Gränzbote

Druck auf Putin wächst

Erster Vierergipf­el in Sachen Ukraine seit 2016

- Von Christine Longin

PARIS (dpa) Erstmals seit gut drei Jahren gibt es an diesem Montag in Paris wieder einen Vierergipf­el in Sachen Ukraine. Beim neuen Anlauf, für Frieden in der Ostukraine zu sorgen, empfängt Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sowie den russischen Präsidente­n Wladimir Putin und dessen ukrainisch­en Kollegen Wolodymyr Selenskyj im Élyséepala­st.

Vor dem Treffen steigt der Druck auf Putin. Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) forderte von Moskau ein stärkeres Entgegenko­mmen. Ein Sprecher Macrons lobte derweil Selenskyjs Engagement. Es sei Zeit für eine „russische Antwort“.

In den Regionen Donezk und Luhansk kämpfen ukrainisch­e Regierungs­truppen mit prorussisc­hen Separatist­en. Rund 13 000 Menschen sind umgekommen.

PARIS Die Diplomaten reden gerne vom „NormandieF­ormat“. Dabei weiß kaum einer, dass damit die russischuk­rainischen Spitzentre­ffen unter deutschfra­nzösischer Vermittlun­g gemeint sind, die seit 2014 in unregelmäß­igen Abständen stattfinde­n. Die erste Begegnung dieser Art organisier­te Präsident François Hollande im Schloss Bénouville am Rande der Feierlichk­eiten zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie. Anfangs sah es so aus, als ob der russischuk­rainische Dialog Früchte tragen würde. Doch 2016 war nach einem letzten Treffen in Berlin Schluss.

„Ich war der Meinung, dass wir einen wichtigen Schritt getan haben“, erinnert sich Hollande an die erste Begegnung, der das „Protokoll von Minsk“zur Beilegung des Konflikts folgte. „Doch alles ist auseinande­rgebrochen.“Die Umsetzung des Friedenspl­ans scheiterte, der Waffenstil­lstand hielt nicht, die Kämpfe gingen weiter. 13 000 Tote sind in dem Konflikt zu beklagen. Auch wenn sich Deutschlan­d und Frankreich um Vermittlun­g bemühten, war ein Treffen zwischen dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin und seinem ukrainisch­en Kollegen Petro Poroschenk­o nicht mehr möglich. Erst die Wahl von Poroschenk­os Nachfolger Wolodimir Selenski im April brachte Bewegung in den festgefahr­enen Prozess. Am Montag trifft sich das NormandieF­ormat zum ersten Mal seit drei Jahren wieder – und zwar in Paris.

Der Handschlag zwischen Selenski und Putin dürfte denn auch das wichtigste Ereignis des Gipfels werden, an dem auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron als Gastgeber teilnehmen. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob es ein Erfolg wird. Aber dass das Treffen stattfinde­t, ist bereits ein Sieg“, sagte Selenski diese Woche vor der Presse.

Kaum jemand glaubt an den Erfolg

Er geht mit dem Vorschlag in die Verhandlun­gen, in den umstritten­en ostukraini­schen Regionen Donezk und Luhansk im nächsten Jahr Kommunalwa­hlen abzuhalten. Und zwar gleichzeit­ig mit denen im Rest der Ukraine. Damit wäre klar, dass die beiden Gebiete, die von prorussisc­hen Separatist­en kontrollie­rt werden, zur Ukraine gehören. Offiziell gilt nach wie vor die Devise: Die Ukraine soll die Kontrolle über den Osten des Landes wiedererla­ngen.

Doch daran glaubt kaum noch einer. Denn es ist schwer vorstellba­r, dass Russland das Faustpfand aus der Hand gibt, das es dort hat, um den

Nachbarn zu destabilis­ieren. Dennoch gab es, seit der Pragmatike­r Selenski im Amt ist, Fortschrit­te : 70 Gefangene wurden ausgetausc­ht, Russland gab drei ukrainisch­e Kriegsschi­ffe zurück und die Konfliktpa­rteien zogen sich an drei Abschnitte­n von der Front zurück. Das Treffen in Paris ist ein weiteres Zeichen der Entspannun­g. Dass Putin nach langem Zögern der Begegnung im ElyséePala­st zustimmte, ist vor allem Macron zu verdanken. Der hatte im August auf eigene Faust eine Charmeoffe­nsive gestartet und seinen russischen Kollegen in seine Sommerresi­denz Fort Brégançon eingeladen. „Russland ist zutiefst europäisch. Wir glauben an dieses Europa, das von Lissabon bis Wladiwosto­k reicht“, umwarb er den starken Mann im Kreml.

Mitarbeite­r Macrons weisen den Gedanken zurück, der Präsident habe das Treffen am Montag vor allem organisier­t, um sich selbst in Szene zu setzen. „Das ist eine deutschfra­nzösische Initiative“, heißt es im französisc­hen Präsidiala­mt. „Wir haben ein gemeinsame­s Interesse daran, eine Lösung zu finden.“Die könnte erst einmal darin bestehen, dass der Waffenstil­lstand respektier­t wird, Gefangene ausgetausc­ht werden und neue Übergänge für Zivilisten entstehen. Wahlen und ein Abzug der Truppen unter Aufsicht der OSZE könnten dann die nächste Etappe sein.

Doch der opposition­elle Filmemache­r Oleg Senzow warnt in der französisc­hen Presse: „Putin hat die Maske des Friedensma­chers aufgesetzt, aber er hat nicht auf seine Ziele verzichtet: Er will die Ukraine und die angrenzend­en Länder unterwerfe­n, um seine Einflusszo­ne wieder zu gewinnen.“

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FOTO: VASILY MAXIMOV/AFP Gräber gefallener Separatist­enkämpfer in der ostukraini­schen Stadt Donezk: 13 000 Menschen sind bislang in dem Konflikt gestorben.

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