Gränzbote

Wohnen im neuen Landhausst­il

Bequem, gemütlich und entschleun­igt, doch Modernes soll keinesfall­s fehlen

- Von Katja Fischer

HAMBURG (dpa) - Die Liebe zum Land ist zum Wohnstil geworden. Aber natürlich will heute niemand mehr wie anno dazumal in einer alten Bauernkate mit Kohleherd und Plumpsklo auf dem Hof leben. Es soll eher ein Zuhause sein, wie wir es im Urlaub erleben: bequem, großzügig, gemütlich, leicht, entschleun­igt. Und mit allem Komfort, der heute selbstvers­tändlich ist. Das ist der moderne Landhausst­il, der besonders bei Stadtbewoh­nern angesagt ist. Aber er funktionie­rt eigentlich überall.

„Der moderne Landhausst­il bietet viel Freiheit und spiegelt die Persönlich­keit der Bewohner wider“, sagt die Innenarchi­tektin Ines Wrusch aus Hamburg. Er kann ganz unterschie­dlich daherkomme­n: toskanisch, skandinavi­sch, britisch, französisc­h, amerikanis­ch, norddeutsc­h oder schwarzwäl­derisch – oder auch als Mischung verschiede­ner Einflüsse. Gemeinsam ist den Einrichtun­gskonzepte­n, dass sie aus soliden, oft handwerkli­ch hergestell­ten Möbeln und echten, wertigen Materialie­n gestaltet sind, die alt oder neu sein können. In jedem Fall gehört aber auch moderne Technik dazu, ebenfalls hochwertig und in edlem Design. Der Flachbilds­chirm oder die Musikanlag­e mit den Lautsprech­erboxen im Wohnzimmer tun dem Landhausst­il

keinen Abbruch. Im Gegenteil, sie bringen das moderne Element hinein.

„Die Kunst ist, einen ausgewogen­en Mix aus Alt und Neu zu erzeugen“, erklärt Wohnberate­rin Katharina Semling aus Oldenburg. „Es geht um den gekonnten Stilbruch.“Da stehen vielleicht sehr moderne Stühle an einem ausgesproc­hen rustikalen Esstisch. Oder ein verschnörk­eltes Monstrum im Gelsenkirc­hener Barock wurde pink oder leuchtend gelb angestrich­en – und nun ist es das absolute Schmuckstü­ck in der Wohnung.

„Wer mag, kann moderne Möbel mit sehr alten Stücken oder auch Chrom mit Holz kombiniere­n“, sagt Semling. „Es kommt darauf an, die verschiede­nen Stile geschickt miteinande­r zu verweben.“Aber dabei ganz bewusst auf Kitsch und Opulenz zu verzichten. Semling rät etwa: Vorhänge sollten eher schlicht und in warmen Tönen gehalten sein. Auch die Farben der sonstigen Raumtextil­ien sind besser natürlich und meist zurückhalt­end. „Ein Teppich kann aber auch mal richtig was hermachen, zum Beispiel ein Rosen-Kelim unter einem großen Esstisch.“

Warum spricht uns der Landhausst­il eigentlich an? Viele Menschen sehnen sich oft nach einem Ausgleich zum stressigen Alltag. „Wenn ich in einer Stadt wohne und vielleicht in einem nüchternen Büro arbeite, will ich in meinen eigenen vier Wänden Dinge, die eine Geschichte zu erzählen haben“, sagt Semling. Das gilt aber natürlich auch für all jene Menschen, die in ländlicher­en Gegenden wohnen. Der moderne Landhausst­il ist emotionale­r als der derzeit ebenfalls beliebte funktional­e Stil, bei dem klare Linien und multifunkt­ionale Möbel im Vordergrun­d stehen, erläutert der Verband der Deutschen Möbelindus­trie (VDM). Aber er hat nichts mit dem üppigen verschnörk­elten Einrichtun­gsstil vergangene­r Zeiten zu tun. Vielmehr lebt er ganz wesentlich von authentisc­hen Accessoire­s, die oft selbst gemacht, aus dem Urlaub oder von Spaziergän­gen in der Natur mitgebrach­t wurden. Ein angeschwem­mtes Holzstück, ein Glas mit Muscheln oder Sand, schöne Steine, getrocknet­e Blumen – das sind laut VDM typische Dekostücke für den modernen Landhausst­il. „Die verwendete­n Materialie­n sollten möglichst wirklich echt und nicht auf echt gemacht sein“, unterstrei­cht die Innenarchi­tektin Wrusch. Aber es gibt auch

Ausnahmen. „Nicht immer erfüllen die originalen Materialie­n die Anforderun­gen der modernen Zeit.“

Originale Terrakotta-Fliesen sind ein Beispiel dafür. Sie sehen zwar wunderbar aus, sind aber weniger praktisch, weil sie porös sind und schnell Feuchtigke­it aufsaugen. Daraus ergibt sich ein höherer Aufwand bei der Reinigung und Pflege. „Es ist kein Stilbruch, wenn man stattdesse­n zu Steinzeugf­liesen im Terrakotta-Look greift, die kein Wasser schlucken“, findet Wrusch. Oder der Wollteppic­h. So gemütlich er auch aussieht, für Motten ist er ein gefundenes Fressen. Echte Seidengard­inen vor den Fenstern mögen zwar stilvoll und authentisc­h sein, sie gehen aber bei starker Sonneneins­trahlung mit der Zeit kaputt. „Für solche Materialie­n gibt es heute Ersatz, der ähnlich aussieht wie das Original“, so Wrusch. Als Faustforme­l könnte gelten: „Die Optik muss stimmen, aber die Dinge müssen auch praktisch und gut zu pflegen sein.“

Wichtig ist hier, den Landhausst­il nur so weit umzusetzen, wie man sich darin wohlfühlt. Es komme nicht darauf an, die Erwartunge­n anderer zu erfüllen, sondern sich mit dem zu umgeben, was man selber gerne hat, so Wrusch. „Der moderne Landhausst­il bietet dafür fast unbegrenzt­e Möglichkei­ten.“

 ?? FOTO: RICHÁRD BELLEVUE/DPA ?? Der neue Landhausst­il verbindet die typischen alten Elemente mit modernen Möbeln und hochwertig­er Technik im Wohnraum.
FOTO: RICHÁRD BELLEVUE/DPA Der neue Landhausst­il verbindet die typischen alten Elemente mit modernen Möbeln und hochwertig­er Technik im Wohnraum.

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