Kleine Kugel, großer Schritt
Die Tischtennis-Bundesliga geht wieder los – und freut sich über ungewohnte TV-Präsenz
OCHSENHAUSEN - Für das ProfiTischtennis in Deutschland war der Donnerstag und die Kunde, dass die Bundesliga weiterspielen darf, ein wenig wie die Mondlandung vor 50 Jahren für die Raumfahrt: Ein kleiner Schritt auf den ersten Blick, in Wahrheit allerdings ein Riesensatz für ihre Sportart. Wochenlang hatten die Liga und die Clubvertreter gegrübelt, Pläne aufgestellt, Pläne wieder verworfen, die Hygienekonzepte der Fußballer und Basketballer begutachtet und versucht, Elemente für sich zu adaptieren. Zudem studierten sie penibel die 16 unterschiedlichen Corona-Verordnungen der 16 Bundesländer, um einen Weg zu finden, die Bundesliga fortzusetzen.
Es ist ja schließlich so: Wenn die TTF Liebherr Ochsenhausen nächste Woche zu ihrem Halbfinale nach Düsseldorf oder die Bremer nach Saarbrücken fahren, durchqueren sie zahllose Föderationen. In der einen dürfen fünf Tischtennisspieler aus fünf Haushalten in einem Bus sitzen, in anderen ist das strengstens verboten, da müssen fünf Spieler in fünf verschiedenen Autos sitzen, wenn auch ohne Mundschutz. Am Donnerstag aber konnte die Liga dann Vollzug vermelden, sie hatte Wege gefunden: Die Halbfinals um die Deutsche Meisterschaft finden ebenso statt wie das Endspiel nächsten Sonntag in Frankfurt, die zuständigen Gesundheitsämter akzeptierten das Hygienekonzept der TTBL.
Für Nico Stehle war es ein großer Tag, wenn nicht der größte in seinem Leben als Geschäftsführer der Liga. Der Bad Waldseer, einst Schüler-Europameister im Doppel mit Timo Boll, hat es durch beharrliche Arbeit geschafft, das Pokal-Final-Four im Tischtennis in Neu-Ulm zur Marke zu machen. Das Coronavirus und seine Auflagen allerdings war und ist eine andere Hausnummer für die Macher der verschiedenen Sportarten, vor allem für die kleinen Leibesübungen, in denen das Geld für Tests nicht ganz so locker sitzt wie im Fußball – und noch mehr für Sportarten in einer Halle, in denen das Infektionsrisiko angeblich 18-mal so hoch ist wie draußen.
„Wir sind nun der Vorreiter in Europa, viele Tischtennisspieler in der Welt werden auf uns schauen, und wir sind dankbar, die Saison beenden zu dürfen“, sagte Stehle also und räumte ein: „Unser Vorteil war, dass wir die Hauptrunde im Gegensatz zu Handballern und Eishockeyspielern so gut wie abgeschlossen hatten. Wir hatten Zeit, abzuwarten und die Situation zu beobachten. Die Fußballer und Basketballer haben uns nun die Tür geöffnet und Lockerungen erkämpft.“Allerdings taten Stehle und TTBL-Aufsichtsratschef Andreas Preuß, Düsseldorfs Manager, auch das Ihrige: Sie veränderten den Modus – das Halbfinale wird nur noch in einem Match gespielt – und sogar die Spielregeln: Das finale Doppel wurde gestrichen, ein fünftes Einzel beigefügt. „Es ging darum, Tischtennis als kontaktlose Sportart zu definieren, und das sind wir nun ohne Doppel definitiv: Durch den Tisch haben die Spieler 2,74 Meter
Abstand. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht wieder zum Doppel zurückkehren wollen, wenn es die Behörden erlauben.“Die kurioseste Reform ist in der Praxis unkompliziert: Zwar müssen die Plastikkugeln nach jedem Ballwechsel desinfiziert werden, das Tischtennis behilft sich aber damit, einfach für jede Rallye einen neuen Ball zu nehmen – die gebrauchten werden an den Spielfeldrand gekickt und kommen nach den Partien gesammelt in die Waschanlage.
Zuschauer werden in Düsseldorf, Saarbrücken und Frankfurt fehlen, obwohl es in Nordrhein-Westfalen inzwischen zumindest theoretisch möglich wäre, maximal 100 Menschen in die Halle zu lassen. Dafür nutzten die Ligamacher die Gunst der Stunde und das Fehlen anderer Sportarten, verhandelten mit TV-Sendern und hatten Erfolg: Beide Halbfinals und das Endspiel werden live auf Eurosport übertragen, zehn Stunden TV-Zeit live im Fernsehen, um für das Tischtennis zu werben. „Das gab es in meiner Amtszeit
„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir je so viel Fernsehzeit hatten.“Kristijan Pejinovic, Chef von Tischtennismeister Ochsenhausen
noch nie“, sagt Stehle, „auch das Morgenmagazin wird nach den Halbfinals längere Berichte ausstrahlen – und einen Livestream auf unserer Seite gibt es außerdem“.
Selbst TTF-Chef Kristijan Pejinovic, seit 20 Jahren im Geschäft, kann sich „nicht daran erinnern, dass Tischtennis je so viel Übertragungszeit im Free-TV hatte. Für unsere Sponsoren, die den Clubs trotz der schweren Zeit treu geblieben sind, ist das natürlich ein tolles Bonbon.“
Für das sich der weiße Sport von der besten Seite präsentieren wird: Mit modernen LED-Banden – und Fachkräften am Mikrofon. DTTBSportdirektor und Ex-Bundestrainer Richard Prause wird alle drei Spiele moderieren, assistiert von den ExDoppelweltmeistern Steffen Fetzner respektive Jörg Roßkopf, dem heutigen Bundestrainer. Alles, was Rang und Namen hat im deutschen Tischtennis. Nur Timo Boll, der Rekord-Europameister, wird fehlen. Der 39-Jährige, der bereits zehn Teammeisterschaften feierte, darf wie die Kollegen nach drei Monaten Pause wieder spielen, gegen Ochsenhausen nämlich.