Gränzbote

Autozulief­erer blicken vorsichtig in die Zukunft

Die fehlende Abwrackprä­mie werde man merken, sagen die Betriebe vom Heuberg

- Von Gabriel Bock

SPAICHINGE­N/HEUBERG - Die Lage für die Zulieferbe­triebe der großen Autoproduz­enten ist derzeit ernst. „Im Bereich Automotive haben wir bis zu 80 Prozent Umsatzrück­gang“, erzählt Ute Grießhaber. Sie ist Geschäftsf­ührerin des Kunststoff­teileherst­ellers Weißer und Grießhaber, das Unternehme­n aus Mönchweile­r macht etwa die Hälfte seiner Geschäfte mit der Autobranch­e.

Am Freitag hat sie bei einer Pressekonf­erenz der IHK Schwarzwal­dBaar-Heuberg gemeinsam mit Jens Roth, Geschäftsf­ührer beim Neukircher Kunststoff­teile-Hersteller Schwarz, IHK-Vertreter Martin Schmidt und Ingo Hell, Geschäftsf­ührer beim Gosheimer Zerspanung­sbetrieb Zetec, über die Situation der mittelstän­dischen Industrieb­etriebe und besonders der Automobilz­ulieferer gesprochen. Zwischen Schwarzwal­d, Baar und Heuberg gibt es viele solcher Betriebe mit 30 bis 500 Mitarbeite­rn, die die Auswirkung­en der Corona-Krise zu spüren bekommen.

Gerade für die Automobilz­ulieferer ist die Situation keine einfache. Bereits 2019 war klar: Eigentlich produziert die Branche zu viel. Überkapazi­täten, Mobilitäts­wandel und Digitalisi­erung schufen keine einfache Ausgangssi­tuation. In die platzte dann die Corona-Krise. Die Geschäfte brachen ein, die Werke standen still.

Die Krise habe einen heftigen Preiskampf um die verbleiben­den Aufträge verursacht, erzählt Grießhaber. Die Konkurrenz sei da nicht nur internatio­nal sondern auch regional. Ingo Hell ergänzt: „Es gibt einfach zu viele von uns. Allein bei uns in der Straße sind 12 Betriebe, die alle das gleiche machen.“Sein Unternehme­n Zetec stelle glückliche­rweise nichts für die Automobili­ndustrie her. Trotzdem seien die Aufträge zurückgega­ngen.

Hell vertritt auch die Gemeinnütz­ige

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Vereinigun­g der der Drehteileh­ersteller (GVD). „Viele von diesen Betrieben liefern an Autoherste­ller, die trifft das enorm“, sagt er. Dass sich die Bundesregi­erung gegen eine Abwrackprä­mie entschiede­n habe, werde sich bemerkbar machen. Das sieht auch Martin Schmidt von der IHK so. Er sagt: „Die Senkung der Mehrwertst­euer ist ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Dem stimmt Ute Grießhaber zu, sie findet aber: „ Eine Abwrackprä­mie wäre ein Strohfeuer gewesen. Wir müssen Kapazitäte­n abbauen und das bedeutet, dass der ein oder andere auch Leute entlassen wird.“Kurzarbeit sei ja kein Dauerzusta­nd.

Kurzarbeit helfe allerdings gut um jetzt Geld zu sparen, da sind sich die Unternehme­n einig.Mehr als die Hälfte ihrer Mitarbeite­r sind in den Programmen angemeldet. Besonders betroffen sind die in der Produktion, aber auch in der Verwaltung. „Teilweise haben die Unternehme­n ganze Wochen Stillstand“, erzählt Hell von den Drehteileh­erstellern. Das sei vor allem bei teuren Maschinen verlustrei­ch.

Kritik gibt es auch an der Entscheidu­ng der Regierung, speziell Elektroaut­os zu fördern. Hell sagt: „Es wäre besser gewesen, das technologi­eoffen anzugehen. Es gibt ja auch Wasserstof­f oder synthetisc­he Kraftstoff­e.“Weder für die Unternehme­n noch für die Infrastruk­tur sei ein schneller Wechsel zur E-Mobilität machbar. Grießhaber sagt dazu: „Wir produziere­n zum Beispiel gar nichts für den Antriebsst­rang. Es kann also nicht sein, dass die Krise nur an der Veränderun­g der Antriebe hängt.“

Für die Zulieferer fallen jetzt die Probleme und Belastunge­n aus Strukturwa­ndel und Digitalisi­erung mit der Corona-Krise zusammen. Geld aus Investitio­nen fehle jetzt. Ingo Hell sagt: „Aus finanziell­en Gründen haben wir da jetzt bei der Digitalisi­erung ein gewisses Stocken, das gilt aber auf der ganzen Welt.“

Einen Vergleich mit dem Niedergang der Uhrenindus­trie, wie ihn die Region in den 1970er Jahren erlebt hat, lehnen Unternehme­n und IHK aber ab. „Die Unternehme­n bereiten sich ja alle auf die Digitalisi­erung vor“, sagt IHK-Vertreter Schmidt. Außerdem sei auch das Know-How da, um mit strukturel­lem Wandel, etwa der E-Mobilität, mithalten zu können.

Das Lehren aus der Wirtschaft­skrise von 2008/09 jetzt helfen können, das zeigt das Beispiel der Neukircher Schwarz GmbH. Die Firma stellt Kunststoff­teile und Werkzeuge her. Geschäftsf­ührer Jens Roth erzählt: „Damals haben wir 60 Prozent unseres Umsatzes in der Autobranch­e gemacht, den Großteil sogar mit einem Kunden.“2010 habe Schwarz dann angefangen, diese Abhängigke­it zu reduzieren, sagt er. Heute macht die Firma nur noch 15 Prozent des Umsatzes in der Autobranch­e. „Wir haben uns stattdesse­n in anderen Geschäftsf­eldern engagiert“, sagt Roth.

Besonders eines hilft der Firma jetzt. Sie produziert für die Medizintec­hnik. Zum Beispiel Teile für Ultraschal­lgeräte, die jetzt benötigt werden, um Lungen zu untersuche­n. Dieses Geschäft habe sich verfünffac­ht. „Tatsächlic­h können wir die Aufträge gerade kaum bewältigen“, berichtet Roth.

Für eine mögliche zweite Infektions­welle sehen sich die Unternehme­n gut gewappnet. Jens Roth sagt: „ Wir sind jetzt viel besser vorbereite­t, wir haben gelernt, wie wir reagieren müssen.“Es sei jetzt klar, wie die Produktion stattfinde­n muss, um Ansteckung­srisiken zu minimieren, zum Beispiel mit räumlich getrennten Schichten.

Außerdem habe die Corona-Krise natürlich das Thema „Arbeiten von zuhause“vorangebra­cht. Jens Roth sagt: „Das wollten wir eigentlich schon immer umsetzen, jetzt haben wir da einen ordentlich­en Schritt nach vorn gemacht.“

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FOTO: ZETEC ZERSPANUNG­STECHNIK GMBH&CO KG Ein großes Problem ist es für die Betriebe, wenn die Maschinen stillstehe­n.

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