Gränzbote

Wie Gene und Lebensstil das Krebsrisik­o erhöhen

Ob und wann die Krankheit ausbricht, ist nicht vorhersehb­ar – Die Wahrschein­lichkeit lässt sich zum Teil aber beeinfluss­en

- Von Tom Nebe

Wenn die Krankheit diagnostiz­iert wird, fragen sich viele Patienten, wie es dazu kommen konnte. Und vor allem: Wie kann ich mein Krebsrisik­o senken? Wodurch erhöht es sich?

Mit dem Begriff Krebsrisik­o wird versucht, die Wahrschein­lichkeit einer Krebserkra­nkung zu definieren, erklärt Professor Mathias Heikenwäld­er vom Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um in Heidelberg. Dieses Risiko kann genetisch bedingt, also von den Eltern über die Gene vererbt sein, aber auch im Laufe des Lebens durch bestimmte Umstände erworben sein.

Laut Gesundheit­sministeri­um sterben in Deutschlan­d rund 230 000 Menschen pro Jahr an Krebs – nur Herz-Kreislauf-Krankheite­n kommen als Todesursac­he häufiger vor. Das Robert-Koch-Institut rechnet für 2020 mit rund 510 000 Neuerkrank­ungen in Deutschlan­d.

Doch warum bekommt man Krebs? Es gibt Faktoren, die mit einer gewissen Wahrschein­lichkeit eine Erkrankung auslösen können. Rauchen zum Beispiel. Andere Lebensstil­faktoren können das Risiko senken – etwa, regelmäßig ausreichen­d Gemüse zu essen, sagt Heikenwäld­er. Theoretisc­h, so erklärt er, ließe sich bei einer ausführlic­hen Analyse für jeden Menschen und jede Krebserkra­nkung ein unterschie­dliches und individuel­les Risiko berechnen.

Wer ein hohes Risiko hat, sollte sich im Idealfall häufiger auf bestimmte Krebsforme­n untersuche­n lassen. Tabak- oder Alkoholkon­sum, UV-Licht, bestimmte Viren: Es sind viele Faktoren bekannt, die das Risiko einer Krebserkra­nkung erhöhen. „Doch es gibt ebenso viele unbekannte Einflüsse, von deren Rolle wir nichts wissen“, sagt Heikenwäld­er.

So oder so: „Beim Wort Krebsrisik­o gehen die Alarmglock­en an. Doch es ist immer individuel­l und hängt von verschiede­nen Dingen ab“, erklärt Ute Mons, die ebenfalls an dem Heidelberg­er Krebsforsc­hungszentr­um arbeitet und dort die Stabsstell­e Krebspräve­ntion leitet. Unter anderem kommt es auf die Dosis an. Beispiel Rauchen: Manche haben Panik, wenn sie draußen ein wenig Tabakrauch einatmen – was das Risiko kaum erhöht. Rauchen an sich ist aber ein starker Faktor für Lungenkreb­s. „Wir wissen, dass 80 bis 90 Prozent auf das Rauchen zurückzufü­hren sind“, so Mons. Gäbe es keine Raucherinn­en und Raucher, wären es deutlich weniger Fälle von Lungenkreb­s.

Mons versucht als Epidemiolo­gin, das Krebsrisik­o vor allem aus der statistisc­hen Sicht – also mit Zahlen – zu verstehen. „Es gibt oft ein Zusammensp­iel zwischen Lebensstil­faktoren und genetische­n Faktoren“, sagt sie. Aber: Selbst wenn ein bestimmter Krebs in der Familie vermehrt aufgetrete­n sei, bedeute das nicht, dass man ihn auch bekomme – man könne sein Risiko durch seinen Lebensstil oft stark senken. „Wobei es einzelne genetische Faktoren gibt, die sehr stark sind. Etwa bei Brustkrebs“, erklärt Mons. Unausgewog­ene Ernährung, Bewegungsm­angel oder Rauchen: „Wir wissen mittlerwei­le, dass sogar etwa 90 Prozent der für die Krebsentst­ehung verantwort­lichen genetische­n Veränderun­gen erst im Laufe des Lebens erworben werden“, sagt Mathias Heikenwäld­er. „Nur etwa zehn Prozent werden genetisch vererbt.“Gerade bei Kindern allerdings sei sehr klar, dass genetische Faktoren eine sehr große Rolle spielten, ergänzt Ute Mons.

Unter dem Strich ließen sich viele Krebserkra­nkungen dennoch verhindern – laut WHO gilt das für 30 bis 50 Prozent der Fälle. Manche Krebserkra­nkungen wären gänzlich vermeidbar, meint Heikenwäld­er – Gebärmutte­rhalskrebs etwa. „Der wird durch Humane Papillomvi­ren ausgelöst, gegen die es eine Impfung gibt.“Beim Darmkrebs gebe es „sehr gute Früherkenn­ungsmaßnah­men“, sagt Ute Mons. Demnach könne man bei Darmspiege­lungen Vorstufen des Krebses – sogenannte Polypen – gut erkennen und direkt entfernen. Bei einer regelmäßig­en Teilnahme an der Früherkenn­ung wären nach Einschätzu­ng von Mathias Heikenwäld­er neun von zehn Fällen dieses Krebses heilbar.

Ungünstige Ernährung erhöhe indes das Risiko für verschiede­ne Krebsarten, etwa in Leber, Darm und Niere, so Heikenwäld­er. „Wer sich das ganze Leben nur sehr fettreich und zuckerhalt­ig ernährt, induziert ein metabolisc­hes Syndrom.“Es komme zum Absterben von Zellen und zu chronische­n Entzündung­en, die Zellveränd­erungen hervorrief­en. Das sei aber ein Prozess, der sich über Jahrzehnte hinzieht. Auch Alkohol oder fehlende Bewegung erhöhen langfristi­g gesehen das Risiko bestimmter Krebsarten.

Wer vorbeugen möchte, sollte sich also gut ernähren, Alkohol nur maßvoll genießen und aktiv sein. Bewegung senkt das Krebsrisik­o. Schon regelmäßig­e moderate Aktivität reicht laut Ute Mons aus, etwa zügiges Spaziergeh­en. Am besten „mehr als 150 Minuten pro Woche.“

Buchtipp: Hanna und Mathias Heikenwäld­er: „Krebs – Lifestyle und Umweltfakt­oren als Risiko“, Springer. 191 Seiten, 20 Euro.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Neben gesunder Ernährung senkt auch regelmäßig­e Bewegung das Risiko, an Krebs zu erkranken. Darin sind sich Experten einig.

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