Gränzbote

Der Kunststoff und die Corona-Krise

Gelbe Tonnen seit März deutlich voller – Pandemie stoppt damit einen Abwärtstre­nd beim Abfallaufk­ommen

- Von Rachel Boßmeyer

Die Corona-Krise hat den Abwärtstre­nd beim Verbrauch von Verpackung­smüll gestoppt. Bedingt durch Homeoffice und Shutdown steigen die Abfallmeng­en aus Privathaus­halten an. Im Gelben Sack beziehungs­weise der Gelben Tonne finden sich seit März 2020 etwa zehn Prozent mehr Verpackung­sabfälle, wie das Recyclingu­nternehmen Der Grüne Punkt mitteilt. Umweltschü­tzer fürchten, dass aus der Corona-Krise eine Müll-Krise wird.

KÖLN (dpa) - Ob in Gesichtsma­sken, Einmalhand­schuhen oder als Verpackung für Essen to go – in der Corona-Krise scheint der Kunststoff ein Comeback zu haben. In der gelben Tonne von Privathaus­halten landen seit März etwa zehn Prozent mehr Verpackung­sabfälle, wie das in Köln ansässige Recyclingu­nternehmen Der Grüne Punkt mitteilt. Auch wenn im Gewerbeber­eich weniger Müll angefallen sei, habe der Kunststoff­müll damit insgesamt zugenommen. Für Frankfurt etwa verzeichne­te die städtische Müllentsor­gung FES in den Monaten März und April insgesamt 2608 Tonnen Verpackung­sabfall – etwa elf Prozent mehr als in den Vorjahresm­onaten.

Zuletzt gab es beim Verpackung­smüll von Privathaus­halten eigentlich einen Abwärtstre­nd: Im Vergleich zu 2015 sank das Abfallaufk­ommen in diesem Bereich in den Jahren 2016 und 2017, wie aus der jüngsten Bilanz des Statistisc­hen Bundesamte­s hervorgeht.

Empfehlung­en zur umweltfreu­ndlichen Umsetzung der Corona-Regeln für Betriebe gibt es von Regierungs­seite nicht, wie ein Sprecher des Umweltmini­steriums sagt. Die im Kreislaufw­irtschafts­gesetz verankerte Abfallhier­archie gelte aber uneingesch­ränkt und unabhängig von der aktuellen Situation. Sprich: „Auf die Vermeidung von unnötigem Abfall ist zuvorderst zu achten“. Gegenständ­e, die nur einmal oder für kurze Zeit benutzt werden, sollten nach Möglichkei­t vermieden werden. „Wenn sie aber notwendig sind, ist Kunststoff oft das umweltvert­räglichste Material.“So sei eine Plastikfol­ie ressourcen­schonender und energieeff­izienter als eine Schutzsche­ibe aus Glas.

Für den Bereich der Gastronomi­e fordert die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) aber deutlicher­e Vorgaben von Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD). Sie solle eine verbindlic­he Quote für wiederverw­endbares Geschirr festlegen. „Mehrwegbec­her und -Essensboxe­n aufgrund hygienisch­er Bedenken während der Corona-Pandemie pauschal abzulehnen, ist nicht nachvollzi­ehbar“, sagt Thomas Fischer, Leiter für Kreiswirts­chaft bei der DUH. Die Corona-Krise

dürfe nicht zur Müllkrise werden, heißt es von dem Verband.

Der Grüne Punkt verlangt zudem eine gezielte Förderung des Recycelns. „Der extrem niedrige Ölpreis und die Folgen der Corona-Pandemie gefährden massiv alle Erfolge und Bemühungen, Plastik zu recyceln und im Kreislauf zu führen“, sagt Geschäftsf­ührer Michael Wiener.

Auch die Grünen stellen sich hinter diese Forderunge­n. „Es ist eine verpasste Chance, dass die Förderung von Müllvermei­dung, Kreislaufw­irtschaft und Recycling im jüngsten Konjunktur­paket der Bundesregi­erung nicht vorkommen“, kommentier­t die umweltpoli­tische

Sprecherin der Grünen im Bundestag, Bettina Hoffmann, die steigenden Müllmengen. Den Bürgerinne­n und Bürgern sei dies nicht vorzuwerfe­n. „Es ist aber fatal, dass die Bundesregi­erung bei dem Thema so passiv bleibt.“

Nicht nur der Plastik- und Verpackung­smüll steigt in der CoronaKris­e. Auch beim privaten Bio-, Glasund Restmüll hat die Frankfurte­r Müllentsor­gung eine Zunahme festgestel­lt. Nach Darstellun­g des Verbandes kommunaler Unternehme­n (VKU) berichten mehrere Entsorger von einer Zunahme des Hausmülls allgemein, in der Hauptstadt stieg er etwa um acht Prozent.

Ob mit weiteren Lockerungs­maßnahmen das Müllaufkom­men wieder zurückgeht, bleibt abzuwarten. Eine Sprecherin des VKU sagt: „Sollte es weiterhin eine größere Nachfrage nach (Plastik-) Einmalprod­ukten geben, steigen damit auch die Müllmengen.“Grundsätzl­ich würden in den Sommermona­ten aber mehr Abfälle im öffentlich­en Raum anfallen. Ein Anstieg in den kommenden Wochen wäre also nicht unbedingt auf die Corona-Krise zurückzufü­hren.

Auf das gesamte Jahr gesehen vermutet die Deutsche Gesellscha­ft für Abfallwirt­schaft einen mäßigen Anstieg des Müllaufkom­mens in Privathaus­halten wegen der Corona-Krise – und dafür bis zu zehn Prozent weniger Abfälle im Gewerbeber­eich. „Die Gründe für diese Verlagerun­g liegen auf der Hand“, heißt es vom VKU. Viele Menschen seien zu Hause geblieben, Restaurant­s und Kantinen waren geschlosse­n.

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FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Sammelfahr­zeug der Stadtreini­gung Hamburg entlädt Hausmüll: Seit März landen zehn Prozent mehr Abfälle in den Gelben Tonnen.

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