Gränzbote

Ein Großkapita­list als Dax-Aufsteiger

Die Deutsche Wohnen bietet Tausenden Mietern ein Dach über dem Kopf – steht aber auch in der Kritik

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Das wirtschaft­sschwache Berlin hat wieder ein Dax-Unternehme­n. Nachdem die Lufthansa mangels Börsenwert aus der Top-Liga der deutschen Aktiengese­llschaften abgestiege­n ist, konnte die Deutsche Wohnen AG nachrücken. Unterkünft­e zu vermieten bringt eben derzeit mehr Geld ein, als Leute durch die Gegend zu fliegen.

Neben der etwa doppelt so großen Vonovia befindet sich damit nun eine zweite Immobilien­firma im Dax. Die Deutsche Wohnen vermietet 164 400 Einheiten mit Schwerpunk­ten in Berlin und Rhein-Main. Wie viele andere moderne Unternehme­n auch, ist sie durch Fusionen auf ihre heutige Größe angeschwol­len. Die Ursprünge des ältesten Firmenteil­s gehen auf das Jahr 1924 zurück. Er wurde in Berlin als gemeinnütz­ige Hausbau-Gesellscha­ft „Gehag“gegründet, um die Wohnungsno­t zu lindern. Nach dem Zweiten Weltkrieg half sie, im zerstörten Berlin

rasch wieder Mietshäuse­r zu bauen. Trotz des urigen, offiziell klingenden Namens tritt das Unternehme­n heute jedoch rein gewinnorie­ntiert auf.

Der auffällige Name ist auch nicht etwa Liebesbeke­nntnis zur Nation, sondern liegt an der Firmengesc­hichte. Es war die Deutsche Bank, die die heute dominieren­de Vorläuferf­irma 1998 als Tochterges­ellschaft gegründet hat. Wie bei anderen ihrer Gründungen jener Jahre hat sie das „Deutsche“als Markenbest­andteil davorgeset­zt. Der Name ist also eher mit „Deutsche Securities“oder „Deutsche Networks Services“vergleichb­ar.

Das richtig schnelle Wachstum hat die Deutsche Wohnen jedoch erst hingelegt, nachdem die Bank sich von ihrer Tochter getrennt hat.

Im Jahr 1999 wurde sie an die Börse entlassen – damals mit einer vergleichs­weise bescheiden­en Bewertung. Im Jahr 2007 wurde dann Michael Zahn zu ihrem Chef. Zahn kam von der Gehag – und brachte den Willen zur Expansion mit. Er verdreifac­hte den Wohnungsbe­stand genau in der Zeit, in der die Preise weltweit enorm anzogen. Damit trug er zur Steigerung des Firmenwert­s bei. So kommt man in den Dax.

Doch das Unternehme­n ist auch umstritten. Der Zuzug in die Städte führte zu hoher Nachfrage, während die Kaufpreise für neue Objekte stiegen. Nach reiner Marktlogik verlangte das höhere Mieten. Das ergibt sich einerseits aus Angebot und Nachfrage, anderersei­ts aus dem Renditever­sprechen an die Investoren. Doch Wohnen ist nicht irgendein Wirtschaft­sgut. Jeder braucht eine Bleibe, daher war die Debatte schnell gesellscha­ftlich und politisch aufgeladen. In Berlin kam sogar die Forderung nach einer Verstaatli­chung auf. Zahn tat diese Idee als „irre“ab, doch mit zunehmende­r Diskussion über Enteignung­en zeigt sich nun auch die Deutsche Wohnen sozialer. Sie verspricht stabilere Mieten. Wegen des Mietendeck­els muss die Gesellscha­ft in der Hauptstadt sogar Tausende Mieten senken.

Ob der Aufstieg in den Dax die kapitalist­ischen Instinkte nun wieder mehr befeuert, wie der Deutsche Mieterbund befürchtet, oder ob die gesteigert­e öffentlich­e Rolle nun zu noch mehr Entgegenko­mmen zwingt, wird sich zeigen. Fest steht, dass weiter der Wunsch nach Wachstum und Renditeste­igerung da ist.

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