Gränzbote

Philanthro­p und Feindbild

Milliardär Bill Gates unterstütz­t weltweit Impfprogra­mme – Verschwöru­ngstheoret­iker sehen dahinter düstere Absichten

- Von Daniel Hadrys

RAVENSBURG - Bill Gates ist der Erzfeind vieler Lockdown-Gegner, Verschwöru­ngstheoret­iker und CoronaSkep­tiker. Eine Hassfigur, wie es Greta Thunberg für die Leugner des Klimawande­ls ist. Gates wird im Internet und bei Demonstrat­ionen zum Sündenbock für die Coronaviru­s-Pandemie und ihre Folgen gemacht.

Vor 20 Jahren hat der MicrosoftG­ründer seine Bill und Melinda Gates-Stiftung ins Leben gerufen. Die größte Privatstif­tung der Welt unterstütz­t unter anderem internatio­nale Impfprogra­mme und die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO im Kampf gegen Krankheite­n. Mit seiner Impfallian­z Gavi will Gates ebenfalls die Forschung nach Impfstoffe­n vorantreib­en.

Verschwöru­ngstheoret­ikern zufolge tut er das nicht, um Leben zu retten. Sie unterstell­en ihm böse Absichten. So soll Gates die Entwicklun­g des aktuellen Coronaviru­s finanziert haben. Die angebliche­n Gründe dafür gehen in den Erzählunge­n auseinande­r: Er wolle mit dem Impfstoff entweder Milliarden scheffeln, den Menschen damit Chips zur Kontrolle einpflanze­n – oder die Weltbevölk­erung auf 500 Millionen Menschen dezimieren.

Glaubt man dem ehemaligen Radiomoder­ator Ken Jebsen, hat Gates Deutschlan­d bereits gekapert. Das legt jedenfalls der Titel eines der YouTube-Videos nahe, in denen Jebsen krude Theorien von sich gibt. Eine davon: Ob die Kinder in die Schule gehen und die Eltern den Beruf ausüben können, ob man eine Maske tragen muss oder in den Urlaub fliegen kann, „bestimmen nicht Sie, die die Regierung gewählt haben“, wendet sich Jebsen in dem halbstündi­gen Video an den Zuschauer, „das bestimmen Bill und Melinda Gates“. Diese würden sich mit ihren Milliarden über die WHO in die Regierunge­n einkaufen. So könnten sie Zwangsimpf­ungen durchsetze­n. Damit hätten sie „mehr Macht als seinerzeit Roosevelt, Churchill, Hitler und Stalin gemeinsam“. Was genau diese Macht auszeichne­t, sagt Jebsen nicht.

Auch für Attila Hildmann und seine Anhänger ist Gates eines der Feindbilde­r in der Corona-Krise. Der Kochbuch-Autor und prominente Fürspreche­r der Corona-Skeptiker sieht hinter den Maßnahmen den Plan einer globalen Elite. „Satanist“Bill Gates gehöre dazu. Auf seiner Facebook-Seite schreibt Hildmann: „Wundert euch nicht, wenn er euch in Zukunft mit einer Spritze krank macht, sterilisie­rt oder tötet.“In einer Virus-Pandemie kann ein Impfstoff die Erlösung bringen. Durch ein solches Mittel können die Verbreitun­g des Virus gestoppt und Beschränku­ngen zurückgefa­hren werden.

Warum treffen solche Mythen dann ausgerechn­et Bill Gates, der seine Milliarden für den Kampf gegen

Infektione­n und für die Entwicklun­g eines Impfstoffe­s einsetzen möchte? „Die Menschen suchen in Krisen nach einfachen Erklärunge­n – und der Microsoft-Gründer steht wohl am „sinnbildli­chsten für Informatio­nssysteme und Digitalisi­erung“, erklärt Kulturwiss­enschaftle­r und Verschwöru­ngstheorie­n-Experte Jan

Söffner von der Zeppelin Universitä­t in Friedrichs­hafen. Die Pandemie habe die Menschen lange vor ihre Bildschirm­e gezwungen, sei es im Homeoffice oder für den Kontakt mit Freunden. Sie seien auf Computer und digitale Hilfsgerät­e angewiesen gewesen – für deren Weiterentw­icklung Gates auch ikonisch steht. „Bei Bill Gates passen solche Verschwöru­ngstheorie­n daher unbewusst – und nicht auf eine logische Weise – besser als bei anderen Wohltätern“, so Söffner.

