Farbfleckmacher zu haben
Wieso Mauricio Pochettino zum FC Bayern München passen könnte – und warum nicht
Zwischen dem Aus für Mauricio Pochettino bei Tottenham Hotspur und der Verkündung von José Mourinho als Nachfolger lagen gerade mal elf Stunden – und ein Trainerbeben, dessen Druckwellen sich bis nach München ausbreiteten. Während in England vor allem über die Rückkehr des zuletzt vor allem destruktiv agierenden „Special One“Mourinho in die Premier League diskutiert wurde, hat der FC Bayern bei seiner Trainersuche plötzlich eine neue Option: Eben Pochettino.
Mehr Backnanger Schule als Voetbal total
Denn der Argentinier, der aus Tottenham trotz der aktuellen Flaute in den vergangenen fünfeinhalb Jahren mit vergleichsweise geringen Mitteln eine Top-Mannschaft gemacht hat, ist in München schon länger hoch angesehen. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge lobte den Ex-Profi rund um den spektakulären 7:2-Erfolg der Münchner beim letztjährigen Champions-League-Finalisten am 1. Oktober. Sportdirektor Hasan Salihamidzic soll sich schon zuvor intern als Fan des 47-Jährigen geoutet haben. Am Rande des Audi Cups im Sommer sprach Salihamidzic mit Pochettino. Die Zusammenarbeit zwischen Pep Guardiola und den Bayern wurde übrigens auch im Rahmen dieses Turniers angebahnt.
Guardiola lobte den Argentinier einst ebenfalls überschwänglich – obwohl der fußballerisch eigentlich aus einer völlig anderen Denkschule kommt. Nicht Ballbesitz und Dominanz wie bei Guardiola, Ajax-Coach
Erik ten Hag oder Thomas Tuchel (Paris Saint-Germain), die bisher als Top-Favoriten galten für die feste Nachfolge von Nikio Kovac, stehen bei Pochettino im Vordergrund. Sondern rasantes Umschaltspiel, hohes Pressing und konsequente Balljagden. Pochettino denkt zwar ähnlich wie Guradiola und Co. – bei den Bayern-Oberen ist der Katalane nach dem gescheiterten Experiment mit dem taktisch bisweilen beinahe indifferent wirkenden Kovac immer noch oder wieder die Referenz – die Defensive vor allem von der Offensive her. Er ist aber grundsätzlich mehr Backnanger Schule als Voetbal total.
Der FC Bayern sucht einen Trainer, der eine Philosophie vertritt, die zum Verein und zur aktuellen Mannschaft passt. Das wären von ihrem Profil her grundsätzlich eher ten Hag oder Tuchel, die aber beide unter Vertrag stehen und wohl frühestens im Sommer zu haben wären. Interimstrainer Hansi Flick hat von den Bayern-Bossen zudem eine Jobgarantie bis Weihnachten erhalten. Pochettino, der kein Deutsch spricht, aber mittlerweile recht gutes Englisch, hätte also ein paar Wochen Zeit, sich auf die neue Aufgabe einzustellen.
Für ihn könnte sprechen, dass er als Spielerentwickler und -Versteher gilt. Er hat bei Tottenham einige Jugendspieler wie Dele Alli zu Profis und Nationalspielern gemacht und etwa Harry Kane zum Superstar geformt. Zuden gehört er nicht zu den Trainern, die jedes Jahr große Investitionen fordern – vor der vergangenen Saison holte Tottenham gar keinen neuen Spieler und landete trotzdem im Champions-League-Finale.
Viele Anhänger der Nordlondoner, aber auch Spieler betrauerten das Aus des Trainers. Kane bezeichnete Pochettino in den sozialen Netzwerken als „Freund“, dem er „ewig dankbar sein“werde. Die Club-Legende Gary Lineker twitterte, einen besseren Ersatz für Pochettino werde es nicht geben.
„Als Manager bin ich sehr fair, aber die Disziplin ist sehr wichtig“, sagte Pochettino selbst einmal. Rummenigge würdigte die Entwicklung der Spurs unter Pochettino so: „Tottenham ist ein Farbfleck in dieser Fußballwelt.“Gleich nach dem fulminanten 6:1 der DFB-Elf gegen Nordirland sah sich auch der aus Bösingen bei Rottweil stammende Joshua Kimmich mit dem Namen Pochettino konfrontiert. „Was man sagen kann, ist, dass es Tottenham über Jahre top gemacht hat. Sie haben eine Riesenkonstanz“, äußerte der Mittelfeldspieler. Und: „Er ist ein TopTrainer. Aber ich weiß nicht, ob er für uns infrage kommt.“
Das gilt andersrum genauso. Klar ist, dass Pochettino keine Probleme haben wird, einen neuen, reizvollen Arbeitgeber zu finden. In der Vergangenheit wurde er etwa auch immer wieder mit Real Madrid und Manchester United in Verbindung gebracht.
In München rückt nun zunächst ohnehin erst mal wieder Hansi Flick in den Blickpunkt. Acht Partien stehen für ihn und Bayern bis Weihnachten an – darunter am 11. Dezember auch die Begegnung gegen Pochettinos alte Mannschaft Tottenham. Die dann aber von José Mourinho trainiert werden wird.