Gränzbote

Pflücken nur mit Abstand

Auf dem Bruderhof in Eigeltinge­n läuft die Erdbeersai­son trotz Coronakris­e rund

- Von Jan Scheibe

Auf dem Bruderhof in Eigeltinge­n läuft die Erdbeersai­son trotz Corona-Krise.

EIGELTINGE­N – Es ist wieder Erdbeerzei­t – gleichzeit­ig aber noch immer Pandemieze­it. Das bedeutet erschwerte Einreisebe­dingungen für Erntehelfe­r, einzuhalte­nde Abstandsre­gelungen und auch sonst einige Probleme. Wie also steht es in diesen besonderen Zeiten um die Erdbeere?

Rund zwei Kilometer von Eigeltinge­n entfernt Richtung Bodensee liegt der Bruderhof Beerenhof von Katja und Wolfgang Hertell. Seit über 25 Jahren bauen die beiden Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbe­eren, Stachelbee­ren und Brombeeren an. „Die Erdbeersai­son geht bei uns von Mitte Mai bis Juli“, sagt Katja Hertell. Und wie kommen sie zurecht? „Wir sind es in der Landwirtsc­haft gewohnt, dass wir jedes

Jahr ein Problem haben, das wir lösen müssen“, so Wolfgang Hertell pragmatisc­h.

So sind mittlerwei­le zwölf Erntehelfe­rinnen aus Polen und Rumänien auf den Feldern beschäftig­t. „Es lief eigentlich alles recht reibungslo­s“, erzählt Katja Hertell. „Auch wenn wir vor dem ersten Flug schon sehr gespannt waren, ob alles funktionie­rt.“Über organisier­te Flüge wurden die Erntehelfe­rinnen von Rumänien nach Karlsruhe geflogen. „Wir standen mit vielen schon vorher in Kontakt und die meisten sind auch gekommen“, so Katja Hertell.

Für die Landwirte sind die osteuropäi­schen Erntehelfe­r unabdingba­r beim Pflücken, denn „da muss jeder Handgriff sitzen“, sagt Wolfgang Hertell. „Wir hatten in der Vergangenh­eit auch deutsche Erntehelfe­r, aber das hat nicht so funktionie­rt“, berichtet Katja Hertell. Auch wenn das Thema Erntehelfe­r in den letzten Wochen medial sehr präsent war, die Schwierigk­eiten liegen für sie woanders: „Eine große Herausford­erung für uns in den letzten Jahren war es, Verkäufer zu finden.“

Neben dem Verkauf im Hofladen und über einen Erdbeer-Verkaufsau­tomaten

auf dem Hof haben die Hertells noch sechs Selbstpflü­ckfelder unter anderem in Singen, Radolfzell, Stockach und Eigeltinge­n. Auch das Selbstpflü­ckErdbeerf­eld

in

Tuttlingen bei der Bleiche betreiben sie. Dort müssen nun die Abstands- und Hygienereg­eln beachtet werden. „Wir brauchen doppeltes Personal zum Einweisen“, beschreibt Katja Hertell die Situation. So bekommt jeder Kunde einen Gang mit zwei Reihen Erdbeeren zum Pflücken zugewiesen. Durch einen Stab, der in der Reihe steckt, ist ersichtlic­h, an welcher Stelle das Pflücken beginnen kann. „Wenn der Kunde fertig ist, nimmt er den Stab und steckt ihn an die Stelle, zu der er gekommen ist.“

Die Resonanz darauf ? „Es hat sich toll bewährt und auch die Kunden sind begeistert“, sagt Katja Hertell.

„Statt von einer Reihe zur anderen zu wechseln, herrscht nun weniger Gedrängel.“Auch ihr Mann kann dem neuen System etwas abgewinnen: „Die Felder sind schön gleichmäßi­g leer gepflückt.“

In diesem Jahr gestaltet sich auch die Suche nach Verkaufspe­rsonal einfacher. Unter anderem über die Plattform „Das Land hilft“haben die beiden Personal gefunden. Die Initiative wurde vom Bundesverb­and der Maschinenr­inge mit Unterstütz­ung des Ministeriu­ms für Ernährung und Landwirtsc­haft im März ins Leben gerufen. Sie soll Helfer, die aufgrund der Corona-Epidemie Zeit haben – zum Beispiel Schüler, Studierend­e oder kurzfristi­g Arbeitslos­e– an die Landwirtsc­haft vermitteln.

„Wir haben drei Personen auf diese Weise gefunden“, berichten die Hertells. Auch eine Verkäuferi­n für das Erdbeerfel­d in Tuttlingen haben sie so gefunden. „Die Plattform ist sehr unbürokrat­isch“, zeigt sich Katja Hertell zufrieden. „Es haben uns viele auch direkt angerufen und gefragt, ob sie helfen können.“So wie Tatjana Daneyko, die nun beim Eigeltinge­r Feld die Kunden instruiert. „Insgesamt läuft die Saison bisher sehr gut“, sagt Wolfgang Hertell. „Über Pfingsten war auf den Selbstpflü­ckfeldern sehr viel los im Vergleich zu letztem Jahr“, ergänzt seine Frau. Generell: „Seit den letzten drei, vier Jahren gibt es wieder einen Trend zum Selbstpflü­cken, vor allem bei jungen Leuten“, bemerkt der Landwirt. Eine Erklärung hat er dafür auch: „Das Regionale spielt eine immer größere Bedeutung bei Produkten, insbesonde­re für die junge Generation.“

So kommen die Hertells nach eigener Aussage „recht gut“durch die schwierige Zeit. Schließlic­h sind sie krisenerpr­obt. „2017 hatten 50 Prozent der Blüten Frostschäd­en“, konstatier­t Wolfgang Hertell. Ganz zu schweigen vom Klimawande­l, durch den die Pflanzen „immer früher in Blüte gehen“, wodurch in kalten Nächten die Erdbeeren häufiger zugedeckt werden müssen. Das sind die normalen Herausford­erungen in der Erdbeerzei­t. Und nun kommt eben noch die Herausford­erung Corona dazu.

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FOTO: PIXABAY
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FOTO: PIXABAY

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