Auf landwirtschaftlicher Mission
Mit einer Imagekampagne kämpfen Bauern im Südwesten um die Anerkennung der Verbraucher
REGION - Ein Strohbett, dicker als jede Matratze, dazu reicht Gerhard Glaser aus Schemmerhofen seinen 160 Kühen nach eigenen Angaben nur das beste Futter. Niemals Genfraß. „Es gibt mehr glückliche Kühe als glückliche Bauern“, ist der VizePräsident des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg überzeugt. Unglücklich sind viele Landwirte, weil sie Wertschätzung vom Verbraucher vermissen. Zu schnell würden sie als Tierquäler und Umweltverpester abgestempelt. Eine neue Kampagne des Landes BadenWürttemberg soll das Image der Landwirte jetzt aufbessern. Und die Chance, die Menschen wieder mehr an sich zu binden, könnte aktuell nicht größer sein, ist Glaser überzeugt.
Auf dem Hofgut Schleinsee in Kressbronn am Bodensee scheint die Welt in bester Ordnung. Kinder rasen mit Spielzeugtraktoren die Stallrampe hinunter, auf der Wiese gegenüber watscheln Gänseküken. Urlauber lassen sich mit einem Boot über den Schleinsee treiben. Landwirt Marc Gührer hat rund um seine Milchviehhaltung einen Rückzugsort für Familien geschaffen. Es ist ein Ort, an dem manch ein Kind lernt, dass Kühe nicht lila sind. Und, dass Milch nicht aus dem Tetrapack kommt. Gegenteilige Behauptungen habe er nämlich schon oft gehört, erzählt Gührer. Und auch Vorurteile hört er oft. Er komme oft mit Gästen oder Spaziergängern in Gespräch. „Da sagen Leute, dass ich als konventioneller Landwirt bloß spritze, damit ich Traktor fahren kann. Bei Bio-Landwirten heißt es dagegen, sie tun das nur, weil sie es müssen.“In Wahrheit könne wohl kein Landwirt vollkommen auf Pflanzenschutzmittel verzichten. „Irgendwie wollen wir ja auch von dem, was wir arbeiten, leben.“Verbraucher wüssten zu wenig über landwirtschaftliche Produktion Bescheid.
Der Vizepräsident des Landesbauernverbands, Gerhard Glaser, formuliert es drastischer: „Es ist Mode geworden, auf den Landwirten herumzutrampeln.“Negativbeispiele aus den Schlagzeilen würden zu schnell auf alle Landwirte projiziert. „Klar, punktuell haben wir Verbesserungsbedarf. Aber wir wollen besser werden. Und wir tun schon eine Menge.“Laut Umweltbundesamt sind die Treibhausgasemissionen durch die Landwirtschaft von rund 80 Millionen Tonnen jährlich im Jahr 1990 bis 2017 auf rund 66 Millionen Tonnen gesunken. Mehr Tierschutz, Artenvielfalt: Das sei alles auch im Sinne der Landwirte, betont Glaser.
Veränderung gelinge aber nicht von heute auf morgen. Und auch nicht, wenn der Verbraucher regionale Erzeugnisse nicht zu schätzen wisse, lieber billige Importware kaufe. „Wir haben in Deutschland die höchsten Standards in der landwirtschaftlichen Produktion.“
Auf dem Tisch lande trotzdem viel zu oft Billigware aus dem Ausland, bedauert auch Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk. Verbraucher und Landwirte hätten sich weit voneinander entfernt. Deswegen hat er zusammen mit Partnern die Kampagne „Wir versorgen unser Land“gestartet. Mit diesem Slogan zeigen sich Landwirte aus der Region in Filmen, auf Bannern und Plakaten. „Wir sind nicht authentisch, wenn wir irgendwelche Models ablichten. Die Landwirte zeigen Persönlichkeit.“Sie leisteten jeden Tag einen guten Job und hätten nichts zu verbergen, betont Hauk und gibt zu bedenken: Ohne landwirtschaftliche Bewirtschaftung gebe es keine Artenvielfalt. Die Bodenseeregion sei kleinteilig strukturiert und vielfältig mit Obst- und Spargelanbau, sowie Viehhaltung. Gerade dadurch entstünde Biodiversität.
Die Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahe steht, stellt der deutschen Landwirtschaft trotzdem ein schlechtes Zeugnis aus. Im AgrarAtlas 2019 heißt es: Zwar hätten sich viele Arten durch unterschiedliche landwirtschaftliche Bewirtschaftung etablieren können. „Mit dem Tempo aber, in dem sich die Landwirtschaft weiterentwickelt hat, konnte die biologische Vielfalt nicht mithalten.“Viele Arten, darunter Vögel und Wildkräuter, seien gefährdet.
Natur braucht Zeit. Ebenso wie Landwirte, wenn sie ihren Betrieb langfristig umstrukturieren wollen. Häufig gebe es neue Auflagen. Und manchmal fehle es auch an klaren Ansagen aus der Politik, sagt Birgit Locher, Landwirtin aus Oberteuringen. Auf ihrem Hof hält sie 80 Muttersauen mit einer Ferkelaufzucht. Aktuell
beschäftigt sie die Debatte rund um die sogenannten Kastenstände. Das sind kleine Boxen, in denen Sauen häufig einen Großteil ihrer Lebenszeit fixiert werden. Unter anderem möchte die Politik diesen Zeitraum limitieren. Die Debatte läuft schon seit ein paar Jahren, eine Entscheidung hat der Bundesrat erst vor wenigen Tagen verschoben. „Mir fehlt die Planungssicherheit“, sagt Birgit Locher. Ihre Sauen kommen für drei Wochen in den Kastenstand, wenn sie brünstig sind. „Da werden sie ziemlich kratzbürstig. Sie werden fixiert, damit sie sich selbst und die anderen Tiere nicht verletzen.“
Als Botschafterin für regionale Agrarproduktion ist die Landwirtin viel auf Messen unterwegs. Außerdem ist sie im Kreisbauernverband und bei den Bodenseebauern aktiv. Zudem sitzt sie für die Freien Wähler im Gemeinderat Oberteuringen. Sie suche den direkten Kontakt zu den Verbrauchern. Persönliche Gespräche seien wichtig. Dadurch legten viele Menschen Vorurteile ab. „Die Menschen sehen dann, dass es auch mir leid tut, wenn meine Tiere krank sind. Dass nicht alle Bauern böse sind“, sagt Locher.
Wenn es nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid geht, genießen deutsche Landwirte bereits hohes Ansehen in der Bevölkerung: In der Rangliste der wichtigsten und zukunftsträchtigsten Berufe aus dem Jahr 2017, taucht der Berufsstand an zweiter Stelle auf, direkt hinter den Ärzten. „Aber leider kommt davon noch nicht so viel an“, bedauert Gerhard Glaser. In diesem Jahr wird das Ranking wiederholt. Und die Chancen, dass die Landwirte ihre Platzierung verteidigen und sogar spüren können, stünden nicht schlecht. „In der Corona-Krise haben sich viele Menschen auf die Bauernhöfe zurückbesonnen. Bei Hofläden und Milchtankstellen spüren wir einen deutlichen Anstieg der Nachfrage.“Glaser hofft, dass dieser Trend die Krise überdauert.