Amerika nimmt Abschied von George Floyd
Bewegende Trauerfeier in Houston – Appelle zur Überwindung von Ungerechtigkeit
HOUSTON (dpa/epd) - Gut zwei Wochen nach seinem Tod bei einem brutalen Polizeieinsatz haben die Angehörigen und Hunderte Ehrengäste Abschied von dem Afroamerikaner George Floyd genommen. Vor der Beisetzung kam die Trauergemeinde am Dienstag in der Kirche „The Fountain of Praise“in Houston im US-Bundesstaat Texas bei einer berührenden Gedenkfeier zusammen. Gott stehe Menschen mit einem gebrochenen Herzen besonders nahe, sagte Pastorin Mia Wright. Der designierte demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden drückte seine Anteilnahme in einer Videobotschaft aus, die in der Kirche gezeigt wurde. Biden rief zur Überwindung von Rassismus auf. Amerika habe keine andere Wahl, als es in Zukunft besser zu machen. „Wir können die Wunden dieser Nation heilen“, sagte Biden. Als Katholik wisse er, dass Glauben ohne Werke tot sei. Biden hatte den Angehörigen zuvor persönlich bei einem Treffen sein Beileid ausgesprochen.
Bereits am Montag waren Tausende zu Floyds aufgebahrtem Leichnam in die Kirche in Houston geströmt. Auch am Dienstag nahmen noch Menschen Abschied am goldfarbenen Sarg.
Floyds Nichte Brooke Williams sagte beim Gottesdienst: „Keine Hassverbrechen mehr, bitte. Jemand hat gesagt: ,Make America Great Again’. Aber wann war Amerika jemals großartig?“„Amerika wieder großartig machen“war Trumps zentraler Wahlkampfslogan 2016. Williams bekam für ihre Worte viel Applaus. Donald Trump äußerte sich zunächst nicht zu der Trauerfeier. Der US-Präsident hat Floyds Tod mehrfach verurteilt. Ihm wird aber vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu positionieren und nicht genug Verständnis für den Zorn über Diskriminierung und Ungerechtigkeit im Land zu zeigen.
Der 46-jährige Floyd war am 25. Mai in Minneapolis von einem weißen Polizisten getötet worden, der sein Knie minutenlang auf den Hals des in Handschellen am Boden liegenden Mannes gedrückt hatte. Eine Passantin filmte den Vorfall. Die Bilder lösten weltweite Kundgebungen aus.
Floyd hatte den Großteil seines Lebens in einem armen Wohnviertel in Houston verbracht.
BERLIN - „Keine Kanaken erwünscht“, erklärte der Vermieter dem Bewerber und gab ihm gleich eine Alternative für die Wohnungssuche mit auf den Weg: „Gehe zurück nach Syrien und baue lieber dein Land auf.“Es sind viele Fälle wie dieser, die die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in den vergangenen Monaten gesammelt hat: Die Altenpflegerin, die gehen musste, weil die Heimbewohner keine Schwarze wollten. Die Chinesin, deren Arzt sie wegen Corona nicht behandeln wollte, obwohl die Patientin seit Monaten nicht in Asien war.
3580 Mal wurde die Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes im vergangenen Jahr um Hilfe gebeten, im Vorjahr waren es 3455 Fälle. In knapp einem Drittel der Fälle (1176) ging es um Rassismus, danach folgen Benachteiligungen wegen des Geschlechts oder einer Behinderung. Die Zahl der Rassismusbeschwerden hat sich demnach seit 2015 mehr als verdoppelt. Die Zahlen hätten keinen repräsentativen Charakter, betont ADS-Chef Bernhard Franke. Denn selbst wenn Betroffene die Verletzungen nicht herunterschlucken, sondern sich wehren, landet nur ein kleiner Teil der Fälle bei der ADS. Es gibt viele andere Beratungsund Beschwerdestellen, jedes zweite Bundesland hat eine eigene ADS. Zudem garantiert der Gang zur ADS noch lange keine Besserung: So kann die Stelle zwar Behörden, aber keine Privatpersonen zur Stellungnahme zwingen.
