Gränzbote

Ohne Sinn für Abstandsre­geln

Corona-Vorgaben auf Anti-Rassismus-Demos oft missachtet – CDU-Politiker Frei: „Nicht mit zweierlei Maß messen“

- Von Stefan Kegel

BERLIN - Zehntausen­de Menschen haben am Wochenende Deutschlan­ds Corona-Regeln auf den Kopf gestellt. Zwar kamen viele mit MundNasen-Maske in die Zentren von Berlin, München, Hamburg, Stuttgart und anderen Städten, um gegen Rassismus zu demonstrie­ren. Aber die Abstandsre­geln gegen die Infektions­gefahr, die ansonsten von Polizei und Ordnungsäm­tern in den großen Städten penibel überwacht werden, gerieten aus dem Blick.

Regierungs­sprecher Steffen Seibert betonte am Montag: „Es muss möglich sein, auch auf solchen Veranstalt­ungen Masken zu tragen und den Mindestabs­tand von 1,5 Metern einzuhalte­n.“Die Demonstran­ten, die sich nicht daran gehalten hätten, hätten für sich und andere ein großes Risiko herbeigefü­hrt.

Nun stellt sich die Frage, wer die Regeln bei Menschenma­ssen künftig durchsetze­n soll. Für Thorsten Frei (CDU), Vizefrakti­onschef der Union im Bundestag, ist wichtig, „dass die Behörden nicht mit zweierlei Maß messen“– egal, ob es sich bei den Demonstran­ten um Verschwöru­ngstheoret­iker oder Rassismusg­egner handle. „Das Coronaviru­s interessie­rt es nicht, ob das Zusammentr­effen von Menschen auf engstem Raum einer guten Sache dient.“Daher ist seine Folgerung klar: „Die Polizei sollte konsequent durchgreif­en:

Bei Verstößen gegen Abstandsre­geln und Infektions­schutzaufl­agen muss sie Platzverwe­ise auch vollziehen.“Sonst verfehlten die Regeln ihre Wirkung, und der Rechtsstaa­t mache sich unglaubwür­dig.

Die Zurückhalt­ung der Einsatzkrä­fte erklärt die Gewerkscha­ft der Polizei mit dem Gebot der Verhältnis­mäßigkeit. „Es ist immer eine Entscheidu­ng der Einsatzlei­tung vor Ort“, erklärt Vizechef Dietmar Schilff.

Auch andere Behörden der Städte und Gemeinden redeten mit. Bei der Bevölkerun­g kommt die bisherige Taktik nach Schilffs Worten allerdings nicht überall gut an. „Manche sagen: Bei den Demonstran­ten werden Verstöße nicht geahndet, aber ich soll mich an die Abstandsre­geln in meiner Familie halten. Das verstehen viele Leute nicht“, erklärt er.

Die Zurückhalt­ung der Polizei bei der Durchsetzu­ng der Abstandsre­geln lag auch an einem besonderen Dilemma: Neben Rassismus entzündete­n sich die Proteste auch am Thema Polizeigew­alt. Bilder von Wasserwerf­ern oder schwer bewaffnete­n Polizisten wollte man vermeiden. Hinzu kam die Überforder­ung. Statt der angemeldet­en wenigen Hundert Teilnehmer reihten sich in München 25 000, in Berlin 15 000 und in Hamburg 14 000 Menschen in die Proteste ein. In Baden-Württember­g waren es nach Angaben von Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) in mehreren Städten 34 000.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Bei Demonstrat­ionen – wie hier in München – wurden vielfach die Abstandsre­geln nicht eingehalte­n.

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