Industrieproduktion eingebrochen
Deutsche Unternehmen haben ihre Fertigung im April noch stärker gedrosselt als erwartet – Doch allmählich könnte Trendwende einsetzen
WIESBADEN (dpa) - In der deutschen Industrie hat sich der Einbruch der Produktion wegen der Corona-Krise im April deutlich verstärkt. Die Fertigung im Produzierenden Gewerbe sei im Monatsvergleich um 17,9 Prozent gefallen, teilte das Statistische Bundesamt mit. Der Rückgang fiel stärker aus als befürchtet. Analysten hatten im Schnitt einen Einbruch um 16,5 Prozent erwartet. Die Industrie geht in den kommenden Monaten von einem weiteren Produktionsrückgang aus.
FRANKFURT - Die Industrieproduktion ist im April noch stärker eingebrochen als erwartet: Um rund 18 Prozent ging es weiter abwärts, nachdem die Statistiker schon im März einen Rückgang von knapp neun errechnet hatten. Im Vergleich zum April des vergangenen Jahres fällt der Einbruch noch drastischer aus: Gut 25 Prozent ist in den Werkshallen der deutschen Industrieunternehmen weniger produziert worden als vor einem Jahr. „Zu einem beträchtlichen Teil ist dies auf den weitgehenden Fertigungsstopp in der Automobilindustrie zurückzuführen“, sagte der Volkswirt Ralph Solveen von der Commerzbank.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden ist das der stärkste gemessene Rückgang seit Beginn der Zeitreihe 1991. Selbst in der großen Finanz- und Wirtschaftskrise vor gut einem Jahrzehnt gab es keine solchen Rückgänge in den Sektoren produzierende Industrie, Bau und Energieversorgung. Dabei fielen die Rückgänge bei der Energiegewinnung und im Baugewerbe im einstelligen Prozentbereich
noch moderat aus. Bei der Industrie im engeren Sinne dagegen lag der Einbruch bei über 22 Prozent.
„Die ganze Dramatik der CoronaPandemie tritt jetzt zutage“, kommentierte der Chefökonom der VP Bank, Thomas Gitzel. „Das künstliche Koma der deutschen Volkswirtschaft macht sich nun massiv negativ in den Wirtschaftsdaten bemerkbar. Klar ist aber auch, dass, wenn die deutsche Wirtschaft wieder anfährt, das Zahlenwerk entsprechend positiv ausfällt.“
Diese Ansicht teilt man auch im Hause des Bundeswirtschaftsministers, Peter Altmaier (CDU). Mit den April-Zahlen sei der Tiefpunkt erreicht, schon im Mai dürfte es wieder aufwärtsgehen, heißt es im Bundeswirtschaftsministerium. Denn mit der schrittweisen Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen setze nun mit der Wiederaufnahme der Produktion in der Automobilindustrie die wirtschaftliche Erholung in der Industrie ein.
Den schwersten Einbruch in der Industrieproduktion verzeichnete denn im April auch die Autoindustrie. Produktionsstillstand und Kurzarbeit auf breiter Front haben in den deutschen Autofabriken und deren Zulieferern zu einem Absturz ihrer Produktion um fast 75 Prozent geführt. „Da die Automobilindustrie im Mai wieder angefahren wurde, dürfte die Produktion im April den Tiefpunkt erreicht und bereits im Mai wieder merklich zugelegt haben“, sagte Ralph Solveen. Dazu passt, dass BMW am Montag angekündigt hat, in den Autowerken des Konzerns werde ab Mitte Juni wieder im regulären Schichtbetrieb gearbeitet.
Einer Umfrage des ifo-Institutes zufolge rechnen die meisten Industrieunternehmen hierzulande aber damit, dass auch in den kommenden Monaten ihre Produktion zurückgehen wird. So hat sich der von dem Münchener Forschungsinstitut errechnete Index für die Produktionserwartungen nach seinem historischen Tief im April zwar verbessert.
Im Mai ist der Index auf minus 20,4 Punkte gestiegen, im April lag er noch bei minus 51,0 Punkten. Das war der stärkste Zuwachs im Vergleich zum Vormonat seit der Wiedervereinigung. „Aber das bedeutet nur, dass der Sturzflug nun flacher wird“, erklärte ifo-Experte Klaus Wohlrabe.
Um die Auswirkungen der Corona-Pandemie abzufedern, hat die Bundesregierung ein 130-MilliardenEuro großes Konjunkturpaket geschnürt. Das soll die angeschlagene Wirtschaft und Industrie wieder zurück in die Spur bringen. Ein Kernpunkt des Paketes ist eine zeitweilige Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent. Erhöhte Prämien für den Kauf von Elektroautos und Fahrzeugen mit Hybridantrieben sollen die Nachfrage in Deutschlands Schlüsselindustrie ankurbeln. Wirkung zeigen werden diese Maßnahmen aber erst in der zweiten Hälfte des Jahres. Dann rechnen die meisten Ökonomen mit einer zunehmenden Erholung der Wirtschaft. In der exportorientierten deutschen Industrie allerdings hängt der Grad der Erholung maßgeblich auch von der Nachfrage in anderen Ländern ab.