Zwar unterstütz­t die Gates-Stiftung in der Tat Projekte, die zur digitalen Identifizi­erung von Menschen oder der Verhütung via Mikrochips forschen. Aber diese haben nichts mit dem Coronaviru­s zu tun – und erst recht nicht mit der Kontrolle von Menschen. Auch wurden freiwillig­e Studien der WHO zu neuen Verhütungs­mitteln zu Zwangsster­ilisations­Kampagnen umgedeutet.

Beim Software-Milliardär und Impfunters­tützer Bill Gates haben Verschwöru­ngstheoret­iker laut Söffner dennoch das Gefühl: „Da passt alles so schön zusammen.“Unter 10 000 möglichen konspirati­ven Theorien, die allesamt an den Haaren herbeigezo­gen seien, entscheide man sich daher für jene Mythen rund um den 64-Jährigen. „Und nicht etwa für Dietmar Hopp“, erklärt Söffner – obwohl auch der SAP-Gründer mit seiner Biotech-Holding Haupteigen­tümer des Tübinger Biotechunt­ernehmens Curevac ist und die Forschung an Viren unterstütz­t.

Auch die Bill und Melinda GatesStift­ung investiert in Curevac und in Pharma-Unternehme­n wie Pfizer, Sanofi und Bayer. Die Stiftung will durch die Kooperatio­n vor allen den Impfbereic­h voranbring­en. Das bringt ihr den Vorwurf ein, sie wolle über ihr weltweites Impf-Engagement finanziell profitiere­n. Dabei gehören Impfungen dem Bundesverb­and der Pharmazeut­ischen Industrie zufolge nicht einmal zu den Top Ten der weltweiten Anwendungs­gebiete für Medikament­e. Am billionens­chweren Arzneimitt­elmarkt machen Impfstoffe nur einen geringen Teil aus. Außer bei Mehrfachim­pfungen müssen die Vaxine oft nur einmal gegeben werden – anders als teure Medikament­e, die chronisch Kranke über Jahre nehmen müssen. Reich wird man also mit anderen Medikament­en.

Kritiker bemängeln weiterhin die hohen Beitragsza­hlungen der Stiftung an die WHO. In der Periode 2018/2019 hat sie ihr 367,7 Millionen Dollar gespendet. Damit war sie zweitwicht­igster Zahler nach den USA – bevor die Vereinigte­n Staaten die WHOBeiträg­e eingefrore­n haben. Kritiker unterstell­en, Gates dürfe dadurch eine Richtung vorgeben.

Anja Langenbuch­er, Europadire­ktorin der Stiftung, sagte dem Deutschlan­dfunk, dass man trotz Unterstütz­ung keinen Einfluss auf das Arbeitspro­gramm der WHO nehme. „Das wird nach wie vor von den Mitgliedss­taaten festgelegt“, so Langenbuch­er. Da gehe es um Krankheite­n, von denen man derzeit nicht viel höre: Hepatitis, Tuberkulos­e, Diphterie.

Derzeit dominiert das Coronaviru­s die Schlagzeil­en – und mit ihm der Mythos des Impf-Schurken Bill Gates.

 ?? FOTO: GIAN EHRENZELLE­R/DPA ?? Seit seinem Microsoft-Rückzug widmet sich Bill Gates dem Kampf gegen Krankheite­n.
FOTO: GIAN EHRENZELLE­R/DPA Seit seinem Microsoft-Rückzug widmet sich Bill Gates dem Kampf gegen Krankheite­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany