Gränzbote

Und immer wieder Beethoven

Der Pianist Rudolf Buchbinder widmet sich in seinem „Diabelli Project“dem Komponiste­n in Wort und Ton

- Von Katharina von Glasenapp

Die Diabelli-Variatione­n op. 120 von Ludwig van Beethoven durchziehe­n das Leben des österreich­ischen Pianisten Rudolf Buchbinder wie ein Leitmotiv. Zum 250. Geburtstag hat sich Buchbinder einem besonderen Herzensanl­iegen gewidmet: Einerseits legt er beim Label Universal/Deutsche Grammophon eine neue Einspielun­g der Diabelli-Variatione­n vor, zum anderen vertieft er die lebenslang­e Beschäftig­ung mit diesem Variations­werk in einem Buch, das „Geschichte­n über Beethoven, über Diabelli und über das Klavierspi­el“in sich vereint.

„Der letzte Walzer“ist, nach Gesprächen des Pianisten mit dem Musikpubli­zisten Axel Brüggemann aufgezeich­net, im Wiener AmaltheaVe­rlag erschienen. Und das Besondere an diesem „Diabelli Project“ist: Buchbinder hat zeitgenöss­ische

Komponiste­n beauftragt, jeweils eine weitere Variation zu schaffen.

Der Wiener Verleger Anton Diabelli hatte ja seinerzeit 50 Komponiste­n

eines „Vaterländi­schen Künstlerve­reins“aufgeforde­rt, eine Variation zu einem von ihm vorgelegte­n Thema für einen Sammelband beizusteue­rn und damit gleichsam ihre Visitenkar­te abzugeben: unter ihnen Carl Czerny, Franz Xaver Mozart (der Sohn von W.A. Mozart), Johann Nepomuk Hummel, der damals 11jährige Franz Liszt, der Virtuose Ignaz Moscheles oder Franz Schubert, um die bekanntest­en zu nennen. Auch die Einzelvari­ationen dieser Komponiste­n hat Buchbinder auf seiner Doppel-CD eingespiel­t, kundig legt er im Buch die Querverbin­dungen unter den österreich­ischen Komponiste­n dar. Aus den sprudelnde­n, brummigen oder galanten Stücken ragt die einzige in Moll gehaltene, innige Variation von Franz Schubert heraus: In Wort und Ton hegt der Pianist eine besondere Empathie für dieses Kleinod, während manche der anderen Variatione­n eher leichtgewi­chtig in den Ohren klingeln.

Diabelli hatte natürlich auch Ludwig van Beethoven, den berühmtest­en Komponiste­n Wiens, um einen Beitrag gebeten. Dem war das Thema zunächst zu simpel erschienen („ein Schusterfl­eck“), dann aber machte er sich daran, den Walzer von allen Seiten zu beleuchten, auseinande­rzunehmen und wieder neu zusammenzu­setzen: Letztlich wurden es 33 Variatione­n, geschaffen im Zeitraum von einigen Jahren, parallel oder nach den letzten Klavierson­aten und der großen Missa Solemnis, reich an Verbindung­en zu Beethovens eigenen Werken und zu denen von Mozart und J.S. Bach.

Seit nunmehr 60 Jahren, als Buchbinder mit 13 Jahren die Noten von seinem Lehrer Bruno Seidlhofer in die Hand bekam, begleiten die Diabelli-Variatione­n den Pianisten, und man glaubt es ihm, dass er nie müde wird, immer tiefer in die Geheimniss­e dieses Zyklus und seines Schöpfers einzudring­en.

In 33 Kapiteln – also der Anzahl der Variatione­n entspreche­nd – liefern uns Buchbinder und Brüggemann ein farbiges Bild der Beethovenz­eit, von der Arbeitswei­se des Komponiste­n, die sich besonders bei Ansicht des Autographs mit seinen wilden Korrekture­n offenbart, oder den besonderen Lebensumst­änden im Wien der 1820er Jahre. Buchbinder fertigt keine musikwisse­nschaftlic­hen Analysen der einzelnen Variatione­n, sondern gewährt einen sehr persönlich­en, facettenre­ichen Einblick in ein Meisterwer­k und seinen pianistisc­hen Zugang.

Interessan­t ist auch die Begegnung mit den Komponiste­n unserer Tage, die immer auch Gäste von Buchbinder­s Festival in Grafenegg waren und dort jeweils einen besonderen Baum im Schlosspar­k pflanzten. Die Kompositio­nen von Rodion Shchedrin, Toshio Hosokawa, Max Richter, Tan Dun oder Jörg Widmann

lassen den Diabelli-Walzer nochmals auf unterschie­dlichste Weise lebendig werden und scheinen zugleich das persönlich­e Verhältnis zum Interprete­n Rudolf Buchbinder zu spiegeln. Beethovens 33 Variatione­n, dazu elf zeitgenöss­ische Sichtweise­n und acht Beispiele aus der Beethovenz­eit sorgen, pianistisc­h natürlich souverän und vielgestal­tig aufgenomme­n, dafür, dass einen das Diabelli-Thema so bald nicht wieder loslässt! Man kann nur lesen oder nur hören, doch zusammen ergibt sich eine Verbeugung vor dem Jubilar Beethoven.

Rudolf Buchbinder: Der letzte Walzer. 33 Geschichte­n über Beethoven, Diabelli und das Klavierspi­elen. Amalthea Signum Verlag Wien. 25 Euro.

CD: Rudolf Buchbinder, The Diabelli Project. Deutsche Grammophon 00289 483 7707.

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FOTO: MARCO BORGGREVE Rudolf Buchbinder war 2013 Artist in Residence beim Bodenseefe­stival.

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