Trauer und Entsetzen in Augsburg
Zwei Ehepaare geraten mit einer Gruppe junger Männer in Streit Ein 49Jähriger stirbt Kripo nimmt sechs Tatverdächtige fest
Augsburg unter Schock: Am Sonntag gedachten die Mitglieder der Berufsfeuerwehr ihres getöteten Kameraden (Foto: dpa). Der 49Jährige war mit seiner Frau am Freitagabend auf dem Heimweg vom Weihnachtsmarkt, als es zum folgenschweren Streit mit sieben jungen Männern kam. Beim mutmaßlichen Haupttäter handelt es sich wohl um einen 17Jährigen mit deutschem, türkischem und libanesischem Pass.
AUGSBURG Es sind bewegende Szenen am Sonntagvormittag am Augsburger Königsplatz: Mehr als 100 Beamte der Berufsfeuerwehr, Pensionisten und die Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehren versammeln sich schweigend im Kreis, um ihres am Freitagabend bei einem Angriff tödlich verletzten 49jährigen Kameraden zu gedenken. Der Berufsfeuerwehrmann war, wohl während einer Auseinandersetzung mit einer Gruppe junger Männer, an dem zentralen Platz getötet worden. Der Mann war dort privat mit seiner Frau und Freunden unterwegs.
Nach dem Verbrechen in der Innenstadt sollen Zeugen zufolge insgesamt sieben junge Männer vom Tatort geflohen sein. Wenige Stunden nach der Trauerversammlung konnte die Kriminalpolizei am Sonntagnachmittag zwei 17Jährige festnehmen. Die Festnahme weiterer vier junger Männer erfolgte wenig später. Am Montag sollen die Verdächtigen dem Haftrichter vorgeführt werden. Unter anderem hatten Videoaufnahmen zu den mutmaßlichen Tätern geführt. Ebenfalls am Montag wollen die Ermittler weitere Details bekanntgeben. Unter anderem ist offen, weshalb es zum Streit und dann zum Gewaltangriff kam.
Selbst Friedhelm Bechtel, langjähriger Pressesprecher der Berufsfeuerwehr, ist am Sonntag nicht zum Reden zumute. „Wir trauern, wir sind emotional so drin“, sagt er nur. Am Samstag hatte sich die traurige Nachricht bei den Wehren im Raum Augsburg verbreitet. Die Freiwillige Feuerwehr im Vorort Neusäß versah die eigene FacebookSeite mit einem Trauerflor. Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) informierte die Bürger ebenfalls über Facebook: „Trauer macht mein Herz schwer. Augsburg ist Schauplatz einer folgenschweren Gewalttat geworden“, schreibt der Rathauschef.
Am Tatort erinnert am Sonntag ein Windlicht an das Opfer. „Wir sind bei Dir“, steht auf dem Glas, und weiter: „Deine Freunde von der Berufsfeuerwehr Augsburg“. Auf einem Zettel steht: „Als Retter gekommen & Als Engel gegangen. R.I.P.“Stumm schauen die Brandschützer in ihren Uniformen auf die glimmenden Grablichter und die roten sowie weißen Blumen. „Es herrschen tiefe Bestürzung und Fassungslosigkeit in unseren Reihen“, beschreibt Feuerwehrchef Andreas Graber die Stimmung. Viele der Feuerwehrleute haben während der Andacht, bei der ein Trompetensolo geblasen wird, Tränen in den Augen: Der 49Jährige war Mitglied der Schicht, die auch am Sonntag im Dienst ist und mit ihren Einsatzfahrzeugen für die kurze Andacht aus der Feuerwache ausrückt.
Man trauere um einen Kollegen, sei in Gedanken aber vor allem bei der Familie, so Graber. Das sei die eigentliche Tragödie, unabhängig vom Beruf des Opfers. Feuerwehrleute beschreiben den Kollegen als „tollen, ruhigen Typen“. Der Feuerwehrmann aus dem Landkreis Augsburg hinterlässt neben seiner Ehefrau, die die Tat mit ansehen musste, eine 19jährige Tochter.
Der Tod des Mannes, der mit seiner Frau und einem weiteren Ehepaar wohl zur falschen Zeit am falschen Ort war, hat in der Stadt große Bestürzung ausgelöst. Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) sagt, die Tat, die sich „mitten unter uns am Königsplatz“zugetragen hat, mache fassungslos.
Die beiden befreundeten Ehepaare waren am Freitagabend vom Christkindlesmarkt gekommen und dann in einem Restaurant gewesen. Nach den bisherigen Ermittlungen waren die Ehepaare danach am Königsplatz mit einer siebenköpfigen Gruppe junger Männer beziehungsweise Jugendlicher in Streit geraten.
