Autozulieferer blicken vorsichtig in die Zukunft
Die fehlende Abwrackprämie werde man merken, sagen die Betriebe vom Heuberg
SPAICHINGEN/HEUBERG - Die Lage für die Zulieferbetriebe der großen Autoproduzenten ist derzeit ernst. „Im Bereich Automotive haben wir bis zu 80 Prozent Umsatzrückgang“, erzählt Ute Grießhaber. Sie ist Geschäftsführerin des Kunststoffteileherstellers Weißer und Grießhaber, das Unternehmen aus Mönchweiler macht etwa die Hälfte seiner Geschäfte mit der Autobranche.
Am Freitag hat sie bei einer Pressekonferenz der IHK SchwarzwaldBaar-Heuberg gemeinsam mit Jens Roth, Geschäftsführer beim Neukircher Kunststoffteile-Hersteller Schwarz, IHK-Vertreter Martin Schmidt und Ingo Hell, Geschäftsführer beim Gosheimer Zerspanungsbetrieb Zetec, über die Situation der mittelständischen Industriebetriebe und besonders der Automobilzulieferer gesprochen. Zwischen Schwarzwald, Baar und Heuberg gibt es viele solcher Betriebe mit 30 bis 500 Mitarbeitern, die die Auswirkungen der Corona-Krise zu spüren bekommen.
Gerade für die Automobilzulieferer ist die Situation keine einfache. Bereits 2019 war klar: Eigentlich produziert die Branche zu viel. Überkapazitäten, Mobilitätswandel und Digitalisierung schufen keine einfache Ausgangssituation. In die platzte dann die Corona-Krise. Die Geschäfte brachen ein, die Werke standen still.
Die Krise habe einen heftigen Preiskampf um die verbleibenden Aufträge verursacht, erzählt Grießhaber. Die Konkurrenz sei da nicht nur international sondern auch regional. Ingo Hell ergänzt: „Es gibt einfach zu viele von uns. Allein bei uns in der Straße sind 12 Betriebe, die alle das gleiche machen.“Sein Unternehmen Zetec stelle glücklicherweise nichts für die Automobilindustrie her. Trotzdem seien die Aufträge zurückgegangen.
Hell vertritt auch die Gemeinnützige
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Vereinigung der der Drehteilehersteller (GVD). „Viele von diesen Betrieben liefern an Autohersteller, die trifft das enorm“, sagt er. Dass sich die Bundesregierung gegen eine Abwrackprämie entschieden habe, werde sich bemerkbar machen. Das sieht auch Martin Schmidt von der IHK so. Er sagt: „Die Senkung der Mehrwertsteuer ist ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Dem stimmt Ute Grießhaber zu, sie findet aber: „ Eine Abwrackprämie wäre ein Strohfeuer gewesen. Wir müssen Kapazitäten abbauen und das bedeutet, dass der ein oder andere auch Leute entlassen wird.“Kurzarbeit sei ja kein Dauerzustand.
Kurzarbeit helfe allerdings gut um jetzt Geld zu sparen, da sind sich die Unternehmen einig.Mehr als die Hälfte ihrer Mitarbeiter sind in den Programmen angemeldet. Besonders betroffen sind die in der Produktion, aber auch in der Verwaltung. „Teilweise haben die Unternehmen ganze Wochen Stillstand“, erzählt Hell von den Drehteileherstellern. Das sei vor allem bei teuren Maschinen verlustreich.
Kritik gibt es auch an der Entscheidung der Regierung, speziell Elektroautos zu fördern. Hell sagt: „Es wäre besser gewesen, das technologieoffen anzugehen. Es gibt ja auch Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe.“Weder für die Unternehmen noch für die Infrastruktur sei ein schneller Wechsel zur E-Mobilität machbar. Grießhaber sagt dazu: „Wir produzieren zum Beispiel gar nichts für den Antriebsstrang. Es kann also nicht sein, dass die Krise nur an der Veränderung der Antriebe hängt.“
Für die Zulieferer fallen jetzt die Probleme und Belastungen aus Strukturwandel und Digitalisierung mit der Corona-Krise zusammen. Geld aus Investitionen fehle jetzt. Ingo Hell sagt: „Aus finanziellen Gründen haben wir da jetzt bei der Digitalisierung ein gewisses Stocken, das gilt aber auf der ganzen Welt.“
Einen Vergleich mit dem Niedergang der Uhrenindustrie, wie ihn die Region in den 1970er Jahren erlebt hat, lehnen Unternehmen und IHK aber ab. „Die Unternehmen bereiten sich ja alle auf die Digitalisierung vor“, sagt IHK-Vertreter Schmidt. Außerdem sei auch das Know-How da, um mit strukturellem Wandel, etwa der E-Mobilität, mithalten zu können.
Das Lehren aus der Wirtschaftskrise von 2008/09 jetzt helfen können, das zeigt das Beispiel der Neukircher Schwarz GmbH. Die Firma stellt Kunststoffteile und Werkzeuge her. Geschäftsführer Jens Roth erzählt: „Damals haben wir 60 Prozent unseres Umsatzes in der Autobranche gemacht, den Großteil sogar mit einem Kunden.“2010 habe Schwarz dann angefangen, diese Abhängigkeit zu reduzieren, sagt er. Heute macht die Firma nur noch 15 Prozent des Umsatzes in der Autobranche. „Wir haben uns stattdessen in anderen Geschäftsfeldern engagiert“, sagt Roth.
Besonders eines hilft der Firma jetzt. Sie produziert für die Medizintechnik. Zum Beispiel Teile für Ultraschallgeräte, die jetzt benötigt werden, um Lungen zu untersuchen. Dieses Geschäft habe sich verfünffacht. „Tatsächlich können wir die Aufträge gerade kaum bewältigen“, berichtet Roth.
Für eine mögliche zweite Infektionswelle sehen sich die Unternehmen gut gewappnet. Jens Roth sagt: „ Wir sind jetzt viel besser vorbereitet, wir haben gelernt, wie wir reagieren müssen.“Es sei jetzt klar, wie die Produktion stattfinden muss, um Ansteckungsrisiken zu minimieren, zum Beispiel mit räumlich getrennten Schichten.
Außerdem habe die Corona-Krise natürlich das Thema „Arbeiten von zuhause“vorangebracht. Jens Roth sagt: „Das wollten wir eigentlich schon immer umsetzen, jetzt haben wir da einen ordentlichen Schritt nach vorn gemacht.“