Wie Gene und Lebensstil das Krebsrisiko erhöhen
Ob und wann die Krankheit ausbricht, ist nicht vorhersehbar – Die Wahrscheinlichkeit lässt sich zum Teil aber beeinflussen
Wenn die Krankheit diagnostiziert wird, fragen sich viele Patienten, wie es dazu kommen konnte. Und vor allem: Wie kann ich mein Krebsrisiko senken? Wodurch erhöht es sich?
Mit dem Begriff Krebsrisiko wird versucht, die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung zu definieren, erklärt Professor Mathias Heikenwälder vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Dieses Risiko kann genetisch bedingt, also von den Eltern über die Gene vererbt sein, aber auch im Laufe des Lebens durch bestimmte Umstände erworben sein.
Laut Gesundheitsministerium sterben in Deutschland rund 230 000 Menschen pro Jahr an Krebs – nur Herz-Kreislauf-Krankheiten kommen als Todesursache häufiger vor. Das Robert-Koch-Institut rechnet für 2020 mit rund 510 000 Neuerkrankungen in Deutschland.
Doch warum bekommt man Krebs? Es gibt Faktoren, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Erkrankung auslösen können. Rauchen zum Beispiel. Andere Lebensstilfaktoren können das Risiko senken – etwa, regelmäßig ausreichend Gemüse zu essen, sagt Heikenwälder. Theoretisch, so erklärt er, ließe sich bei einer ausführlichen Analyse für jeden Menschen und jede Krebserkrankung ein unterschiedliches und individuelles Risiko berechnen.
Wer ein hohes Risiko hat, sollte sich im Idealfall häufiger auf bestimmte Krebsformen untersuchen lassen. Tabak- oder Alkoholkonsum, UV-Licht, bestimmte Viren: Es sind viele Faktoren bekannt, die das Risiko einer Krebserkrankung erhöhen. „Doch es gibt ebenso viele unbekannte Einflüsse, von deren Rolle wir nichts wissen“, sagt Heikenwälder.
So oder so: „Beim Wort Krebsrisiko gehen die Alarmglocken an. Doch es ist immer individuell und hängt von verschiedenen Dingen ab“, erklärt Ute Mons, die ebenfalls an dem Heidelberger Krebsforschungszentrum arbeitet und dort die Stabsstelle Krebsprävention leitet. Unter anderem kommt es auf die Dosis an. Beispiel Rauchen: Manche haben Panik, wenn sie draußen ein wenig Tabakrauch einatmen – was das Risiko kaum erhöht. Rauchen an sich ist aber ein starker Faktor für Lungenkrebs. „Wir wissen, dass 80 bis 90 Prozent auf das Rauchen zurückzuführen sind“, so Mons. Gäbe es keine Raucherinnen und Raucher, wären es deutlich weniger Fälle von Lungenkrebs.
Mons versucht als Epidemiologin, das Krebsrisiko vor allem aus der statistischen Sicht – also mit Zahlen – zu verstehen. „Es gibt oft ein Zusammenspiel zwischen Lebensstilfaktoren und genetischen Faktoren“, sagt sie. Aber: Selbst wenn ein bestimmter Krebs in der Familie vermehrt aufgetreten sei, bedeute das nicht, dass man ihn auch bekomme – man könne sein Risiko durch seinen Lebensstil oft stark senken. „Wobei es einzelne genetische Faktoren gibt, die sehr stark sind. Etwa bei Brustkrebs“, erklärt Mons. Unausgewogene Ernährung, Bewegungsmangel oder Rauchen: „Wir wissen mittlerweile, dass sogar etwa 90 Prozent der für die Krebsentstehung verantwortlichen genetischen Veränderungen erst im Laufe des Lebens erworben werden“, sagt Mathias Heikenwälder. „Nur etwa zehn Prozent werden genetisch vererbt.“Gerade bei Kindern allerdings sei sehr klar, dass genetische Faktoren eine sehr große Rolle spielten, ergänzt Ute Mons.
Unter dem Strich ließen sich viele Krebserkrankungen dennoch verhindern – laut WHO gilt das für 30 bis 50 Prozent der Fälle. Manche Krebserkrankungen wären gänzlich vermeidbar, meint Heikenwälder – Gebärmutterhalskrebs etwa. „Der wird durch Humane Papillomviren ausgelöst, gegen die es eine Impfung gibt.“Beim Darmkrebs gebe es „sehr gute Früherkennungsmaßnahmen“, sagt Ute Mons. Demnach könne man bei Darmspiegelungen Vorstufen des Krebses – sogenannte Polypen – gut erkennen und direkt entfernen. Bei einer regelmäßigen Teilnahme an der Früherkennung wären nach Einschätzung von Mathias Heikenwälder neun von zehn Fällen dieses Krebses heilbar.
Ungünstige Ernährung erhöhe indes das Risiko für verschiedene Krebsarten, etwa in Leber, Darm und Niere, so Heikenwälder. „Wer sich das ganze Leben nur sehr fettreich und zuckerhaltig ernährt, induziert ein metabolisches Syndrom.“Es komme zum Absterben von Zellen und zu chronischen Entzündungen, die Zellveränderungen hervorriefen. Das sei aber ein Prozess, der sich über Jahrzehnte hinzieht. Auch Alkohol oder fehlende Bewegung erhöhen langfristig gesehen das Risiko bestimmter Krebsarten.
Wer vorbeugen möchte, sollte sich also gut ernähren, Alkohol nur maßvoll genießen und aktiv sein. Bewegung senkt das Krebsrisiko. Schon regelmäßige moderate Aktivität reicht laut Ute Mons aus, etwa zügiges Spaziergehen. Am besten „mehr als 150 Minuten pro Woche.“
Buchtipp: Hanna und Mathias Heikenwälder: „Krebs – Lifestyle und Umweltfaktoren als Risiko“, Springer. 191 Seiten, 20 Euro.