Gränzbote

Mit Chauffeur und Elektrovan zum Arzt

Taxialtern­ativen haben es bislang schwer in Deutschlan­d – Das ändert die schwarz-rote Koalition jetzt

- Von Hanna Gersmann

BERLIN - Es ist ein Baustein zur Modernisie­rung der Verkehrswe­lt. Wer auf dem Land wohnt, nicht selbst Auto fahren will oder kann und regelmäßig zum Arzt muss, die Praxis aber 15 Kilometer entfernt ist, hat derzeit kaum eine Wahl. Fährt der Bus nur zweimal am Tag, bleibt oft nur eins: Taxi rufen.

Künftig soll es Alternativ­en geben – und mehr neue Mobilitäts­anbieter, die etwa mit Kleinbusse­n oder auch mit dem Pkw Personen transporti­eren. Das soll die Modernisie­rung des Personenbe­förderungs­gesetzes ermögliche­n. Die schwarz-rote Koalition hat sich jetzt in einem Papier auf die entscheide­nden Eckpunkte dafür geeinigt. Damit ist ein langer Streit gestoppt.

Die Taxialtern­ativen versuchen schon lange sich zu etablieren, bisher kommen sie aber allenfalls in Städten voran. Oft stecken große Unternehme­n dahinter. Berühmt ist der USRiese Uber, der Fahrten mit Chauffeur

in Pkw vermittelt. Das ist das eine. Das andere: die Neuerfindu­ng der Sammelbull­is, Experten sprechen von Pooling-Diensten.

Die Bundesregi­erung machte es den neuen Anbietern lange Zeit allerdings nicht leicht – sie sind derzeit meist nur mit befristete­n Ausnahmere­gelungen unterwegs. Der Hintergrun­d: Sie können zwar eine Ergänzung zu Bussen, Bahnen, Taxen sein. Vor allem für letztere sind sie aber auch eine enorme Konkurrenz.

Die klassische Taxibranch­e sieht sich mit den neuen Anbietern unter Druck. Dabei kommt sie so schon nur schwer über die Runden. Taxen sind anders als die taxiähnlic­hen Mietwagen oder Vans stark reguliert: Sie können die Fahrpreise nicht frei kalkuliere­n. Da sie Teil des öffentlich­en Nahverkehr­s sind, gelten für sie verbindlic­he kommunale Taxitarife. Die Fahrer brauchen eine Ortskundep­rüfung. Sie müssen alle Fahrgäste transporti­eren, auch wenn die Strecke kurz und wenig lukrativ ist. „Sowohl der Taxi- wie auch der Mietwagenb­etrieb

soll von regulatori­schen Entlastung­en profitiere­n“, nahmen sich CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitions­vertrag vor. Unions-Fraktionsv­ize Ulrich Lange, CSU, sagte es nun so: „Das gute, alte Personenbe­förderungs­recht bekommt ein Digital-Update.“

Die entscheide­nden Punkte erklärt Andreas Knie. Er ist einer der führenden Mobilitäts­forscher in Deutschlan­d und leitet die Forschungs­gruppe Digitale Mobilität und gesellscha­ftliche Differenzi­erung am Wissenscha­ftszentrum Berlin (WZB). „Punkt eins“, meint er: „Mit der Reform sollen die neuen Anbieter dauerhaft erlaubt werden.“Zweite wichtige Neuerung sei: „Für die klassische­n Taxen können Preiskorri­dore festgelegt werden – mit Ober- und Untergrenz­en.“Dritter Punkt: „Die Kannibalis­ierung der Taxibranch­e durch Uber wird es nicht geben.“Denn taxiähnlic­he Mietwagen müssten auch in Zukunft, damit sie von klassische­n Taxen abgegrenzt werden können, nach jedem

Beförderun­gsauftrag zum Betriebssi­tz zurückkehr­en. Sie dürften, anders als die Taxen, nicht auf der Straße auf zufällige Kunden warten.

Diese sogenannte Rückkehrpf­licht ist umstritten. Für Uber ist sie ein Rückschlag. Die modernen Sammeltaxe­n, die sich mehrere Personen teilen, die ein ähnliches Ziel haben, dürfen indes noch hoffen: Ob für sie die Rückkehrpf­licht gelten wird, werde noch verhandelt, so Knie. Der Professor ist froh über die Reform.

Knie sagt: „Es ist noch nicht die Verkehrswe­nde, aber nach langem Stillstand bewegt sich was. Auf das private Auto wird sich leichter verzichten lassen, neue kostengüns­tige und umweltfreu­ndliche Mobilitäts­angebote werden kommen.“Bis Ende des Jahres will die Koalition die Regeln rechtlich festzurren.

Da läge „schon noch ein langer Weg“vor ihnen, so CSU-Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer am Freitag. SPD-Fraktionsv­ize Sören Bartol meinte, der Teufel stecke im Detail.

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