Gränzbote

Masken als Hürde

Bernd Lindner aus Rietheim-Weilheim ist schwerhöri­g - Mundbild für Verständni­s wichtig

- Von Birga Woytowicz

Bernd Lindner ist schwerhöri­g und hat Probleme bei Gesprächen.

RIETHEIM-WEILHEIM – Ein sonniger Nachmittag, draußen in einem Café. Bernd Lindner möchte eigentlich etwas bestellen. Aber er versteht nicht, was der Kellner sagt. Lindner ist schwerhöri­g. Die Gespräche an den Nachbartis­chen und die Hintergrun­dmusik sind viel zu laut. Der Kellner ist dagegen viel zu leise. Weil er Maske trägt. Die schluckt große Teile des Gesagten. Da kann Lindner nur rätseln, was der Kellner spricht. Die Maskenpfli­cht sei für Menschen wie ihn nicht zu Ende gedacht, beklagt der Rietheim-Weilheimer.

Seit wenigen Jahren kann sich Lindner dank einer Hörprothes­e unter normalen Bedingunge­n gut verständig­en. Jetzt aber ist alles anders. „Ich fühle mich amputiert. Als Hörgeschäd­igter bin ich sehr stark auf das Mundbild angewiesen. Darüber kann ich ausgleiche­n, was mir durch das Hörverstän­dnis fehlt.“Noch dazu dämmt die Maske den Schall. Das bestätigen auch Messungen des Tuttlinger Hörakustik­ers Torsten Saile: Demzufolge kann sich die Lautstärke des Gesagten durch Gesichtssc­hutz im Extremfall sogar halbieren.

Die Landesregi­erung hat Menschen wie Bernd Lindner nicht vergessen, als sie die Maskenpfli­cht angeordnet hat. Das Sozialmini­sterium erklärt: „Auch schwerhöri­ge oder gehörlose Menschen, die auf das Mundbild oder eine besonders deutliche Aussprache in der Kommunikat­ion angewiesen sind sowie deren Begleitper­sonen, müssen keine Maske tragen.“

Im Café neulich hat diese Ausnahmere­gelung Bernd Lindner trotzdem nicht weitergeho­lfen. „Ich habe den Kellner gebeten, auf Abstand zu gehen und die Maske kurz für mich abzunehmen. Er hat abgelehnt, weil er nicht gegen die Auflagen verstoßen wollte.“Verständli­ch – und doch ein Hindernis.

Daher reagierte auch der Landesverb­and der Gehörlosen BadenWürtt­emberg gleich Ende April mit einem Positionsp­apier. Darin heißt es: „Natürlich löst diese Ausnahme nicht die Kommunikat­ionsproble­me zwischen Gehörlosen und Hörenden. Die Hörenden tragen ja auf jeden Fall eine Maske.“Das Vorgehen von Lindner – zu fragen, ob sein Gegenüber unter Einhaltung des Mindestabs­tands die Maske abnimmt – unterstütz­t der Verband aber nicht. „Wir sollten alle zusammenst­ehen und unseren Teil dazu beitragen, dass sich das Virus nicht so schnell verbreitet. Das ist eine Frage der Solidaritä­t.

Auch wenn die Situation für gehörlose Menschen jetzt natürlich besonders schwierig ist.“

Stattdesse­n schlägt der Verband unter anderem vor, mit Stift und Papier oder Smartphone zu kommunizie­ren. Ziemlich umständlic­h, wertet Lindner solche Versuche. „Wer nimmt sich dafür schon die Zeit? Kaum jemand.“Er wünscht sich, dass seine Mitmensche­n mehr Rücksicht nehmen.

Inzwischen gibt es auch Gesichtsma­sken mit transparen­tem Einsatz am Mund. Lindner hat im Netz danach gesucht, aber kein passendes Angebot gefunden. „Der Einsatz ist meist aus Kunststoff. Viele davon gehen in der Wäsche aber schon bei niedrigen Temperatur­en kaputt.“Einwegmask­en wolle er nicht nutzen, weil sich dadurch zu viel Müll ansammle. Noch dazu sei eine transparen­te Maske erst sinnvoll, wenn sie viele Leute nutzten. „Ich kenne aber nur eine einzige Person in Tuttlingen, die sie trägt.“

Aktuell beschränkt Lindner die Kommunikat­ion im öffentlich­en Raum auf das Mindeste. Aber ihm fehlt der Austausch, vor allem mit anderen Betroffene­n. Denn seine Selbsthilf­egruppe kommt aufgrund der aktuellen Lage nicht mehr zusammen, macht keine Ausflüge mehr.

Eigentlich stünde auch noch eine Reha an. Alle paar Monate muss Lindner seine Implantate neu einstellen lassen. „Normalerwe­ise habe ich dann immer eine Blockwoche. Da wurden die Konzepte jetzt aber auch umgestellt.“Corona-bedingt. Immerhin sei seine Hörprothes­e inzwischen schon gut eingestell­t. Zuletzt ergab der Test, dass der 49-Jährige 80 Prozent Hörfähigke­it hat. „Das ist bei mir schon sehr stabil, so viel kann man da nicht mehr regulieren.“Durch das Implantat habe er mehr Lebensqual­ität gewonnen. Durch die Maskenpfli­cht fühle er sich aber wieder eher ausgegrenz­t.

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FOTO: MARTIN SCHUTT/DPA
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FOTO: MARTIN SCHUTT/DPA Mund-Nasen-Bedeckunge­n gibt es in allen Farben – doch nur selten mit transparen­tem Einsatz. Für Hörgeschäd­igte ist das ein Problem, denn sie lesen häufig die Lippen ihres Gegenübers.
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FOTO: PRIVAT Bernd Lindner

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