zur Europäischen Union, den sich viele Ukrainer wünschen. Dazu braucht Selenskyj Abgeordnete, die den EU-Kurs ebenso vorantreiben wollen wie der proeuropäische Präsident selbst.
Im Verhältnis zu Russland darf sich Selenskyj die Möglichkeit für einen Dialog nicht schon zu Beginn seiner Amtszeit verbauen. Zwar sollte er Putin keine vorschnellen Zugeständnisse machen und muss auf der ukrainischen Souveränität beharren. Die Forderung nach einer sofortigen Rückgabe der von Russland völkerrechtswidrig annektierten Krim ist aber zu hoch gepokert – zunächst bedarf es einer vorsichtigen Annäherung.