Gränzbote

„Die Tiere suchen unsere Nähe, weil sie Hilfe brauchen“

Beate Linzmeier kümmert sich in ihrer Auffangsta­tion um verletzte oder verwaiste Eichhörnch­en

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TUTTLINGEN - 15 Mitbewohne­r zählt Beate Linzmeier im Moment. Alles Eichhörnch­en. Linzmeier betreibt eine Auffangsta­tion für Tiere, die verletzt oder verwaist sind. Gerade hat sie besonders viel zu tun. Zwischen März und August bekommen Eichhörnch­en Nachwuchs. Aber auch der Mensch werde offenbar aufmerksam­er auf die Tiere, beobachtet Linzmeier. Im Interview mit Volontärin Birga Woytowicz erzählt sie, wie wir uns gegenüber den Tieren verhalten sollten und warum zu viel Nähe ein Hilferuf der Tiere ist.

Auf Facebook teilen Nutzer Eichhörnch­en-Bilder und auch ich persönlich habe das Gefühl, den Tieren im Stadtgebie­t immer öfter über den Weg zu laufen. Täuscht der Eindruck oder werden sie zutraulich­er?

Selbst habe ich das noch nicht festgestel­lt. Ich bin aber auch weniger direkt in der Stadt unterwegs. Ich kann mir aber vorstellen, dass sich die Tiere an die Menschen gewöhnen. Manche Leute füttern sie vielleicht auch. Was ich seit Corona aber beobachte: Viele Menschen sind daheim, weil sie im Home-Office sind. Dadurch sind auch viel mehr Leute gekommen und haben mir verletzte Jungtiere gebracht. Gerade kümmere ich mich um 15 Tiere. Das ist sehr viel. 2019 waren es insgesamt 40 und davon kamen viele von anderen Auffangsta­tionen, die überlastet waren.

Mit welchen Beschwerde­n kommen die Patienten zu Ihnen?

Zuletzt waren wieder viele Jungtiere unterwegs. Bei ihren ersten Kletterver­suchen stürzen sie manchmal ab, die Mutter holt sie dann nicht immer zurück in den Kobel (Nest des Eichhörnch­ens/Anm.d.Red.). Manchmal werden die Mütter auch erschreckt und lassen den Nachwuchs fallen. Oder sie werden von Krähen verletzt.

Wenn ich ein hilfloses Jungtier entdecke: Was muss ich beachten?

Gerade Jungtiere laufen Menschen hinterher. Das kann Neugier sein. Oder die Tiere suchen unsere Nähe, weil sie Hilfe brauchen. Oft hört man, dass sie dann am Hosenbein hochklette­rn. Manche sitzen apathisch auf dem Boden, weil sie schon längere Zeit nicht versorgt wurden. Bevor man die Tiere aber sichert und sich bei der Auffangsta­tion meldet, sollte man eine Weile beobachten.

Manchmal findet die Mutter ihr Kleines noch, oder sie finden selbst zurück in den Kobel. Wenn sie sich leicht einfangen lassen, brauchen sie meist dringend Hilfe.

Wie fange ich ein Eichhörnch­en ein?

Man kann sie einfach mit den Händen fangen. Am besten wickelt man sie gleich in ein Tuch und sichert sie in einer Kartonscha­chtel. Darin können sich die Eichhörnch­en richtig einmummeln. Gerade Jungtiere brauchen eine Wärmequell­e. Es ist wichtig, schnell die nächste Auffangsta­tion zu kontaktier­en. Eichhörnch­en soll man nicht einzeln halten. Sonst werden sie fehl geprägt. Sie werden bei mir auch in Gruppen aufgeteilt. Damit sie immer unter Gleichaltr­igen lernen. Die erwachsene­n Tiere sollte man mit Handschuhe­n sichern, da sie sich aus Angst wehren.

Vorhin sagten Sie, dass die Tiere die Nähe zum Menschen suchen. Das ist dann also reiner Opportunis­mus in der Not?

Ganz genau. Sobald ich sie in die Auswilderu­ngsvoliere setze, wollen sie von mir nichts mehr wissen. Das ist auch richtig so. Eichhörnch­en sind Wildtiere. So soll man sie auch lassen. Sie sind zwar niedlich, manche auch neugierige­r als andere. Aber Eichhörnch­en sind keine Haustiere.

Kann ich die Tiere zum Beispiel füttern, in der Not oder auch einfach so?

Bei Jungtieren, die verletzt sind, rate ich davon ab, sie selbst zu füttern. Die Tiere brauchen oft erst eine Elektrolyt­lösung, um den Kreislauf zu stabilisie­ren. Wenn man ihnen etwas Falsches gibt, bekommen sie Durchfall. Da habe ich dann nur mehr Mühe, sie wieder aufzubauen. Es kann auch sein, dass man ihnen zu viel auf einmal gibt. Wenn sich die Tiere verschluck­en, führt das gerade bei Jungtieren häufig zu einer Lungenentz­ündung. Generell aber kann man gerne Futterkäst­en im Garten aufstellen, oder Nüsse ins Vogelhaus legen. Am besten sind Walnüsse und Haselnüsse mit Schale. Im Winter ist das mehr gefragt. Im Sommer sollte man dann nicht jeden Tag auffüllen. Ein bisschen sollen die Tiere schon selbst arbeiten und sich nicht gleich an einen gedeckten Tisch setzen. Was auch noch wichtig ist: In Wasserfäss­er am besten einen Ast stellen, damit die Hörnchen im Notfall herausklet­tern können. Oft ertrinken sie.

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FOTO: BEATE Einer der 15 Patienten, um die sich Beate Linzmeier derzeit kümmert. LINZMEIER
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