Die Fälle zeigten ein „Schlaglicht auf das Vorkommen von Diskriminierung in Deutschland“, sagt Franke. Die aktuelle Corona-Krise verstärke vielerorts noch bereits bestehende Ungleichheiten. Zum Beispiel, wenn Behinderte Mundschutz tragen müssten, obwohl einige es nicht könnten. Oder wenn Rollstuhlfahrer nur mit Einkaufswagen in den Supermarkt dürften.
Es gebe 14 Jahre nach Verabschiedung des Gleichbehandlungsgesetzes, mit dem die ADS aus der Taufe gehoben wurde, weiter ein „Grundrauschen der Ausgrenzung“in Deutschland. Das treffe auch das lesbische Paar, dessen Kind eine Ärztin nicht behandeln wollte. Oder den 60-jährigen Jobsuchenden, der wegen seines Alters aussortiert wurde. Mehr als jede dritte Beschwerde bezog sich auf Berufliches. Dem folgt die Diskriminierung bei Alltagsgeschäften wie Wohnungssuche oder Einkauf, die jeder Vierte beklagte. „Diskriminierung zermürbt“, sagt Franke. Das Gefühl, mit Ungerechtigkeit alleine gelassen zu werden, habe auf Dauer fatale Folgen. Zudem bestärke es jene, die Diskriminierung für ein Kavaliersdelikt halten.
Franke fordert von Bund und Ländern mehr Einsatz. Lob gibt es für das frisch verabschiedete und heftig kritisierte Antidiskriminierungsgesetz des Landes Berlin. Franke bezeichnet das Gesetz als „wichtigen Schritt“insbesondere bei Diskriminierung durch Polizeibeamte. Dass es ein Rassismusproblem in der Polizei gebe, steht für Franke außer Frage: Er verweist dafür auf eine Studie des hessischen Innenministeriums, derzufolge 18 Prozent der Polizisten rassistische Sprüche von Kollegen mitbekommen haben.
Dass andere Bundesländer drohen, nun keine Polizei mehr zu Unterstützungseinsätzen in die Hauptstadt zu schicken, sei übertrieben.
Das Gesetz drehe die Beweislast bei Polizeimaßnahmen nicht zulasten der Beamten um, sondern stärke lediglich die Rechte mutmaßlicher Opfer. „Wir sehen nicht, dass die Polizei unter Generalverdacht gestellt wird“, sagt er. Auch mit der Neuregelung könne niemand den Beamten „ins Blaue hinein“Diskriminierung unterstellen.
In der Diskussion um Rassismus bei der Polizei macht sich Franke für unabhängige Ombudsstellen in allen Ländern stark, an die sich beispielsweise Opfer von Kontrollen nach dem Aussehen (Racial Profiling) wenden sollen.
Aus Politik und Verbänden kam Zustimmung zum Bericht: „Wir dürfen nicht nachlassen, gegen Rassismus aufzustehen“, sagte SPD-Familienministerin Franziska Giffey und verwies auf das Förderprogramm „Demokratie leben“aus ihrem Haus. Die Linksparteichefin Katja Kipping sprach von einem weiteren Beweis, dass Deutschland ein „Rassismusproblem habe“. FDP-Fraktionsvize Katja Suding sprach von einem gravierenden Problem, das man in Deutschland nicht im Griff habe. Und das DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel verwies darauf, dass rassistische Vorkommnisse gerade in der
Arbeitswelt nicht selten seien. Gleichwohl dürfte der Bericht keine großen Folgen haben, denn auf Kernforderungen Frankes schwieg die Berliner Politik am Dienstag: Eine Überarbeitung des Gleichbehandlungsgesetzes? Eine Auskunftspflicht für Privatleute oder gar ein Verbandsklagerecht? Ist derzeit in Berlin kein Thema.
Mehr als nur Schwarzweiß-Denken: Eine Erklärung zu Rassismus im Video auf www.schwäbische.de/ rassismus