Von der Lokomotive zum Bremsklotz
Landesbank Baden-Württemberg sieht Südwesten beim Wachstum 2020 als Schlusslicht
RAVENSBURG - Die starke Abhängigkeit von der Automobilindustrie und dem Exportgeschäft bremst die Wirtschaft in Baden-Württemberg erheblich stärker als die anderer Bundesländer aus. Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) erwarten für das laufende Jahr im Südwesten nur eine Nullrunde beim Wirtschaftswachstum, teilte das Institut am Mittwoch mit. Und auch im kommenden Jahr dürfte die Wirtschaft in Baden-Württemberg den Berechnungen zufolge nur um 0,2 Prozent wachsen.
Beide Werte liegen unter dem bundesweiten Schnitt und auch hinter den Erwartungen für die meisten anderen Bundesländer.
„Baden-Württemberg hält zusammen mit Hessen im Ländervergleich 2020 die rote Laterne, nachdem es noch vor wenigen Quartalen zu den Lokomotiven gehörte“, sagte LBBWChefvolkswirt Uwe Burkert. Für Deutschland erwartet die Landesbank in diesem Jahr ein Wachstum von immerhin 0,5 Prozent und für das kommende Jahr 0,6 Prozent.
Gleich mehrere Gründe führen die LBBW-Experten für den Positionswechsel Baden-Württembergs ins Feld. Der Wichtigste: Die Probleme in den Leitbranchen Automobil- und Maschinenbau. Die Unternehmen müssten ihr Angebot an Dienstleistungen ausbauen, Produktion und Vertrieb digitalisieren und die CO2Belastungen reduzieren, während zugleich die Nachfrage nach ihren Produkten sinke, heißt es in der Analyse. Darüber hinaus leide die stark exportorientierte Wirtschaft unter den Unsicherheiten im Außenhandel. Geopolitische Krisen wie der Handelskrieg zwischen den USA und China sowie der nicht geregelte Brexit würden insbesondere das Geschäft mit Investitionsgütern belasten.
Welche Bedeutung allein die Automobilindustrie in Baden-Württemberg hat, machen einige Zahlen deutlich: 2018 kam die Kernbranche auf Umsatzerlöse von 106,6 Milliarden Euro. Allein der Fahrzeugbau erbringt rund ein Zehntel der gesamten Wertschöpfung des Landes. Direkt und indirekt hängen knapp elf Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten von der Automobilbranche ab: Fast 470 000 Beschäftigte können dem Automobilcluster zugeordnet werden.
Auf lange Sicht trauen die LBBWAnalysten der Wirtschaft im Südwesten zwar zu, an erfolgreiche Zeiten anzuknüpfen. Angesichts der Herausforderungen seien jedoch verstärkte Anstrengungen beim Bürokratieabbau, bei der Weiterbildung und der angewandten Forschung sowie bei der Nutzung von Standortvorteilen notwendig. Vom Land fordern sie eine höhere Investitionsquote ein, insbesondere bei Weiterbildungshilfen für Unternehmen und Arbeitnehmer, einen flächendeckenden Breitbandausbau und der Schaffung eines digitalen Ökosystems.