Gränzbote

Maddie-Ermittler prüfen weitere Fälle

Kurz nach Maddie McCanns Verschwind­en ist der nun Tatverdäch­tige in Portugal folgenlos überprüft worden

- Von Ralph Schulze

KÖLN (AFP) - Im Fall des vor 13 Jahren verschwund­enen Mädchens Madeleine „Maddie“McCann prüfen die Ermittler offenbar Zusammenhä­nge zu weiteren Fällen verschwund­ener Kinder. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“berichtet, geht die Polizei Hinweisen nach, wonach der heute 43-jährige Tatverdäch­tige auch für die Entführung des damals sechsjähri­gen René Hasee in einem portugiesi­schen Badeort im Jahr 1996 verantwort­lich sein könnte. Der „Spiegel“berichtet, dass die Ermittler auch einen Zusammenha­ng zum Fall Inga aus Sachsen-Anhalt sehen. Die Fünfjährig­e war vor fünf Jahren im Landkreis Stendal verschwund­en. Der Verdächtig­e könnte sich in der Nähe aufgehalte­n haben.

Den entscheide­nden Hinweis bekam die Polizei möglicherw­eise von einem deutschen Zechkumpan Christian B.s – des Hauptverdä­chtigen im Fall Madeleine McCann. Wie portugiesi­sche und britische Medien berichten, hatte sich der heute 43-jährige B. offenbar am

3. Mai 2017, genau zehn Jahre nach dem Verschwind­en Madeleines in Portugal, mit einem Bekannten in einer Braunschwe­iger Kneipe getroffen. Als dort dann Bilder Maddies und ein Suchaufruf über den TV-Schirm flimmerten, soll B. damit geprahlt haben, „alles über den Fall zu wissen“. Zudem soll B. dem Bekannten Handyvideo­s mit Vergewalti­gungsszene­n gezeigt haben. Daraufhin habe dieser Zeuge die deutsche Polizei informiert.

Nach Informatio­nen der portugiesi­schen Zeitung „Correio da Manhã“spielte Christian B. in der Gaststätte zwei Videos ab. Der erste Kurzfilm, über den auch mehrere britische Medien unter Berufung auf die englische Polizeibeh­örde Scotland Yard berichten, soll die Vergewalti­gung einer älteren Frau gezeigt haben. Bei dem Opfer handele es sich offenbar um jene 72-jährige Amerikaner­in, die am

2. September 2005 in Maddies portugiesi­schem Urlaubsort Praia da Luz brutal missbrauch­t wurde. Wie es heißt, führte dieses Video die Ermittler auf die Spur von Christian B., der im Ende 2019 vom Landgerich­t Braunschwe­ig für diese Tat zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig, die Revision liegt beim Bundesgeri­chtshof.

Auf einem weiteren Video sei der Missbrauch eines Kindes zu sehen, berichtet „Correio da Manhã“. Dabei ist nicht bekannt, ob es sich bei diesem Opfer um Madeleine oder ein anderes Kind handelt. Christian B. wurde bereits zweimal wegen Kindesmiss­brauchs verurteilt. Das erste Mal 1994, das zweite Mal 2016. Die Ermittler schließen nicht aus, dass B. für weitere Sexual- und Gewalttate­n verantwort­lich ist. Etwa für das Verschwind­en der fünfjährig­en Inga aus Schönebeck, die seit dem 2. Mai 2015 in Sachsen-Anhalt vermisst wird. Dort wird nun ebenfalls von der Staatsanwa­ltschaft geprüft, ob Christian B. verwickelt ist. Auch im Fall des damals sechsjähri­gen René aus Elsdorf bei Bergheim – er verschwand 1996 an einem Strand der Algarve – geht die Polizei Hinweisen auf eine mögliche Tatbeteili­gung B.s nach.

Das deutsche Bundeskrim­inalamt (BKA) ist sich ziemlich sicher, dass es sich bei B. um den Verantwort­lichen im Fall Madeleine handelt, die am 3. Mai 2007 im portugiesi­schen Badeort Praia da Luz spurlos verschwand. „Die Informatio­nen, die wir gewinnen konnten, führen uns zu der Überzeugun­g, dass es sich um den Täter handeln könnte“, sagt BKA-Ermittler Christian Hoppe. „Sexueller Missbrauch ist ein mögliches Motiv.“Hoppe geht davon aus, dass Madeleine nicht mehr lebt. Der Verdächtig­e hatte sich, so ergaben B.s Handydaten, zum Tatzeitpun­kt in Praia da Luz aufgehalte­n. Von 1995 bis 2007 wohnte er in der Nähe des Urlaubsort­es, wo er sich mit Gelegenhei­tsarbeiten, Einbrüchen in Ferienwohn­ungen und Drogengesc­häften über Wasser hielt. Kurz nach

Madeleines Verschwind­en kehrte er nach Deutschlan­d zurück.

Für eine Anklage B.s im Fall Madeleine fehlt noch der entscheide­nde Beweis. Deswegen rief das BKA die Bevölkerun­g

zur Mithilfe auf. In der Hoffnung, dass sich noch weitere Zeugen melden könnten, denen sich B. in der Vergangenh­eit anvertraut­e. Oder die in Portugal oder auch in Deutschlan­d Opfer des mutmaßlich­en Serientäte­rs wurden. BKA-Fahnder Hoppe: „Wir schließen nicht aus, dass es weitere Opfer von Vergewalti­gungen und sexuellen Übergriffe­n gibt.“

Derweil berichtet die portugiesi­sche Zeitung „Diário de Notícia“, dass Portugals früherem Chefermitt­ler Gonçalo Amaral im Fall Madeleine eine folgenschw­ere Panne unterlaufe­n sei. Er habe Christian B. nach dem Verschwind­en Maddies überprüft, den damals 30-Jährigen dann aber von der Liste der Verdächtig­en gestrichen. Stattdesse­n beschuldig­te Amaral damals Madeleines Eltern, Kate und Gerry McCann, in den Fall verwickelt zu sein. Amaral wurde wenig später vom Dienst suspendier­t und in den Ruhestand geschickt.

 ??  ??
 ?? FOTO: STR/BKA/AFP ?? Hier soll der Verdächtig­e im Fall Maddie gelebt haben, wenn er sich – bis 2007 – in Portugal aufhielt.
FOTO: STR/BKA/AFP Hier soll der Verdächtig­e im Fall Maddie gelebt haben, wenn er sich – bis 2007 – in Portugal aufhielt.
 ?? FOTO: UNCREDITED/DPA ?? Maddie McCann lächelt auf einem undatierte­n Foto.
FOTO: UNCREDITED/DPA Maddie McCann lächelt auf einem undatierte­n Foto.

Newspapers in German

Newspapers from Germany