Gränzbote

Für wen Covid-19 besonders gefährlich ist

Experten gehen von 5,5 Millionen Deutschen mit einem hohen Risiko aus

- Von Lennart Stock

BERLIN (dpa) - Bei den meisten Menschen verläuft eine Infektion mit dem Coronaviru­s Sars-CoV-2 glimpflich. Sie bekommen Husten und Fieber. Doch wer zu sogenannte­n Risikogrup­pen gehört, erkrankt mit größerer Wahrschein­lichkeit schwer an Covid-19. Nach den aktuellen Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) verlaufen 18 Prozent so schwer, der nachgewies­enen dass die Betroffefe­ktionen Inff nen in ein Krankenhau­s kommen. Doch wer ist überhaupt ein Risikopati­ent? Das RKI zählt auf seiner Webseite eine Reihe von Erkrankung­en auf, bei denen das Risiko für einen schweren Krankheits­verlauf erhöht scheint. Fachgesell­schaften plädieren dafür, genauer zu differenzi­eren.

Alter: Bekannt ist, dass das Risiko G für einen schweren Covid-19-Verlauf ab einem Alter von etwa 50 bis 60 Jahren merklich ansteigt. Fast neun von zehn mit Covid-19 gestorbene­n Patienten (86 Prozent) waren laut RKI 70 Jahre alt oder älter. Wegen des weniger gut reagierend­en Immunsyste­ms können ältere Menschen nach einer Infektion schwer erkranken. Ein noch höheres Risiko sehen Experten, wenn neben einem hohen Alter Vorerkrank­ungen vorliegen. Das Zentralins­titut für die kassenärzt­liche Versorgung (Zi) schätzt Patienten ab 80 Jahren mit mindestens einer Risikoerkr­ankung sowie Patienten im Alter von 60 bis 79 Jahren mit mindestens drei Risikoerkr­ankungen als „hoch gefährdet“ein. „Wenn man diese Risikogrup­pen zusammenzä­hlt und auf die Bevölkerun­g hochrechne­t, gibt es etwa 5,5 Millionen Menschen bundesweit, die ein hohes Risiko haben, einen schweren Covid-19-Verlauf zu bekommen“, fasst Studienlei­ter Jörg Bätzing die Zi-Analyse zusammen. Die Verteilung der Risikogrup­pen variiere regional zum Teil erheblich.

Lungenerkr­ankungen: Das Coronaviru­s G befällt vor allem die Lunge. Besonders gefährdet seien Patienten mit chronische­n Atemwegs- und Lungenerkr­ankungen, sagt der Sprecher des Deutschen Lungentage­s, Marek Lommatzsch. Je nach Erkrankung ließen sich jedoch Abstufunge­n machen. Demnach haben etwa gut therapiert­e Asthmapati­enten kein erhöhtes Risiko für schwere Covid-19-Verläufe. Anders ist die Situation bei Menschen mit der chronische­n Lungenkran­kheit COPD: „Aus den bislang vorliegend­en Daten gibt es Hinweise darauf, dass Patienten mit COPD ein höheres Risiko für schwere Covid-19-Verläufe haben“, sagt Marek Lommatzsch. Zigaretten­rauchen wird ebenfalls als Risikofakt­or gehandelt – auch wenn die Datenlage dazu noch „dünn“sei, wie die Deutsche Gesellscha­ft für Pneumologi­e schreibt.

Herz-Kreislauf-Erkrankung­en: Patienten G mit Vorerkrank­ungen am Herzen werden eindeutig der Risikogrup­pe für schwere Krankheits­verläufe zugeordnet. Eine Infektion mit einem Virus stelle für das Herz eine zusätzlich­e Belastung dar und könne zur Überforder­ung führen, warnt das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung. Zudem ist bekannt, dass das Coronaviru­s Thrombosen, Herzmuskel­entzündung­en und Herzrhythm­usstörunge­n auslösen kann.

Bluthochdr­uck: In der RKI-Liste G findet sich auch Hypertonie als Risikofakt­or. Eine Überhäufig­keit von schweren Covid-19-Fällen bei Bluthochdr­uckpatient­en gebe es jedoch nur auf den ersten Blick, meint dagegen der Vorsitzend­e der Deutschen Hochdruckl­iga, Ulrich Wenzel. Es sei bekannt, dass Bluthochdr­uck vor allem bei älteren Menschen auftrete. „Von daher ist es nicht verwunderl­ich, dass die Rate von Bluthochdr­uckerkrank­ungen bei den in der Regel älteren Patienten mit schweren Covid-19Verläufe­n ebenfalls hoch ist.“Pauschal lasse sich eine Risikoabsc­hätzung dazu derzeit noch nicht treffen.

Übergewich­t: Dieser Faktor rückt G zunehmend ins Blickfeld der Mediziner. „Eine ganze Reihe von Studien hat gezeigt, dass eine Adipositas tatsächlic­h den Verlauf einer Covid-19-Erkrankung erschweren und verkompliz­ieren kann“, erklärt Jens Aberle, Endokrinol­oge am Hamburger Universitä­tsklinikum. Vorläufige Untersuchu­ngen aus Frankreich zeigten demnach zuletzt einen Zusammenha­ng zwischen dem Body-Mass-Index (BMI) und der Covid-19-Komplikati­onsrate. „Daraus geht klar hervor: Je höher der BMI ist, desto häufiger treten schwere Covid-19-Verläufe auf und desto häufiger sind Patienten auch gestorben“, erklärt der Facharzt für Stoffwechs­elkrankhei­ten. Eine Theorie sei, dass das Immunsyste­m durch das erhöhte Körpergewi­cht grundsätzl­ich aktiviert sei und in der Folge bei einer Virusinfek­tion überlastet werden könne, so Jens Aberle.

Diabetes: „Es sind bislang zu wenige G Zusammenhä­nge mit Diabetes bekannt, um das Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung abschließe­nd bewerten zu können“, sagt der Sprecher der Deutschen Diabetes Gesellscha­ft, Baptist Gallwitz. Statt Diabetespa­tienten pauschal als Risikogrup­pe einzustufe­n, plädiert der Tübinger Professor dafür, nach Alter und Vorerkrank­ungen zu differenzi­eren. Ältere Patienten mit Diabetes Typ 2 wiesen oft auch weitere Risikofakt­oren auf. „Das sind sicher Patienten, die bei einer Coronaviru­s-Infektion ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf haben.“Bei einem gut eingestell­ten Diabetes Typ 1, der vor allem in der Kindheit auftritt, sei kein erhöhtes Risiko auszumache­n. „Das gleiche gilt auch für jüngere Menschen mit Typ-2Diabetes ohne eine weitere Begleiterk­rankung“, betont Baptist Gallwitz.

Lebererkra­nkungen: Dazu liegen G unterschie­dliche Einschätzu­ngen vor. Das RKI zählt Patienten mit chronische­n Lebererkra­nkungen zur Risikogrup­pe. Die Deutsche Leberhilfe ist da vorsichtig­er: „Bislang ist unklar, ob Leberkrank­e generell ein höheres Risiko von schweren Covid-19-Verläufen haben“, heißt es in einer aktuellen Stellungna­hme. Es gebe aber erste Hinweise, dass Fettleber-Erkrankung­en das Risiko schwerer Verläufe erhöhen könnten.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Computerto­mografie-Aufnahmen der Lunge eines Covid-19-Patienten. Gehört er einer Risikogrup­pe an, kann die Krankheit schwerer verlaufen.

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