Gerüchte, wonach die beiden Männer die Jugendlichen zur Rede gestellt haben sollen, weil sie laut waren, bestätigte die Polizei zunächst nicht. Die beiden Ehemänner wurden im Streit gegen den Kopf geschlagen. Obwohl alarmierte Streifenpolizisten sofort Erste Hilfe leiteten, starb der 49Jährige rund 50 Minuten nach dem verhängnisvollen Schlag noch vor Ort im Notarztwagen. Sein 50 Jahre alter Freund wurde massiv im Gesicht verletzt. Die Ehefrauen blieben körperlich unversehrt. Wegen des Schocks konnte die Frau des getöteten Feuerwehrmannes bisher nicht befragt werden.
Die Gruppe mit den Tätern soll nach den Schlägen vom Tatort in Richtung des Hauptbahnhofs gelaufen sein. Der Königsplatz, genannt „Kö“, wird täglich von Zehntausenden Menschen passiert. Es ist der zentrale Umsteigebahnhof für den Nahverkehr in Augsburg, hier treffen sich die Straßenbahnen aus den verschiedenen Richtungen.
Am Samstag wurde eine 20köpfige Ermittlungsgruppe gebildet. Diese sichtete insbesondere die Bilder von dem Platz aus der Tatnacht. Diese Videoaufnahmen sowie weitere Fahndungsmaßnahmen führten dann zu der Festnahme des mutmaßlichen Haupttäters. Es sei ein „17jähriger Augsburger mit mehreren Staatsangehörigkeiten“, berichtete die Polizei: deutsch, türkisch, libanesisch.
Der zweite Festgenommene sei ein ebenfalls 17 Jahre alter gebürtiger Augsburger mit südeuropäischer Staatsangehörigkeit. Es handele sich um „bereits polizeibekannte Jugendliche“. Die beiden sollen am Montag dem Haftrichter vorgeführt werden. Nach derzeitigem Ermittlungsstand geht die Polizei davon aus, dass nur der 17jährige Hauptverdächtige das Opfer geschlagen hat.
Ein dritter Tatverdächtiger, ein 19jähriger Augsburger, stellte sich am Nachmittag selbst der Polizei. Er erschien auf Anraten seines Verteidigers persönlich im Polizeipräsidium und wurde dort von der Kriminalpolizei vernommen. Ob er wie die beiden mutmaßlichen Haupttäter ebenfalls dem Haftrichter vorgeführt werden soll, war zunächst unklar. Die Polizei nahm im Laufe des Sonntags drei weitere Männer fest.
„Trauer macht mein Herz schwer“, schreibt Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU).
Die Tat löste bundesweit Entsetzen aus. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte: „Was mich wirklich aufgewühlt hat, ist, dass in Augsburg ein friedfertiger Bürger totgeschlagen wurde, schlichtweg totgeschlagen wurde. So etwas wühlt mich auf.“Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach den Angehörigen des Feuerwehrmanns sein Mitgefühl aus.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lobte die Augsburger Beamten: „Der schreckliche Angriff hat viele Menschen in Augsburg und weit darüber hinaus erschüttert. Umso wichtiger war der schnelle Fahndungserfolg der Augsburger Kriminalpolizei.“
Herrmann betonte die Bedeutung der Videoüberwachung bei den Festnahmen. „Die Bilder haben die Arbeit der Polizei deutlich erleichtert“, sagte der CSUPolitiker. Die Videoüberwachung am Königsplatz war im Zuge eines Landesprogramms erst im Dezember 2018 ausgeweitet worden. Seitdem überwache die Polizei mit 15 Kameras das Areal. Dort war der Tatort. „Wir haben das immer gefordert, und solche Fälle zeigen, dass sich die Forderung als richtig erwiesen hat“, sagte Herrmann.
Man wisse auch, dass es für Augenzeugen einer Straftat schwierig sei, Täter genau zu beschreiben, weshalb Videoaufnahmen für die Ermittlungen wichtig seien. Allerdings sei es richtig, den Einsatz auf bestimmte Punkte zu beschränken: „Wir wollen keine totale Überwachung, das gibt es nur in autoritären Staaten“, sagte Herrmann. Entscheidender sei es, bei der Frage anzusetzen, warum es zu solchen Gewaltexzessen im öffentlichen Raum komme.
Die Aufnahmen werden in Echtzeit auf Monitore übertragen, eine RundumdieUhrÜberwachung findet allerdings nicht statt. Die Aufzeichnungen werden, falls sie nicht benötigt werden, nach zwei Wochen gelöscht.
So viel Anteilnahme im Internet auch gezeigt wird, so viel wurde am Wochenende dort auch spekuliert. Die Stadt Augsburg postete deshalb den Hinweis: „Wir bitten darum, dass zu diesem Zeitpunkt keine Spekulationen, Unterstellungen und Vorverurteilungen ausgesprochen werden. Bitte diskutiert respektvoll, insbesondere im Andenken an den Verstorbenen. Wir lassen die Polizei ihre Arbeit machen und warten die Ermittlungen ab.“